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Nach dem großen Eindrucke, den die aristokratische,
im höchsten Maße kultivierte Art dieser wirklich
deutenden, intelligenten Künstlerin hinterließ, z
Direktor Bachur wieder einmal ein großes Los, als
er sich den Besitz Edyth Walthers sicherte. Er griff
im richtigen Augenblicke zu und schlug alle Bewerber
allerdings unter Bedingungen, über deren Höhe fast
amerikanische Summen genannt werden. Unsere Oper
kann dabei aber nur gewinnen: Gar nicht virtuosen¬
haft veranlagt oder von primadonnenhaften Launen
getrieben, eine Künstlerin von ernstester Auffassung des
Lebens in ihrer Kunst, wird Edyth Walther als Vor¬
bild und Muster einer Ensemble=Künstlerin bei uns
wirken, und schon aus diesem Grunde unserer Sym¬
pathieen sicher sein. Freuen wir uns, daß wir um
eine solche Persönlichkeit reicher sind im Hamburger
Musikleben.
Das zweite Ereignis war eine Neueinstudierung
von Spinelli's „a basso porto. In einer etwas
zahmen und wenig charakteristischen Wiedergabe ging
das eigenartig schwüle, von mächtigem Talente
zeugende Werk vor einigen Jahren an unserer Bühne
ziemlich eindruckslos und unerstanden in Szene, trotz¬
dem damals die Hauptrolle in Frau Moran=Olden
eine unübertreffliche Vertreterin gefunden hatte. Ganz
anders wirkte jetzt unter Kapellmeister Brechers
genialer Leitung die Oper; Brecher hütete sich wohl¬
weislich, das Wesentliche der Spmnellischen Musik zu
verwischen: er ließ ihr all das Brutal=Elementare
des Orchesters, all das Eckige und Scharfe und gab
ihr dadurch die maskierte Physiognomie zurück, mit
der einst bei der Kölner Uraufführung das Werk so
mächtig gepackt hatte. Irgend jemand hatte sich
außerdem verdient gemacht durch wesentliche Ver¬
besserungen der miserablen deutschen Uebersetzung,
Herr Jelento endlich hatte das Werk sinn= und
effektvoll inszenirt und so kam eine Gesamtausführung
zustande, die das neapolitanische Kolorit leuchtend zum
Ausdrucke brachte und die der Oper einen großen
Sehr verdienstlich wirkten in den
Erfolg verschaffte.
Hauptrollen die Herren Dawison und Pennarini,
sowie Frau Beuer.
Das Thaliatheater versammelte ein zahl¬
reiches, von literarischen Interessen geleitetes Publikum
zur Uraufführung von Omptedas „Gräfin
Hier brachte der Abend denen, die von
So
dem beliebten und mit Recht berühmten Erzähler auch
ein wirksames Drama erhofft hatten, eine Ent¬
täuschung, denn „Gräsin Sophie“ ist nicht nur ein
hülfloses und dramatisch ungeschicktes, sondern auch ein
höchst langweiliges Stück. Die Menschen aus der
Gesellschaft, die Ompteda uns vorstellt, strömen ein
Parsum aus, das unwiderstehlich zum Einschlasen
zwingt. Die Ansichten, die sie auf Wunsch ihres
Schöpfers vertreten und äußern, mögen ja höchst
stehen so außerhalb
100
anständig sein, aber
jeder Diskussionsmöglichkeit, daß Ompteda selbst aus
ihnen nicht Rede und Gegenrede herausschlagen konnte.
Daß Ompteda so kläglich Schiffbruch gelutten hat, ist
übrigens eine verdiente Strafe: ganz ehrlich ist sein
Stück nicht, insofern der Dichter sich hütet, Farbe zu
bekennen. Manchmal nimmt er einen netten Anlauf,
seine Gesellschaftskreise, eine überaus „seine Blase“
artig zu verspotten; er schlägt leicht ironisierende
Töne an und schickt sich an, alten unmöglichen Vor¬
urteilen zu Leibe zu rücken. Aber immer wieder zieht
er sich schleunigst zurück und streichelt da, wo er
zuhauen wollte. So bleibt ein schwankendes, un¬
entschiedenes Gerede, bei dem niemand auf seine
Kosten kommt. Die eigentliche Handlung steht
auf der schönen Höhe einer schwächeren Marlittiade.
Diese junge Gräfin Sophie selbst ist nichts als ein
einziges Mißverständnis eines modernen Mädchens,
sie ist eine psychologische Katastrophe schlimmster Art.
Die arme Centa Bré die so etwas spielen mußte
und so tun wollte, als ob jemand jemals irgendwo
etwaskempfinden könnte! Herr Jessner hatte das
Stück inszeniert. Es war maßlos fein, eine Orgie
von Aristokratismus. Unwillkürlich kontrollierte man
den eigenen Smoking und die eigenen Stiefel, ob sie
auch in die erlesene Gesellschaft paßten. In diesem
Reiche der Vornehmheit präsidierte mit hoheitsvoller
Würde Frau Horwarth und um sie gruppierte sich.
das ganze Ensemble. Wie gesagt, es war über die
Maßen sein.
Das Schauspielhaus hat durch die über Er¬
warten große Zugkraft von „Frau Warrens Gewerbe“.
Luft bekommen und hat nun Zeit, nebenher alte
Verpflichtungen abzustoßen. Dazu gehörte wohl auch
die späte Erstaufführung von Schuitlers interessantem
aber wenig dramatischem Zwichenspier, dem auch
hier nicht einmal die feine überlegene Kunst des Frl.
Hönigswald einen Majoritätserfolg retten konnte.
Man darf das aufrichtig bedauern, denn wenn auch
Schnitzler das Problem, das er im „Zwischenspiel“
und wer könnte
aufwirft, keineswegs gelöst hat
das Unlösbare lösen — so bringt er zu einer inter¬
—
Nach dem großen Eindrucke, den die aristokratische,
im höchsten Maße kultivierte Art dieser wirklich
deutenden, intelligenten Künstlerin hinterließ, z
Direktor Bachur wieder einmal ein großes Los, als
er sich den Besitz Edyth Walthers sicherte. Er griff
im richtigen Augenblicke zu und schlug alle Bewerber
allerdings unter Bedingungen, über deren Höhe fast
amerikanische Summen genannt werden. Unsere Oper
kann dabei aber nur gewinnen: Gar nicht virtuosen¬
haft veranlagt oder von primadonnenhaften Launen
getrieben, eine Künstlerin von ernstester Auffassung des
Lebens in ihrer Kunst, wird Edyth Walther als Vor¬
bild und Muster einer Ensemble=Künstlerin bei uns
wirken, und schon aus diesem Grunde unserer Sym¬
pathieen sicher sein. Freuen wir uns, daß wir um
eine solche Persönlichkeit reicher sind im Hamburger
Musikleben.
Das zweite Ereignis war eine Neueinstudierung
von Spinelli's „a basso porto. In einer etwas
zahmen und wenig charakteristischen Wiedergabe ging
das eigenartig schwüle, von mächtigem Talente
zeugende Werk vor einigen Jahren an unserer Bühne
ziemlich eindruckslos und unerstanden in Szene, trotz¬
dem damals die Hauptrolle in Frau Moran=Olden
eine unübertreffliche Vertreterin gefunden hatte. Ganz
anders wirkte jetzt unter Kapellmeister Brechers
genialer Leitung die Oper; Brecher hütete sich wohl¬
weislich, das Wesentliche der Spmnellischen Musik zu
verwischen: er ließ ihr all das Brutal=Elementare
des Orchesters, all das Eckige und Scharfe und gab
ihr dadurch die maskierte Physiognomie zurück, mit
der einst bei der Kölner Uraufführung das Werk so
mächtig gepackt hatte. Irgend jemand hatte sich
außerdem verdient gemacht durch wesentliche Ver¬
besserungen der miserablen deutschen Uebersetzung,
Herr Jelento endlich hatte das Werk sinn= und
effektvoll inszenirt und so kam eine Gesamtausführung
zustande, die das neapolitanische Kolorit leuchtend zum
Ausdrucke brachte und die der Oper einen großen
Sehr verdienstlich wirkten in den
Erfolg verschaffte.
Hauptrollen die Herren Dawison und Pennarini,
sowie Frau Beuer.
Das Thaliatheater versammelte ein zahl¬
reiches, von literarischen Interessen geleitetes Publikum
zur Uraufführung von Omptedas „Gräfin
Hier brachte der Abend denen, die von
So
dem beliebten und mit Recht berühmten Erzähler auch
ein wirksames Drama erhofft hatten, eine Ent¬
täuschung, denn „Gräsin Sophie“ ist nicht nur ein
hülfloses und dramatisch ungeschicktes, sondern auch ein
höchst langweiliges Stück. Die Menschen aus der
Gesellschaft, die Ompteda uns vorstellt, strömen ein
Parsum aus, das unwiderstehlich zum Einschlasen
zwingt. Die Ansichten, die sie auf Wunsch ihres
Schöpfers vertreten und äußern, mögen ja höchst
stehen so außerhalb
100
anständig sein, aber
jeder Diskussionsmöglichkeit, daß Ompteda selbst aus
ihnen nicht Rede und Gegenrede herausschlagen konnte.
Daß Ompteda so kläglich Schiffbruch gelutten hat, ist
übrigens eine verdiente Strafe: ganz ehrlich ist sein
Stück nicht, insofern der Dichter sich hütet, Farbe zu
bekennen. Manchmal nimmt er einen netten Anlauf,
seine Gesellschaftskreise, eine überaus „seine Blase“
artig zu verspotten; er schlägt leicht ironisierende
Töne an und schickt sich an, alten unmöglichen Vor¬
urteilen zu Leibe zu rücken. Aber immer wieder zieht
er sich schleunigst zurück und streichelt da, wo er
zuhauen wollte. So bleibt ein schwankendes, un¬
entschiedenes Gerede, bei dem niemand auf seine
Kosten kommt. Die eigentliche Handlung steht
auf der schönen Höhe einer schwächeren Marlittiade.
Diese junge Gräfin Sophie selbst ist nichts als ein
einziges Mißverständnis eines modernen Mädchens,
sie ist eine psychologische Katastrophe schlimmster Art.
Die arme Centa Bré die so etwas spielen mußte
und so tun wollte, als ob jemand jemals irgendwo
etwaskempfinden könnte! Herr Jessner hatte das
Stück inszeniert. Es war maßlos fein, eine Orgie
von Aristokratismus. Unwillkürlich kontrollierte man
den eigenen Smoking und die eigenen Stiefel, ob sie
auch in die erlesene Gesellschaft paßten. In diesem
Reiche der Vornehmheit präsidierte mit hoheitsvoller
Würde Frau Horwarth und um sie gruppierte sich.
das ganze Ensemble. Wie gesagt, es war über die
Maßen sein.
Das Schauspielhaus hat durch die über Er¬
warten große Zugkraft von „Frau Warrens Gewerbe“.
Luft bekommen und hat nun Zeit, nebenher alte
Verpflichtungen abzustoßen. Dazu gehörte wohl auch
die späte Erstaufführung von Schuitlers interessantem
aber wenig dramatischem Zwichenspier, dem auch
hier nicht einmal die feine überlegene Kunst des Frl.
Hönigswald einen Majoritätserfolg retten konnte.
Man darf das aufrichtig bedauern, denn wenn auch
Schnitzler das Problem, das er im „Zwischenspiel“
und wer könnte
aufwirft, keineswegs gelöst hat
das Unlösbare lösen — so bringt er zu einer inter¬