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20. Zuischensniel
—
A H
— Cömedie Frangaise, mit der seinem Wesen nach das Burg= aller gebotenen Bescheidenheit und Zurückhaltung, vielleicht
sagen: die weiblichen Kräfte haben sich als den männlichen zum
theater so manche Verwandtschaft aufweist, sind in seinem
mindesten ebenbürtig, wenn nicht überlegen gezeigt. So kann
Organismus immer wieder auch die Möglichkeiten eines
ich mir Hofmannsthals Claudio seelisch tiefer, eindringlicher,
Sicherhebens und Emporflugs aus eigener Kraft vor¬
schlichter gesprochen und gespielt denken, als dies bei Herrn
Gerasch der Fall war, der auch dem Jason manches schuldig
handen.
blieb wie Herr Paulsen dem König Kreon. Dann aber lernt
Der Außenstehende, Fremde, hat sich in diese Kontro¬
man doch wieder in den Herren Siebert als Haman und
verse nicht zu mischen. Aus den vier Abenden an denen
Romberg als junger Fürst im „Zwischenspiel“ treffliche
wir in Zürich das Burgtheater in sehr verschiedenartigen
Charakter= und Chargenspieler kennen, und auch Herr
Aufgaben sich vorstellen sahen, haben wir letzte Schlüsse
Herterich wies sich als Herold in der „Medea“ über eine
zu ziehen kein Recht. Mit einer stattlichen Zahl ausgezeich¬
scharf zeichnende Kunst der Rede und des Gestus aus.
neter Kräfte haben wir Bekanntschaft gemacht. Die Bleib¬
Nebenbei bemerkt: Herr Herterich hat vor Jahren als noch
treu zeigte uns ihre großgezeichnete, im tiefsten Kern
ganz junger Schauspieler dem Züricher Schauspiel angehört.
erfaßte, durchgehends aufs menschlich Ergreifende und Be¬
greifliche angelegte Medea. Die Medelsky machte mit dem
Was dann unbeschränkte Bewunderung heischte, das
ganzen naturhaften Reichtum ihres Temperaments den
war die durchgehende Ausgeglichenheit und Rundung des
Weibsteufel lebendig. An der Esther der Wohlgemuth ge¬
Ensembles, die für die Tüchtigkeit der Regisseure (Treßler,
noß man beglückt die siegreiche Schönheit, die zum köstlichen
Heine, Holz) zeugte. Man genoß das in den hohen Dramen
Gefäß seelischer Anmut und sonniger Naivität wird, die
Grillparzers ebenso wie in der stimmungsvollen Dichtung
unaufdringliche geistige Beherrschtheit und vollkommene
Hofmannsthals, in den feingeschliffenen Konversations¬
Sicherheit der Haltung im Spiel der Marberg entfaltete
stücken Schnitzlers und Saltens ebenso wie in dem knapp
sich in ihrer Wiedergabe der Kapellmeistersgattin im
und derb gezimmerten Stück Schönherrs. Wo sich dieses
„Zwischenspiel“ und des eleganten Weibchens in Schnitzlers
Ensemble vollends aus lauter ersten Kräften rekrutierte, wie
„Literatur". Und neben diesen bedeutenden weiblichen
im „Weibsteufel“, da ergab sich eine Vollkommenheit des
Kräften sahen wir Schauspieler, wie Treßler, der als
Eindruckes, die um so zwingender wirkte, als sie ganz selbst¬
Albertus Rhon, als Clemens („Literatur"), vor allem aber
verständlich zu sein schien. Das scheinbar Selbstverständliche
als der Mann des Weibsteufels einen vollkommenen Begriff
bedeutet aber in der Kunst stets nicht nur das Höchste,
von seiner Gabe klarer, ausdrucksvoller, überzeugender
sondern auch das Schwerste.
Charakteristik vermittelte; wie den saftvoll=breiten Herrn
Fragt man nach dem Stück, in dem sich die rein
Heine, wie Walden, der als König in der „Esther“ wohl
poetische Wirkung am schlackenlosesten mit der Bühnen¬
die höchste Vorstellung von seiner Kunst des eindringenden
wirkung verband, so wird man wohl ohne Besinnen das
Erfassens seelisch verwickelter Charaktere gab; wie Marr,
„Esther“=Fragment nennen müssen. Ein so beglückendes
dessen Verkörperung des Grenzjägers in Schönherrs Drama
Gefühl, wie es von dem zweiten Aufzug dieser Schöpfung
zu den unvergeßlichen Eindrücken gehört.
ausstrahlte, die auch als Fragment ein vollkommenes
So brachte uns das Gastspiel die Ueberzeugung, daß
das Burgtheater auch heute noch für entscheidende Aufgaben Meisterwerk ist, so gut wie etwa der Venustorso im Neapler
entscheidende Künstler zur Verfügung hat. Man kann, in Museum, ertebte man an keinem anderen Abend mehr.
Und in dieser „Esth
Inszenierungskunst Herrn
besonderen Triumph. Hätt
bessere Beleuchtungseinricht
Nuancierung der in lauter
Bühne hinein geheimnisvo
tation des zweiten Aktes in
so würde die unvergleichlich
bildes noch um einen Grch
kommen sein. Und wie
farbigen Intensität und i
die Dekoration, in der sich
Mardochai abspielt. Ein
Milieukunst stellt die enge,
die drei Personen des Schö
dumpfem Kampf vom Dr
werden. In klarster Silh
hellen Wänden des Raums
lichkeit — man denke
Marrs — füllen sie die
wollen wie einen Kerker,
Von dem Biedermeierzimme
schwerem Jugendwerk, wie
bei Schnitzler und Salten g
haglichkeit zwingend aus.
imposante Hof mit den acht
Säulen und dem blaugru
band den Wänden entlang
feine, bei aller Rücksicht a
gestaltende Phantasie in den
und der „Esther“ aufs glä
auf das schöne, unter Ums
rende Zusammenklingen des
genommen. So fühlt m
künstlerisch überlegenden i
kunst gegenüber, die aber
20. Zuischensniel
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A H
— Cömedie Frangaise, mit der seinem Wesen nach das Burg= aller gebotenen Bescheidenheit und Zurückhaltung, vielleicht
sagen: die weiblichen Kräfte haben sich als den männlichen zum
theater so manche Verwandtschaft aufweist, sind in seinem
mindesten ebenbürtig, wenn nicht überlegen gezeigt. So kann
Organismus immer wieder auch die Möglichkeiten eines
ich mir Hofmannsthals Claudio seelisch tiefer, eindringlicher,
Sicherhebens und Emporflugs aus eigener Kraft vor¬
schlichter gesprochen und gespielt denken, als dies bei Herrn
Gerasch der Fall war, der auch dem Jason manches schuldig
handen.
blieb wie Herr Paulsen dem König Kreon. Dann aber lernt
Der Außenstehende, Fremde, hat sich in diese Kontro¬
man doch wieder in den Herren Siebert als Haman und
verse nicht zu mischen. Aus den vier Abenden an denen
Romberg als junger Fürst im „Zwischenspiel“ treffliche
wir in Zürich das Burgtheater in sehr verschiedenartigen
Charakter= und Chargenspieler kennen, und auch Herr
Aufgaben sich vorstellen sahen, haben wir letzte Schlüsse
Herterich wies sich als Herold in der „Medea“ über eine
zu ziehen kein Recht. Mit einer stattlichen Zahl ausgezeich¬
scharf zeichnende Kunst der Rede und des Gestus aus.
neter Kräfte haben wir Bekanntschaft gemacht. Die Bleib¬
Nebenbei bemerkt: Herr Herterich hat vor Jahren als noch
treu zeigte uns ihre großgezeichnete, im tiefsten Kern
ganz junger Schauspieler dem Züricher Schauspiel angehört.
erfaßte, durchgehends aufs menschlich Ergreifende und Be¬
greifliche angelegte Medea. Die Medelsky machte mit dem
Was dann unbeschränkte Bewunderung heischte, das
ganzen naturhaften Reichtum ihres Temperaments den
war die durchgehende Ausgeglichenheit und Rundung des
Weibsteufel lebendig. An der Esther der Wohlgemuth ge¬
Ensembles, die für die Tüchtigkeit der Regisseure (Treßler,
noß man beglückt die siegreiche Schönheit, die zum köstlichen
Heine, Holz) zeugte. Man genoß das in den hohen Dramen
Gefäß seelischer Anmut und sonniger Naivität wird, die
Grillparzers ebenso wie in der stimmungsvollen Dichtung
unaufdringliche geistige Beherrschtheit und vollkommene
Hofmannsthals, in den feingeschliffenen Konversations¬
Sicherheit der Haltung im Spiel der Marberg entfaltete
stücken Schnitzlers und Saltens ebenso wie in dem knapp
sich in ihrer Wiedergabe der Kapellmeistersgattin im
und derb gezimmerten Stück Schönherrs. Wo sich dieses
„Zwischenspiel“ und des eleganten Weibchens in Schnitzlers
Ensemble vollends aus lauter ersten Kräften rekrutierte, wie
„Literatur". Und neben diesen bedeutenden weiblichen
im „Weibsteufel“, da ergab sich eine Vollkommenheit des
Kräften sahen wir Schauspieler, wie Treßler, der als
Eindruckes, die um so zwingender wirkte, als sie ganz selbst¬
Albertus Rhon, als Clemens („Literatur"), vor allem aber
verständlich zu sein schien. Das scheinbar Selbstverständliche
als der Mann des Weibsteufels einen vollkommenen Begriff
bedeutet aber in der Kunst stets nicht nur das Höchste,
von seiner Gabe klarer, ausdrucksvoller, überzeugender
sondern auch das Schwerste.
Charakteristik vermittelte; wie den saftvoll=breiten Herrn
Fragt man nach dem Stück, in dem sich die rein
Heine, wie Walden, der als König in der „Esther“ wohl
poetische Wirkung am schlackenlosesten mit der Bühnen¬
die höchste Vorstellung von seiner Kunst des eindringenden
wirkung verband, so wird man wohl ohne Besinnen das
Erfassens seelisch verwickelter Charaktere gab; wie Marr,
„Esther“=Fragment nennen müssen. Ein so beglückendes
dessen Verkörperung des Grenzjägers in Schönherrs Drama
Gefühl, wie es von dem zweiten Aufzug dieser Schöpfung
zu den unvergeßlichen Eindrücken gehört.
ausstrahlte, die auch als Fragment ein vollkommenes
So brachte uns das Gastspiel die Ueberzeugung, daß
das Burgtheater auch heute noch für entscheidende Aufgaben Meisterwerk ist, so gut wie etwa der Venustorso im Neapler
entscheidende Künstler zur Verfügung hat. Man kann, in Museum, ertebte man an keinem anderen Abend mehr.
Und in dieser „Esth
Inszenierungskunst Herrn
besonderen Triumph. Hätt
bessere Beleuchtungseinricht
Nuancierung der in lauter
Bühne hinein geheimnisvo
tation des zweiten Aktes in
so würde die unvergleichlich
bildes noch um einen Grch
kommen sein. Und wie
farbigen Intensität und i
die Dekoration, in der sich
Mardochai abspielt. Ein
Milieukunst stellt die enge,
die drei Personen des Schö
dumpfem Kampf vom Dr
werden. In klarster Silh
hellen Wänden des Raums
lichkeit — man denke
Marrs — füllen sie die
wollen wie einen Kerker,
Von dem Biedermeierzimme
schwerem Jugendwerk, wie
bei Schnitzler und Salten g
haglichkeit zwingend aus.
imposante Hof mit den acht
Säulen und dem blaugru
band den Wänden entlang
feine, bei aller Rücksicht a
gestaltende Phantasie in den
und der „Esther“ aufs glä
auf das schöne, unter Ums
rende Zusammenklingen des
genommen. So fühlt m
künstlerisch überlegenden i
kunst gegenüber, die aber