II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 535

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20. Zuischenshiel

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RADIO-WIEN
7. Jahrg., Heft 24
Zur Aufführung am Sonntag, :5. März

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— und Sein
Dndede e
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Was er immer
n ieneansenen

wieder zeigt, ist die faule,
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wurmige Welt kleinlicher, vager, verloge¬
ner und pendelhafter Beziehungen. Vergebens fragen
die Dämmerseelen nach einem Menschen, nach einem Weg
ins Freie. Welche Welt! Immer wird sie bei Schnitzler überwun¬
den — schon als er begann: „Liebeiei“ und sollte Liebe Reitsel.
Liebe sein. Statt dessen geht alles an Liebelei zugrunde. Immer

hebt er sich davon ab, sondert sich von dieser geiler. Gefräßig¬
keit, der alles Ereiwild ist: Menschentum, Kunst, Platur, Liebe.
Die verschmutzten Dinge einer entgötterten Zeit werden in die
Hand genommen, melancholisch angeschaut, abe: auch fallen
gelassen.
Alle diese Elernente des Schnitzlerschen Wesens finden sich in
seiner Komödie „Zwischenspiel“, die roog am Burgtheater mit
dein . Poee“
Kainz und Lotte Witt in den Hauptrollen zur Uraufführung kam.
Kapellmeister und Opernsängerin ringen um den Sinn des Zusam¬
menlebens zu Zweien. Sie verlieren einander, nicht weil es in
Arthur
ihrer Ehe lauernde Dritte gibt, sondern weil sie mit der Wahr¬
Schnitzler blieb
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heit spielen. „Wenn alles andere wahr gewesen ist — daß wir
Jahr um Jahr, der er
beide uns so schnell dareingefunden in jener Stunde, da du mir

war, als der er begonnen hatte: verliebt
deine Leidenschaft für die Grähn und ich dir meine Neigung für
in die Wiener Kleinbürgerlichkeit, in die Liebe¬
Sigismund gestand —, das ist nicht Wahrheit gewesen. Hätten wir
lei erster Jugend, mit Maß sozialkritisch, elegisch
einander damals unsern Zorn, unsere Erbitterung, unsere Ver¬
müde und ergebungsvoll lebensfreudig. Dieser Ton ist Schnitzlers
zweiflung ins Gesicht geschrien, statt die Gefaßten und Uber¬
tiefster Ton, er kehrt immer wieder und fand in dem Doktor
legenen zu spielen, dann wären wir wahr gewesen, Amadeus, —
seines Dramas „Der Ruf des Lebens“ schönsten Ausdruck:
und wir waren es nicht.“
schmerzlich und dennoch nicht niedergebrochen, pantheistisch
Das ist der Orgelpunkt des „Zwischenspiels“ aber auch der
friedevoll. Hoffnungsvolle Hoffnungslosigkeit könnte man dieses
Schhitzlerschen Kunst. Es gibt keine Wahrheit der Worte, es gibe
Gefühl nennen, das für sein armes Ich nichts mehr, aber vom
nur eine Wahrheit des Seins. Diese allein ist unbedingt, jene
Leben, von der Natur, vom All ewige Erneuerung und Jugend
erwartet — immer in der leisen Zuversicht, daß dann vielleicht
andere nichts als relativ.
„Du sprichst wie gewöhnlich äußerst klug“, heißt es einmal in
auch etwas für das Ich abfalle.
der Kon. Idie. Aber das gilt nicht nur von der Opernsängerin, es gilt
So ist auch seine Heiterkeit. Blutsverwandt der Watteaus und
und Schnitzlers.
Fragonards. Er wie jene sind Rokoko, sind Zeugen einer satten,
von allen Menschen dieses „Zwischenspiels“ —
Alle sind sie klug, verteufelt klug, zu klug. Ihre Verwirrung ist,
dem Genuß und dem Bewußtsein des Genusses raffiniert hinge¬
daß sie sofort zerlegen, was sie erleben. Da bleibt ihnen nichts
gebenen Kultur. Daher stammt die Wachheit in seinen Menschen.
als die Sehnsucht. Als der Kapellmeister seiner Gattin vom ganzen
Aus dieser Überlegenheit des Intellekts heraus erscheinen als dra¬
Herzen wünscht, daß ihr manches im Dasein erspart bleiben
matische Figuren immer wieder bei ihm Arzte, Schauspieler,
möge, antwortet sie rasch und aufbegehrend: „Mirt ... Nein,
Schriftsteller. Damit ist die Luft, die Atmosphäre der Schnitzler¬
Amadeus, diesen Wunsch #ire ich zurück. Ich habe ja noch.
schen Männerwelt ein für allemal gegeben. Es sind Menschen,
ich habe ja noch so wenig erlebt. Und ich sehne mich danach.
denen das Wort leicht wird, die viel und gern von sich aussagen
Ich sehne mich nach allem Schmerzlichen und Süßen, nach allem
und deren gescheite Anmerkungen zu den verworrenen Beziehun¬
Schönen und nach allem Kläglichen, was das Leben bringt. Ich
gen des Lebens fast etwas Berufliches haben. Und es ist klar, daß
sehne mich nach Stürmen, nach Gefahr — vielleicht nach mehr.
Arzt, Schauspieler und Schriftsteller die Erotik erleben oder er¬
Du kennst micht... Ich bin schon heute nicht mehr,
leiden, die sich in der Ehe immer mit dem Auf- oder Unter¬
die ich war, Amadeus... Oder vielleicht war ich immer die¬
tauchen eines oder einer Dritten ergibt — klar, weil “ das Trei¬
selbe und habe es nur nicht gewußt: und es ist jetzt etwas von
bende, das Schöpferische der Schnitzlerwelt ist.
mir abgefall-“, das mich früher umhüllt hat... Ja, so muß es
Schein wird mit Sein vertauscht, verwechselt, mengt sich, krallt
sein: denn jetzt fühle ich alle Wünsche, die früher an mir herab¬
sich ineinander, daß keiner mehr am Ende erkennen kann, was
geglitten sind wie an einem fühllosen eisernen Panzer ... jetzt
Wahrheit ist. Daraus wurde Schnitzlers schönste Bühnendichtung,
fühle ich sie über meinen Leib, über meine Seele gleiten, und
die vom „Grünen Kakadu“, geboren, die seine ganze elegische,
sie machen mlich beben und glühen. Die Erde scheint mir voll
zwischenlichtartige Kunst in einen Akt zusammenpreßt. Es ist
Abenteuer, der Himmel wie von Flammen strahlend, und mir
dieselbe ironische Freude am Spiel, die aus einer Stunde des
ist, als säh' ich mich selbst, wie ich mit ausgebreiteren Armen
Erkennens, da die nächsten Menschen sich entschleiern, eine des
ewigen Nichterkennens macht. Wer wird geliebt, wer liebt, wo
dastche und warte.“
Hier spricht die Schnitzlersche Frau, der der Mann immer wie
ist Heimat, Bestimmung, we hört das Abenteuer auf und beginnt
einer Entflichenden nachruft, nacheilt. Er hat nicht ihre Sicher¬
der Sinn des Lebens? Ein jeder spricht davon, ein jeder hat ein
heit, ihre Unbedenklichkeit, ihre Lust, in eine unbekannte We.:
Wort dafür und davon, die Seele aber bleibt leer und blickt ins
hineinzuschreiten. Die Frau — das weiß Schnitzler mit einer ge¬
Leere und geht ins Leere. Wie? Wird alles zur großen Szenc,
heimen Angst — ist näher dem Leben, das Wort kann sie nie¬
unwahr verlogen und unwahrscheinlich und ist dennoch im tief¬
mals halten, „die Mütter“ locken sie, die ewige Verwandlung, die
sten ganz verschütteten Grunde wahrhafter Ausdruck eines Men¬
Leben heißt. Der Mann kann sein Leben im Bedingten verbringen,
schen, der einfach nicht anders kann? Sollte es das geben, Lüge
die Frau aber wird irgendeinmal daraus eusbrechen, um ihre
zugleich Wahrheit sein können, Armut zugleich Reichtum? Und
können Worte hin und her gehen? Worte, die die kostbare Fas¬
Heimat zu suchen: das Unbedingte.
Mag manches in dem „Zwischenspiel“ — nach Schnitzlers
sung des Herrn von Sala aus dem „Einsamen Weg“ haben, und
— „das Charakteristische aller Ubergangs¬
die dennoch nichts bedeuten und zugleich alles bedeuten, die
eigenen Worten
epochen“ zeigen, „daß Verwicklungen, die für die nächste Gene¬
anders sein könnten, dic am Tatsächlichen sehr schnell vorüber¬
ration vielleicht gar nicht mehr existieren, tragisch enden müsten“
flattern und den Schein eines bedeutungslosen Friedens und einer
— in dieser seiner Erkenntnis von der Frau, die alles oder nichts
bedeutungslosen Würde geben, währenddessen sich Letztes ent¬
will, die nur das Ganze des Lebens, nicht seinen Teil sucht, ent¬
scheidet, an den Worten vorbei, ohne Worte: die Zusammen¬
wächst Schnitzler der Problematik der Übergangsepochen, rührt
gehörigkeit von Menschen — die ewige Fremdheit zwiechen Men¬
er an Ewiges, an den Traum der Frau seit den Zeiten der Mutter¬
schen. „Wir spielen immer, wer es weiß, ist klug.“ Ei ist die
Weisheit Schnitzlers, seine etwas müde Erkenntnis, die in seinem
herrschaft.
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