II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 542

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F# Zwischenspiel*).
Komödie in 3 Akten von Arthur Schnitter
Das Schnitzlersche Zwischenspiel hat den Federn der
Kunst= und Theaterkritiker schon viel zu schaffen gemacht.
Da dies Stück voraussichtlich auch in unserer Residenz
demnächst seine Uraufführung erleben wird, so hat uns
die Verlagsbuchhandlung die Schnitzlersche Komödie zur
Rezension überreicht.
Das Sujet des „Zwischenspiels“ ist zwar — vom
philiströsen Standpunkte aus betrachtet — nicht gerade
moralisch, aber dafür um so geistreicher und origineller.
Der Kapellmeister Amadeus Adams ist mit der Opern¬
sängerin Cäcilie Ortenburg seit 7 Jahren in glücklichster
Ehe verheiratet. Eigentlich war Cäcilie zuerst nur die
Geliebte des Kapellmeisters. Aber was „zuerst“ war, das
schadet ja nichts; im Gegenteil Amadeus und Cäcilie
haben infolge ihres intimen Zusammenlebens erkannt,
daß sie beide für einander wie geschaffen seien, und sind
in Zucht und Ehren Mann und Frau geworden. Ein
5 jähriger Knabe, Peterl, vervollständigt das Glück dieser
harmonischen Künstlerehe.
Zum Grund= und Eckstein ihres ebelichen Lebens haben
Amadeus und Cäcilie die absoluteste Aufrichtigkeit des
einen gegen den anderen gemacht.
Diese absolute Aufrichtigkeit ist den Eheleuten zunächst
die Quelle mancher eigenartig schönen Stunde. Denn
Cäcilie ist jung, schön und geistrich, dazu noch eine wahr¬
hafte Künstlerin. Was Wunders also, wenn sie von der
Elite der Aristokratie, der Hochfinanz und nicht zuletzt
von ihren eigenen Kollegen angeschwarmt wird. Und da
auch Amadeus einen großen Reiz auf das schönere
Geschlecht ausübt, so haben sich die Ehegatten mancherlei
Interessantes auf Grund ihrer täglichen Erfahrungen zu
berichten.
Einen gehörigen „Knacks“ aber erhält das Prinzip der
gegenseitigen Aufrichtigkeit, als Amadeus der schönen
Gräfin Friederike Moosheim Gesangsunterricht erteilt.
Die Gräfin, die zwar einen Mann besitzt, huldigt doch
dem modernen „Ueber=Ehe"=Prinzip, nach welchem der
Besitz eines Mannes für die Frau kein Hindernis bildet,
gelegentlich auch noch einen andern Mann zu besitzen.
Arradeus liebt seine Frau aufrichtig, nebenbei ist er
aher doch ein bißchen in die verführerische Gräfin, die ihm
die möglichsten und unmöglichsten Avancen macht, ver¬
liebt.
Was ihn jedoch ganz besonders in die Liaison mit der
Gräfin hineintreibt, ist der Umstand, daß seine Frau in
dem Fürsten Sigismund einen Hausfreund hat, von dem
in Zweifel ist, ob dieser Hausfreund mit oder ohne
ei
Gänsefüßchen orthographisch richtig zu schreiben ist.
Diese eifersüchtige Stimmung benutzt die Gräfin ge¬
schickt, um den noch immer widerstrebenden Amadeus in
ihre Netze zu treiben.
Es entspinnt sich zwischen ihr und Amadeus das sol¬
gende Zwiegespräch, das das Schicksal des Kapellmeisters
definitiv besiegelt:
Friederike: Was waren das einmal für reizende Abende
in Ihrem Haus! Noch in diesem Winter. Wir sprechen
Lädt man den
manchmal davon, der Graf und ich. —
1. Brzennder 1906.
und über Jugendtorheit hinaus ist, genügt ein Modell
für alle Gestalten, die er träumt und schafft, — und den,
der zu leben weiß, erwarten alle Abenteuer, nach denen
ihn gelüstet, im Frieden seines Heims. Er erlev, sie
gerade so wie ein anderer, aber ohne Zeitverschwendung,
ohne Unannehmlichkeiten, ohne Gefahr, und wenn er
Phantasie hat, bringt ihm seine Gattin, ohne daß sie es
ahnt, lauter uneheliche Kinder zur Welt.
Amadeus: Es ist die Frage, ob man das Recht hat,
einem Wesen, das einem wert ist, solch eine Rolle zuzu¬
muten.
Albertus: Man darf die Menschen nie darüber auf¬
klären, was sie einem bedeuten. Ich habe darauf einen
Spruch gemacht:
Kennst du mich, so störst du mich,
kenn' ich dich, so hab' ich dich.
Amadeus aber, der seine Frau wirklich von Herzen
lieb hat, will von dieser psychopathischen Art zu lieben,
wonach der Mann in den Armen seiner eigenen Frau sich
die Liebe der Geliebten autosuggeriert, nichts wissen und
führt eine offene Aussprache mit Cäcilien herbei.
Diese Aussprache nimmt jedoch ein schlechtes Ende, da
Cäcilie trotz des herühmten Prinzivs der gegenseitigen
Aufrichtigkeit sich weigert, ihrem Manne den Inhalt des
Gesprächs, das sie mit dem Fürsten Sigismund auf dem
Spaziergang gehabt hat, mitzuteilen.
Die Situation ist eine prekäre: Amadeus beargwöhnt
seine Frau wegen des Fürsten und Cäcilie ihren Mann
wegen der Gräfin.
Die aneinander zweifelnden Ehegatten beschließen,
sich zu trennen, damit jeder die absolute Freiheit habe,
zu tun, und zu lassen, was er wolle.
Da aber beide im letzten Grunde nur aus dem be¬
leidigten Gefühle, daß einer dem andern nichts mehr wert.
sei, die Trennung beschließen, so kommt ein sehr eigen¬
tümlicher Pakt zwischen ihnen zustande; sie wollen ihre
gemeinschaftliche Wohnung auch weiterhin mit einander
teilen, doch soll jeder von ihnen das Recht haben, solange
er nur irgend will, der gemeinschaftlichen Behausung fern
zu bleiben und außerhalb der heimischen Penaten zu
treiben, was er wolle:
Als Bedingung stellen sich dabei beide, daß ihre eheliche
Gemeinschaft von dem heutigen Tage ab für immer auf¬
gehoben sein müsse. Gute Kameraden wollen sie bleiben,
die offen und ehrlich auch über ihr künftiges Liebesleben
mit einander sprechen, ja mit Fug und Recht darüber
sprechen können, da ja einer den andern von der Pflicht
der ehelichen Treue entbunden hat.
Was Amadeus und Cäcilie hier stipulieren, das ist
das richtige Pendant zur „freien Ehe": Die freie Ehe¬
scheidung! Dort die Ehe ohne Ehe, hier die Scheidung
ohne Scheidung!
Amadeus nützt seine „Ehescheidung ohne Ehescheidung“
nach Kräften aus, natürlich in den Armen der avance¬
lustigen Gräfin!
Und Cäcilie? „Nichts Gewisses weiß man nicht!“ Sie
flaniert mit ihrem Fürsten, ja sie läßt durchblicken, daß
sie den Fürsten bald depossedieren werde, weil ihr Partner
in der Tatjanapartie ihr Blut etwas stark in Wallung
gebracht habe.
Amadeus fühlt sich, nachdem sein Liebesrausch mit der
Gräfin verflogen ist, kreuzunglücklich. Er beginnt einzu¬
sehen, daß die Rolle, die er an der Seite Cäciliens spielt,
die vor dem Gesetz doch seine Ehefrau ist, eine unwürdige,
ja erbärmliche ist.
Ganz unerträglich wird ihm sein Zustand, als Cäcilie
von einer Gastspielreise, wo sie die Tatjana gesungen hat,
sieht,
in die gemeinschaftliche Wohnung zurückkehrt.
daß Cäcilie sinnlich erregt ist; ja sie macht auch keinerlei
Geheimnis daraus, daß ihr Partner die Ursache ihrer
finnlichen Erregung ist.
der finnlichen Erregung ihm
Amadeus liebt dies
doppelt schön erscheinende Weib, das sein Weib ist, ohne
doch sein Weib zu sein.
Und nun kommt die Katastrophe:
Amadeus und Cäcilie haben den Pakt geschlossen,
sich gegenseitig volle Freiheit des Liebeslebens zu garan¬
tieren.
Wie aber, wenn Amadeus jetzt das begehrenswerte
Weib nicht mehr mit den Augen des Ehemannes, sondern
des Liebhabers ansieht?
Ist es nicht die letzte Konsequenz ihres Paktes, wen
er sich dasselbe Recht, wie jeder andere nimmt, um ein
Schäferstunde bei der durch keinerlei Fesseln gebundenen
Frau zu betteln?
Cäcilie kann jedem beliebigen ihre Liebe schenken?
Warum nicht auch ihm?
Freilich, dann ist er nur einer von vielen! ein insames
Bewußtsein für den Mann, der seinem Eheweibe gegen¬
über steht!
Aber was tut's? seine Pulse hämmern und fliegen vor
wahnfinniger Leidenschaft