II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 549


kaum eine Ele gübe, wo nicht wenigstens ein
Damit ist der langgefürchtete erste Präze¬
ideeller Ehebruch stände (vergleiche auch im
denzfall eingetreten, von „dorther gibts kein
1. Akt: „Den, der zu leben weiß, erwarten alle
Zurück“. Nun kommt die Kehrseite. Auch
Abenteuer, nach denen ihm gelüstet, im Frieden
Cäcilie, die frei gewordene, macht von ihrer
seines Heims. Er erlebt sie geradeso wie ein
Dispens Gebrauch. Sie begeht eine Gedanken¬
schuld. „Ich habe ja noch ich habe ja noch
Unannelmnlichkeiten, ohne Gefahr, und wenn
so wenig erlebt. Und ich sehne mich danach.
er Phantasie hat, bringt ihm seine Gattin, ohne
Ich sehne mich nach allem Schmerzlichen und
daß sie es ahnt, lauter uneheliche Kinder zur
Süßen, nach allem Schönen und nach allem
Welt.*) und zwar immer dann, wenn die beiden
Kläglichen, was das Leben bringt. Ich sehne
mich nach Stürmen, nach Gefahr, — vielleicht Ehepartner nicht voll gesättigt wären, d. h.
also um ihr Glück zittern müßten.
nach „mehr“. — Fürst Sigismund wird ihre
Zur Gencalogie der Zwischenspielkomödie
erste Gefahr und später Wedius „Die neue
sei bemerkt, daß sie direkt an die Dialoge des
Verheißung“.
„Reigen“ (von Schnitzler) anknüpft, gewisser¬
Bis soweit gedeiht die Handlung — als
maßen in der Verlängerungslinie derselben steht.
ein Zwischenspiel — die die bis aufs äußerste
(Siehe „Die junge Frau und der Ehemann“.)
getriebene Seifenblase zum Platzen bringt.
Mit dem Sujet sind auch die lbsenschen Dramen
Amadeus wird frei. Nun wirft sich just seine
„Wildente“ und „Rosmersholm“ verwandt. Die
ausschweifende Phantasie wieder auf Cäcilie,
„Wildente“ ist ein Lösungsversuch der Frage,
auf Cäcilie, die voller Sehnsucht und neuer
ob eine glückliche Ehe auf einer Lüge sich
Wünsche, ihm aufs neue begehrenswert erscheint.
aufbauen kann und darf, „Rosmersholm“ um¬
Nur ein geheimnisvoller Zusammenhang
gekehrt der Beweis dafür, daß Schuld geläuterte
besteht zwischen dem jungen Mädchen, das
Naturen auf ein eitles Glück. verzichten läßt.
vor sieben Jahren eines Abends in meine Arme
Ziehen wir die Moral des Stückes, seiner
sank und der, die heute aus der Fremde in
durchgeistigten, seelentiefen Analysen, so giltl“
diesem Hause für kurze Zeit eingekehrt ist.
auch hier der Satz vom ausgeschlossenen“
Aber diese sieben Jahre habe ich mit einer
Dritten in der Ehe. Durch das Paradoxon des
anderen verlebt, — mit einer stillen, gütigen
„Zwischenspiels“ wird der Verismus mitten ins
Frau, mit einer Art von Engel vielleicht, der
Herz getroffen.
nun entschwunden ist. Die, die heute kam, hat
Der aufgewendete dramatische Apparat,
eine Stimme, die ich nie gehört, Blicke, die
der uns diese Wahrheit veranschaulichen soll,
mir fremd sind, eine Schönheit, die ich nicht
ist allerdings ein wenig ärmlich. Er behilft sich
kenne — keine bessere, glaub ich, als jene
mit einigen Figuren, die gleich Schemen über
andere, eher eine grausamere — und doch
die Bühne wandeln. Keine Tatenmenschen,
eine, glaube ich, die mehr geschaffen ist zu
sondern nur durch blasse Gedanken und allzu¬
beglücken.“
weichliche Gefühle angekränkelte Geschöpfe
Um der neuen Liebe willen verrät er die
führen oder besser erleiden eine affektlose
Freundschaft. Das Intermezzo „des Abenteuers
Handlung, die dessenungeachtet, durch den
einer Nacht“ zerstört jede Illusion. „Aus allen
leisen Wellenschlag des Geschehens, die wunder¬
möglichen Schicksalen können wir eher einmal
bar sinnige Essenz des geistigen Fortschreitens
zueinander zurück als aus dem Abenteuer dieser
G. v. W.
uns in ihren Bann zwingt.
Nacht. Abenteuer insoferne, als es einen Ehe¬
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bruch höherer Ordnung darstellt, einen sinn¬
fälligen Beweis dafür, daß ihre weitere Ehe
eine Lüge wäre.
„War ich denn wirklich Dein? Ich war es
nicht. Oder Du bist so bescheiden geworden
mit einem Mal, daß Dir ein Glück genügt, daß
zur selben Stunde sich vielleicht auch ein anderen
hätte holen können, wenn er nur da gewesen
wäre?“
Nach diesem Erlebnis kann es keine Brücke
mehr zwischen ihnen geben, keine Liebe und
auch keine Freundschaft. Keine Liebe: denn
„wäre das noch ein Glück, um das man oft;
kämpfen und immer zittern müßte?“ Und sie
hätten zittern müssen. „Glaubst Du nicht, daß
Verlockungen widerstehen mit Selmsucht in
der Seele, von allen Lügen die schlimmste und
gefährlichste wäre, und daß man aus Abenteuern
eher heil nach Hause käme als aus Wünschen?“
Und keine Freundschaft. „Es ist wohl ge¬
kommen, wie es kommen mußte. Wir haben
uns zu viel zugetraut ... oder zu wenig. Wir!
waren weder geschaffen, uns ewig in Treues
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