II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 27

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19. Der Ruf des Lebens
— . Ctunl. M. Detzogin SophlC0— —
werden. Wie aber würde die Lage zur See aus¬
burum egnden Gumme un e und 1
lotte von Oldenburg, lernte der Prinz ge¬
sehen? Vorläufig sehr ungünstig für Deutschland.
legentlich der Vermählung seines Bruders in Ber¬
glückliches Vaterland blicken können. Denn auch
äumstage
Major von Bruchhausen macht aber ge¬
lin kennen, und nach mehrmaligem längeren Zu¬
für Wilhelm II. gilt wohl das Wort, das einst
ten Gruß
rade hierüber so interessante Ausführungen, daß
Usammenweilen während der Kieler Woche und bei
Fürst Bismarck an seinem 80. Geburtstage ge¬
wir sie unseren Lesern nicht vorenthalten wollen.
einem Jagdausfluge in Prerow im September er¬
sprochen hat: „Mehr als mein Leben, gelten mir
folgte vor den Hochzeitsfeierlichkeiten des jungen
reise, ver¬
Da heißt es in seinem sehr lesenswerten Buche:
die Meinen, doch über der Familie steht mir das
Herzogs von Koburg=Gotha in Glücksburg am 10.
eit Jahr¬
Wie hat sich nun angesichts der starken, irgend
Oktober des vorigen Jahres die Verlobung. Die
Vaterland und über dem Vaterland nur Gott!“
welche Aussicht auf Sieg nicht gebenden Ueberlegen¬
lich „um¬
Braut, die älteste Tochter des Großherzogs Fried¬
heit der Gegner die deutsche Flotte zu verhalten?
ofen heil¬
rich August von Oldenburg, aus seiner ersten Ehe
Ist sie auf jeden Fall verloren?
Die Hochzeitskeier in Berlin.
mit der im Jahre 1895 verstorbenen Prinzessin
Anicht hoch
Wenn man es anfängt wie „Seestern“, „Hansa“.
Den Festlichkeiten zur silbernen Hochzeit des
Elisabeth von Preußen, der Tochter des „roten“
* Ehe un¬
jetutti quanti, wenn als Leitstern für die Opera¬
Kaiserpaares und zur grünen Hochzeit des Prinzen
Prinzen Friedrich Karl, ist am 2. Februar 1879
Reinheit
tionen gilt: „Rau an den Feind“, dann ganz
Eitel=Friedrich mit der Herzogin Sophie Charlotte
in Oldenburg geboren, also fast viereinhalb Jahre
von Oldenburg liegt folgendes Programm zu
älter als ihr Verlobter. Jusoige langer Kränk= sicher. Selbst, wenn unsere Flotte die Feindselig¬
ichten der


, äußeren! Grunde:
in des Geliebten Zimmer hinter einem Vorhang
drei Akte —, mit all den Schrecknissen von Mord,
verborgen, wird sie unfreiwillige Zeugin eines Ab¬
Schwester, die er gar so gut behütet hat, und er
Ehebruch, Todesritt, Vergelrung, Reue? Aendern
schieds. Die Frau des Obersten beschwört den
sagt: „Ich seh' sie ja noch vor mir, wie sie mir
sie etwas in der Welt? Kommen keine Blumen
Geliebten, dem sie angehört hat, sich zu retten,
ie Russen.
oft gegenüber gesessen ist am Abend bei der Lampe,
mehr aus der Erde, weil 'sie über das Land hin¬
mit ihr zu fliehen. Der Oberst, der die beiden.
in dem Zimmer da, und hät mich so angeschaut
eau.)
gehaucht wurden von ängstlichen Menschenherzen?
längst beargwöhnt hat, dringt plötzlich durch's
mit ihrem stillen Lächeln, mit dem gewissen gott¬
Februar.
Spielen keine Kinder mehr? Haschen sich Liebende
Fenster ein, und nach kurzer, kalter Aussprache
als wollt' sie mir noch für was
ergebenen
Wde“ klingt
nicht mehr? Geht alles nicht weiter, wie vordem,
erschießt er die Ungetreue. Dann dreht er dem
danken; — und ich — ich hätt' mich am lieb¬
Ensere Zeit
ob nun so ein junges Blut seine Seele aushustet
Verführer verächtlich den Rücken. Verzweifelnd
sten vor ihr auf die Knie hingeworfen, sie um
und so ein frischer Bengel sich erschießt oder nicht?
- à celle,
will sich der Leutnant selbst den Tod geben, da
so gut behütet
Verzeihung zu bitten, daß ich
Und verlieren die Lebenden das Recht ans Leben,
urs
bricht die Lauscherin aus dem Versteck hervor,
hab' vor allen Gefahren — und vor allem Glück.“
Schnitz¬
weil irgendwo ein Toter sich unter dem Rasen
wirft sich an seine Brust und zeigt ihm den Weg
Hier liegt der Schlüssel zum „Ruf des Lebens“.
streckt, der vielleicht erst Platz machen mußte, da¬
würde viel¬
ins Leben. Den Weg an seiner Leiche vorbei —
Und wie Schnitzler von dieser Idee nicht losge¬
mit die Stärkeren Licht und Lust bekamen? So
Dracht
Der Schluß
ins Leben einer einzigen Nacht ...
kommen ist, bis er sie neu und anders gewendet,
raunt's hier hinter den wunderlichen Akten und
Jugend¬
ist Reflexion. Viele Wochen später finden wir das
auch von der Handlung der Liebelei
r
lächelt sogar ein wenig. Und wo es raunt und
(er will
Mädchen wieder in einem frühlingsduftenden Gar¬
nicht losgekommen. Ein Mädel mit der großen
lächelt und die Achseln zuckt, da ist es zut, in¬
Fiennt's
ten mit dem Raisonneur des Stückes, der (wie
dort wie hier. Ein Liebster,
Lebenssehnsucht —
teressant und hat seine besondere jungwiener Note.
in festen
sein Dichter) Arzt ist. Der Geliebte hat sich da¬
dem das kleine Bürgermädel im Grunde nur ein
Aber dazwischen kuallt's, wie aus Vorstadtromanen;
us
mals, als der Morgen kam, erschossen. Das schwind¬
liebes Spielzeug sein kann; dort ein verwöhnter
und man spürt ordentlich, wie der Theatraliker
Fleich der
süchtige Bäschen kommt sterbend aus seinem letz¬
junger Mann aus gutem Hause ohne rechten Be¬
dem Dichter einen Fußtritt gibt: laß mich ran;
hossen
ten Weltrausch heim. Ein ehrlicher Freier hat
ruf, hier ein junger Leutnant von den blauen
Ehemannn.
ich will Dir den „großen Erfolg“ machen ..
Abschied genommen für immer. So steht sie
Kürassieren. Und der Leutnant, wie sein Vetter
lim dritten
Ein alter Rittmeister, von seelischer Schuld der
allein nach ihren Erinnerungen in dem blühen¬
aus der „Liebelei“, gefesselt an eine verheiratete
Feigheit bedrückt, stirbt unter Schmerzen langsam
del. Kurz:
den Garten und hört den Trost des Arztes und
Frau. Wie sein Vetter vom Mann überführt.
hin. Sein Hirn verkalkt. Er wird zum raffinier¬
Herz des
des Dichters: Mord und Ehebruch, Tod und Un¬
Wie sein Letter im zweiten Akt zum Tode be¬
ten Quäler seiner einzigen Tochter. Er spürt ihren
sein Geld
treue, Blühen und Welken — alles das sind Worte,
reit, im letzten Akt erschossen. Die Aehnlichkeit
Lebenshunger, ihren Liebesdurst, und mit sata¬
te, Worte,
Worte, Worte. Ein Schauer, und sie fliegen uns
stende undwäre leicht noch weiter zu verfolgen. Wie an einer
nischer Bosheit hält er sie an seinem Krankenstuhl
So scheint
vorbei. Der Starke überlebt sie.
Kette liegt Schnitzler am „Liebelei"=Gedank i; aber
fest. Sie soll nicht genießen soll aushalten bei
d doch, in
mir der Sinn des Schnitzlerschen Stückes. Eine
er rüttelt und reißt an der Kette und will aus
ihm, soll sich winden unter seiner tückischen Rede,
muskulösen
Romanze der Resignation, ruppig unterhrochen von
dem weichen Frieden des Stimmungsstückes mit
kein Oberst
unter der Folter seiner Grillen. Da dringt der 1
Pistolenschüssen, Sterbe röchel und Theaterei. Aber
seiner Sentimentalität und Resignation hinauf bis
Eine schwindsüchtige
Tod reitet,
Ruf des Lebens zu ihr.
doch immer wieder vo ingend, wie das Lied einer
zur Tragödie und den packenden Geschehnissen.
Base, die ihres Lebens köstliche Neige mit gie¬
Feinste und
wehmutkranken Frau stimme durch den Lärm
Wehmut, Darum kommt Gift, Revolver, Schwindsuchtstod
rigen Zügen trinkt, bringt ihr die Kunde, der
eines Konzertgartens mit Militärkapelle und
rfür jedes auf die Bühn. Darum müssen im Mittelakt
heimlich geliebte Mann, ein hübscher Junge in
Schlachtenmusik, ein alter Refrain: On pense, on
Schnitzler=I gleich zwei Lauscher das furchtbare Geheimnis
blauer Kürassieruniform, wird morgen in den Tod
pense encore — à celle. qu'on andore.
mit Recht) erfahren; darum wird Schnitzler so unschnitzle¬
reiten mit seinem Regiment. Nur diese Nacht ist
So wird der neue Schnitzler im Lessingtheater.
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klei“. Dort 1 risch; und der Erfolg, den der erste Akt versprochen,
er noch in der Stadt, nur diese Nacht lebt er
in seiner peinlichen Mischung von Zartem und
Een Wiener bleibt aus. Und trotzdem, hinter all diesen un¬
daß sein wahren Figuren, die — wie selten, bei Schnitzler noch. Das Leben ruft. Da mischt sie dem Vater
Gröbstem nicht das Ereignis der Woche heißen
den Schlaftrunk stark, überstark, daß es sein To¬
bürfen. Das Ereignis waren die Russen, die
auch unwahr reden, Papier sprechen und in
destrunk wird und der Hand der Leiche entreißt
Frühling er¬
stehen schöne, stille,
am Tage zuvor ihr Gastspiel begannen. Sie ha¬
UndPhrasen sich verstricken
sie den Schlüssel, öffnet ihr Gefängnis und stürmt
Pird.
müde Gedanken. Was soll's mit all den großen
will gegen
gealterten Worten — das ist so ungefähr der Sinn dieser in die Freiheit, ins Leben ... In der Kaserne, ben zwei Wunder gewirkt am ersten Abend.
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