II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 30

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19. Der Ruf des Lebens
wirrung des Lebens taumeln und seine daß er vor morgen früh doch sterben muß, quillt noch ein¬
mal ein Verlangen a#, da er in Marie einen heiteren glück¬
Rufe hören.
lichen Vergangenheitsmoment seines Daseins verkörpert und
Vergangenheit ist der alte Moser selbst,
so von ihm sich zum letzten Mal geprüft sieht. Er stürzt
sicht schuld, wie eine Besessenheit hatte
mit ihr fort.
gepackt und er gab seine soldatische
Nach so wüstem und wilden Geschehen liegt der letzte Akt
as er gewann, war ein jämmerliches
in einem fernen und milden Licht.
s ihn verachtete, eine Tochter, die ihn
Draußen auf dem Lande, in einem niederösterreichischen
Dorfe, spielt er. Wie von weiten klingt ein Echo des Ge¬
r Marie spinnt sich das Geschick weiter.
schehens, daß die blauen Kürassiere wirklich aufgerieben wor¬
nersten Akt, zerquält und erstickt von
den sind, daß sich einer ihrer Offiziere zusammen mit der
fruck ihrer luft= und lichtlosen Knecht¬
Frau des Obersten vor dem Ausmarsch getötet und daß ein
eses Mannes, der sie anlt und feelisch
anderer, der Leutnant Albrecht, sich als einzig Ucverlebender
keitscht von einem übermächtigen Ver¬
nach der verhängnisvollen Schlacht erschossen. Und von die¬
htbaren Tat. Sie mischt dem Vater die
sen Ausgängen fällt nun ein ganz neues Licht auf die Ge¬
er nicht mehr erwachen wird. Und
schichte von dem todgeweihten Regiment. Und man ahnt,
mpfer Gefühlsverwirrung fort, um den
daß diese Eroica im letzten Grunde eine egoistische Genußtat
, dem sie sich verfallen fühlt und den
des Obersten gewesen, der in Menschenhaß und =Berachtung
für immer verlieren wird.
und einer Ueberlegenheitsleidenschaft sich für die Zerstörung
it dem sie vordem nur einmal, in einer
seines Lebens eine riesenhafte Genugtuung geschaffen, eine
ihres eingeschlossenen Lebens zusam¬
Avothrose des Untergangs.
ger Offizier der blauen Kürassiere, der
Das ist ein geistreicher und origineller Gedanke Schnitz¬
in der Kaserne spielt der zweite Akt.
lers, und diese Gestalt des Obersten, dieses Menschenspielers
nnungen noch stärker ist, als der erste.
voll Souveränität ist verwandt dem Herrn von Sala aus
gen aber spielt, echt Schnitzlerisch, pom¬
dem „Einsameneg“, in seiner Mischung aus skeptischer
ung in Dialoguen. Zuerst zwischen Max
Fronie, dem geistigen Hochmut, der verborgenen Romantik,
Allbrecht.
im philosophischen Dandysmus, der aus dem Tod noch
ein Epigramm macht: „wenn nur die Geste schön ist“.
ung.
t eines zwingend heraus, die Herrschaf:
Eine gewisse Verlegenheit aber hat nun Schnitzler seiner
kenschen, #ie dieser Gedanke des Opfer¬
M##ie gegenüber. Er behaftete sie mit dem furchtbarsten
den Untergang Macht über die jungen
Erieben. Das Motiv von Schuld und Sühne für die Lösung
ine von beiden, Albrecht, trotzdem er mit
kam dabei für ihn nicht in Betracht, denn er steht nicht als
ch und widerwillig der Idee gegenüber¬
Richter seinen Personen gegenüber, sondern als Zuschauer,
sau weiß, daß er sich ihr nie entziehen
der sich bemüht, auch das Furchtbarste in seinen Ver###¬
tungen zu begreifen. So blieb ihm nur übrig, in einer Form
g zwischen Max und dem Oberst. Der
von Aussprache, in einer Art weltlicher Beichte einen Austrag
licheren geladenen Schicksalsatmosphäre.
herbeizuführen. Diese Aussprache findet zwischen Marie und
en Männern, dem alternden und dem
dem Arzt statt. Marie klagt ihm, wie sie seit jener Nacht
v
Unausgesprochenes. Starte Zuneig¬
wie ein Gespenst ihrer selbst umher irrt, fassungslos, daß sie
ch lastet dabei etwas Drückendes, Be¬
aus jenem Abgrund eigenen und miterlebten fremden Ge¬
quälender Argwohn und quälendes
schickes wieder auftauchen konnte, wie aus einem Traum,
Pir aber haben vorher schon gehört, daß
daß sie sich selbst nicht begreift, wie sie noch leben kann.
Frau hat.
Und der Arzt, der ihre ver##.## Seele retten will z
lsknoien wird nun die Verwicklung am
einer neuen reineren Existenz, bemüht sich, ihr eine Deu¬
geschürzt. Der Oberst überrascht kurz
tung zu geben, die sie aus dem Wirrsal leitet. Da sie das
räch seine Frau, die Max beschwören
was sie erlebt, überlebte, soll sie ihr neues Leben wirklich
fliehen. Er hat nun seine Gewißheit,
anerkennen. Daß sie hier in der Natur unter dem Früh
und überläßt es in einer überlegenen,
lingshimmel steht, das ist wahrhaft Leben: „nicht minder,
mMann sagen, epigrammatischen Grau¬
als es jene Nacht gewesen ist, da es sie aus verstörter Jugend
an sich selbst das Urteil zu vollziehen.
nach dunklen Abenteuern lockte“, und der Arzt sagt weiter
t, schon auf der Schwelle des Selbst¬
zu ihr: „Wer weiß, ob Ihnen nicht später aus einem Tag
einmal der Ruf des Lebens zu Max;
s alles schaudernd mit angesehen, springt] wie der heutige der Ruf des Lebens viel reiner, tiefer in die
ihm die Pistole und in ihm. der weiß, Seele klingen wird, als aus ionem anderen, an dem Sie
Dinge erlebt haben, die so furchtbare und glühende Namen
tragen, wie Mord und Liebe“.
Die Stimmung dieser Worte ist echt gefühlt, aber ganz
vermögen die milden idyllischen Klänge dieser Situationen
doch nicht die wilden chaotischen Schicksalsakkorde aufzu¬
lösen. Der dichterisch so sehnsüchtig beschworene Seelenfrieden
wird für unsere Ueberzeugung nicht Ereignis. Das sprach sich
auch in der Aufnahme aus.
Die Hörer gingen schließlich nicht mehr mit, Opposition
regte sich sehr bemerkbar, während die ersten Akte durch die
Wucht des Geschehens starken Erfolg hatten.
Schauspielerisch ragte Irene Triesch als Marie hervor.
Zwingend in Haltung, Miene und Ton war Bassermanns
Oberst. Reicher gab dem Arzt milde Betrachtsamkeit. Stieler
als Leutnant Max traf den Ton edler in Zwiespalt und
Selbstverachtung geratener Jugend. Eine épisodische Figur,
Maries Base, die Schwindsüchtige, die auch dem „Ruf des
Lebens“ folgt, spielte Grete Hofmann, die Frau von Ernst
Kraus, nicht ganz im echten Einklang mit diesem Ensemble.
Und daß Brahm nun auch dekorative Kultur treiben
will, zeigte die leuchtende Frühlingslandschaft, die er sich
P.
vom Universal=Karl Walser machen ließ.
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