II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 94

19. Der Ruf des Leber
18
aus 2re
es bleibt die Frage übrig: Hat der Ruf des Lebens
wirklich geklungen oder nicht? Was wurde mit Marie
und dem Leutnant? War es ein Märchengleichnis,
oder war's Wirklichkeitsdarstellung?. Ich kann mir
einen Menschen vorstellen, über den der Ruf des
Lebens solche Gewalt hat, daß er ihm auch nach Ver¬
brechen und den Tod vor Augen folgt. Aber weder
Marie Moser noch ihr Leutnant haben rotes Blut
in den Adern; ich kann mir nicht vorstellen, daß
Menschen von ihrer Erziehung, ihrem veredelten
Gefühlsleben, ihrer Peinlichkeit, wären sie lebendig,
in „Seligkeit genießen“ könnten. Gespenster, taumelnde
Gespenster!
Gerne nehmen sich die Schauspieler der Schatten¬
wesen an, die sie selbst erst mit eigenem Inhalt zu
erfüllen glauben. Dann aber müssen die Schatten
nicht bedeutungsschwer“ gefaßt werden; und wenn
Schnitzter diesmal einer Selbsttäuschung verfiel, so
hätte darum die Darstellung hartnäckig auf dem
gleichen Fehler verharren müssen. Schauspieler wie
Irene Triesch (Marie), Reicher (der Arzt), Bassermann
(der Oberst) wurden physiognomielos, gerade weil
sie sich zwangen oder der Suggestion verfielen,
daß jedes Wort, was sie zu sprechen hatten,
ein Epigramm von Charakter sei oder ein
tiefes Geheimnis berge; und die „unsympathische“
Figur des alten Moser ragte bei Marr um so
kräftiger hervor, weil Schnitzler sie in einfacheren
Umrissen hielt und weil der Schauspieler Marr nichts
Allzutiefes aus ihr schöpfen wollte. Ein mürrischer
Greis, ein menschlicher Typus.
L. Schönhoff.
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box 24/2
Hehemann, in schrankenlosem
ee Konzerte. 25
orakelt, wird kein ruhiger B
Von
mögen: weder wird man El
Carl Krebs.
den größten Musikern der a
räumen können, noch wird zu
ie Singakademie unter Professor Georg Schumann
seiner Partituren eine „Ent
führte am Freitag zum erstenmal ein großes
geahnten Mitteln des Ausdru
Chorwerk von Edward Elgar auf: „Die Apostel“, das
die Hyperbeln sonst lauten.
erste von drei Oraiorien, die von der Berufung, der
Hehemann hat auch die „Apost
Aussendung und dem Wirken der Apostel sowie vom
nach leitmotivischen Schätzen d
„letzten Gericht“ und dem „neuen Jerusalem“ handeln
der Tat 87 (siebenundachtzig!)
sollen. Dieser bis jetzt fertig gewordene Teil zerfällt
sagen Regenwürmer, aber do
in sieben Abschnitte und führt uns in einzelnen Bildern
gefunden.
bis zu Christi Himmelfahrt, in Bildern, die zum Teil
Die Erfindung der Motive
breit und farbig ausgeführt sind, wie der „Morgen¬
lichste Teil des Werkes, und
pfalm“ der wirkungsvoll eine hebräische Melodie
es wird mit diesen Erinnerun
benutzt, und die Szene in der Burg von Magdala,
beitet; da ihnen nun, bis auf
wo in die reuevolle Klage Marias ein Freudenchor
das Apostelmotiv, das aber au
lachend und lockend hineinklingt; und die zum anderen
Choral entlehnt ist, Prägnanz
Teil sich nur andeutend verhalten, wie in „Golgatha“
fehlen, so bekommt das Ganze,
wo die Handlung, die Kreuzigung, schon vollendet ist
recht origineller harmonische
und wo nur die Gefühlsreflexe des ungeheuren Er¬
etwas verschwimmenden, weich
eignisses auf die Zuhörer fallen, oder bein Seesturm,
um so mehr, als der Verfasser
als Christus auf den Wogen wandelt. Daß s Elgar
staltungen und Gruppierungen
hier verschmäht hat, uns den heulenden Sturm und
drücke, die ich von dem Werk
das Meeresgetöse recht leibhaftig und realistisch vor¬
ich etwa so zusammenfassen: T
zumalen, was ja billig herzustellen war, soll ihm
Einflüsse von verschiedenen Sei
hoch angerechnet werden: auch der Meister des musi¬
wisse Eigenart der musikalische
kalischen Stils zeigt sich oft genug in dem, was er
stark hervortretend, aber sei
weise verschweigt.
merkt zu werden; im eingel
Und ein Meister ist Elgar insofern, als er die
Interessantes, manche feine
Mittel des Orchesterausdrucks in nicht gewöhnlichem
doch werden tiefergehende Eind
Maße beherrscht und als er viel Geschmack zeigt;
daß das Ohr in diesem Orato
was jedoch der Erläuterer der „Apostel“, Herr Max Befriedigung findet als Seele