19. Der Ruf des Lebens
box 24/2
M
1—.4
uns Genüge schafft, ist vollwertig zu nehmen . . .: ist wirklich ein Ziel kungen. Er will das anschaulich in gewaltiger Wirklichkeit Begebene dum
#userer Tage. In allem; die gänzliche Umordnung der Schillerschen die Raisonnements eines stillen Arztes, der seinen Beruf vom Kol
Thevrie! Denn das Leben ist nur der Güter höchstes, . . . und die Schuld! Schnitzler wohl nicht ohne Absicht empfangen hat, melancholisch###
bleibt der Uebel größtes nur, so lange man sie als solche gelten läßt.führen. ... Aber unsere Nerven beben noch von wilden In
Bei Schnitzler wird Marie Moser, ein Wiener Mädel aus den Vor= und mögen sich der müden Gemessenheit nicht fügen auf
märztagen durch eigene Erfahrungen zu dieser Tendenz des uner= desinitive Erkenntnis empfängt. Und das Auftauchen dem
dre Mariens Entschluß zur Aktivität durch ihr Beispiel einf schär
schrockensten Egoismus erzogen. Daß sie ihn von Hause aus nicht hat;
nun, verendend, als sittlich und körperlich Verkommene in hä
daß er nicht ein „Stück von ihr“ ist, kostet sie gleich ihr ganzes Glück,
Opheliapose zurückkehrt, zerstört vollends die Harmonie des Ausklang
von dem sie später (nach der Erkenntnis) nur einen zarten Reflex
dessen Tonkraft ohne dieses Einschiebsel wenigstens nicht zur Dissonanz
[sehen .. . ., ein leises, seelisches Wiederspiel fühlen wird. Sie welkt
entstellt worden wäre. Immerhin verdient es dieses Stück mit seinem
an der Seite eines verbitterten, bissigen Greises, der dem blühenden und
Parallelismus von richterischen und technischen Potenzen, mit seiner
sich sehnenden Kinde die Tage seiner Agonie durch giftige Reden und die
tendenziösen und sachlichen Kühnheit, daß der Poet seinen Abschluß
Behandlung eines Sklavenhalters zum Martyrium macht. Ihre Ver¬
wandte, ein junges Ding, das den Keim der Schwindsucht in der Brustl revidiere. Es wird dann dereinst ebenso sicher seine Auferstehung
feiern, wie der „Schleier der Beatrice“, jenes köstliche, tiefe, von rauschen¬
hat, findet den Mut (um sich eine letzte, heiße Lebensfrist zu erobern), von
den Ewigkeitsströmen durchflutete Gedicht.
der alternden Mutter fort, zu dem geliebten Manne zu laufen. Um auch
Marie von der Fessel loszubinden, müssen freilich noch schärfere Motive
Ja: gerade „Der Ruf des Lebens“ wird um so mehr erst vor einem
binzukommen, die den Poeten Schnitzler, im Bestreben, deutlich zu sprechen,
andern Forum seinen letzten Richterspruch empfangen müssen, als gestern
mit dem Geschmack der Modernen scharf aneinander geraten lassen. Sie
Otto Brahms Schauspieler dem zarten Gespinst der Stimmungen fast
muß erst wissen, daß der von ihr Erwählte — auch ein junger Offizier — ausnahmslos mit nüchternem, tötendem Rationalismus zu Leibe gingen.
am nächsten Morgen den sicheren Schlachtentod aufsuchen wird. ... Sie Dieser wurde von engherzigen, rein persönlichen Standpunkten geführt bei
muß erfahren, daß derjenige, dessen alte Schuld zu sühnen, sich nun ein Herrn Rittner und Frau Lehmann, denen das Volumen ihrer
Lebens“.*)
gonzes Regiment opfern soll, ihr eigener Vater war. Sie hat also noch; Rollen nicht genügte, und die einfach durch völlige, darstellerische Nicht¬
Februar 1906.)
eine Nacht .. .: und sie kann zugleich erleben und rächen. So reicht sie
achtung ihrer Aufgaben direkt gegen das Stück polemisierten. Aber auch
rünglichen Beruf ent¬
dem Alten den Giftbecher. ... Die Zärtlinge, die so etwas bei Herrn
Herr Reicher (der Arzt) zerhackte den in einem leicht schwärmerischen,
it Je in die dunklen,
Sudermann wunderschön finden würden, fühlen hier ihr Haar sich gefeilten, romantisierenden Glanze gehaltenen Dialog ganz „realistisch";
apunkt findet, da Tod
sträuben. Sie merken nicht, daß eine Renaissancephilosophie nur mit die Herren Marr (Mariens Vater), Stieler (ihr Geliebter) blieben
e Sekunde die Hand
lapidaren Mitteln zu vergegenwärtigen ist: daß gerade der Umwälzer be= durchaus äußerlich in Geste und Charakteristik, und die Damen Schiff
es ande## blitzesschnell
sonders deutlich sprechen muß. Sie wissen auch nicht mehr, daß sie selbst und Hoffmann sind zwei recht verhängnisvolle Irrtümer. Blieben die
ren Verbindungslinien
nach einer Verkräftigung der Schaubühne mit allen Mitteln lechzen, und
Triesch (Marie), die als fesselnde Beherrscherin der Rede und grandiose
den erst Absterbenden)
daß wir für diese dringliche Notwendigkeit niemals einen besseren Mit¬
Veräußerlicherin unterdrückter und ausartender Temp##ente immer
schicken führen, die auf
arbeiter finden werden, als Arthur Schnitzler, der seine wilden, zwingenden
erobert .. .: und Bassermann, der seinen, zunächst ein wenig an
irektiven erhalten.
Motionen nicht (im Stile der Macher) „arrangiert“, sondern sie als letzte
Sardon und Dumas mahnenden, uniformierten „Rächer der Gattenehre“
en, jede Hoffnung und
Notwendigkeiten dem feinen Geäste stiller, beengter, aber von innerem
mit gutem Ergebnis zu einem eiskalten, bleichen, überlegenen Schicksals¬
nun zu einem leiden¬
Leben konvulsivisch bebender Stimmungen entflammen läßt. Der den
Walter Turszinsky.
walter umgestaltete.
ß, auf die kraftvolle
Mut hat, diese Bauart in diesem Falle sogar noch durch einen zweiten
uden. Mit einer Ich¬
Alt, durch ähnliche Stimmungen zu ähnlichen Effekten weiterzuführen.
ch wählt, sie nicht in
Ich sage: Bravissimo!
it gestalte, will er jetzt
Marie stürzt in das Haus des geliebten Mannes. Die Tragödie ihres
seit Jahren umspürt,
Lebens soll durch ein kurzes Freudenbachanal ihren leuchtenden Einschnitt
Rühnheit, die Nietzsche
erhalten. Aber: „wen die Andern kümmern, der darf nicht glücklich sein.“
men, und seine Hand
Hat sie nicht den Mut zur Entschlossenheit gehabt, um sich ihr bischen
h des Lebens. Wo er
Glück auch gegen die Pflichten der Pietät zu holen, so hat der Mann, dem
ides gab: die Einflisse
sie im Zeitraum einer flüchtigen Begegnung seelisch zu eigen ward, nicht
Existenzen geistig,
die Geduld gehabt, auf sie zu warten. Marie, die auch ihrem Freunde
efahen ..., oder
die Führerhand in das Land eines neuen Geschickes reichen will, sieht den
sultat geben. Freilich
endgültigen Abschluß des seinen. Er hat die Frau seines Obersten, der
oisches Abstreifen aller
ihm zugleich ein väterlicher Freund ist, zu seiner Geliebten gemacht. Am
andern kümmern, der
Abend, bevor er an der Seite des Vorgesetzten in den Tod reitet, trifft
verwelken, was schon
der alte Mann die Beiden zusammen. Er schießt das Weib nieder, nennt
ächtniszeremonien, mit
den Jüngling einen Lügner. Der steckt noch tief genug in den alten Moral¬
kraftvoll gedeihen will.
fesseln, um in dieser Beschimpfung den Zwang zum Tode zu finden. Nur
sich nicht für die
für eine kurze Liebesepisode kann Marie ihn erobern: dann folgt er der
radition als die letzten
Andern.
dem Persönlichen in
Ich sehe den Riß in diesem Drama wahrhaftig nicht im Zuviel. Ich
Berlin, erschienen.sagte es schon. Nur der letzte Akt, der zu wenig bringt, zerfetzt die Wir¬
box 24/2
M
1—.4
uns Genüge schafft, ist vollwertig zu nehmen . . .: ist wirklich ein Ziel kungen. Er will das anschaulich in gewaltiger Wirklichkeit Begebene dum
#userer Tage. In allem; die gänzliche Umordnung der Schillerschen die Raisonnements eines stillen Arztes, der seinen Beruf vom Kol
Thevrie! Denn das Leben ist nur der Güter höchstes, . . . und die Schuld! Schnitzler wohl nicht ohne Absicht empfangen hat, melancholisch###
bleibt der Uebel größtes nur, so lange man sie als solche gelten läßt.führen. ... Aber unsere Nerven beben noch von wilden In
Bei Schnitzler wird Marie Moser, ein Wiener Mädel aus den Vor= und mögen sich der müden Gemessenheit nicht fügen auf
märztagen durch eigene Erfahrungen zu dieser Tendenz des uner= desinitive Erkenntnis empfängt. Und das Auftauchen dem
dre Mariens Entschluß zur Aktivität durch ihr Beispiel einf schär
schrockensten Egoismus erzogen. Daß sie ihn von Hause aus nicht hat;
nun, verendend, als sittlich und körperlich Verkommene in hä
daß er nicht ein „Stück von ihr“ ist, kostet sie gleich ihr ganzes Glück,
Opheliapose zurückkehrt, zerstört vollends die Harmonie des Ausklang
von dem sie später (nach der Erkenntnis) nur einen zarten Reflex
dessen Tonkraft ohne dieses Einschiebsel wenigstens nicht zur Dissonanz
[sehen .. . ., ein leises, seelisches Wiederspiel fühlen wird. Sie welkt
entstellt worden wäre. Immerhin verdient es dieses Stück mit seinem
an der Seite eines verbitterten, bissigen Greises, der dem blühenden und
Parallelismus von richterischen und technischen Potenzen, mit seiner
sich sehnenden Kinde die Tage seiner Agonie durch giftige Reden und die
tendenziösen und sachlichen Kühnheit, daß der Poet seinen Abschluß
Behandlung eines Sklavenhalters zum Martyrium macht. Ihre Ver¬
wandte, ein junges Ding, das den Keim der Schwindsucht in der Brustl revidiere. Es wird dann dereinst ebenso sicher seine Auferstehung
feiern, wie der „Schleier der Beatrice“, jenes köstliche, tiefe, von rauschen¬
hat, findet den Mut (um sich eine letzte, heiße Lebensfrist zu erobern), von
den Ewigkeitsströmen durchflutete Gedicht.
der alternden Mutter fort, zu dem geliebten Manne zu laufen. Um auch
Marie von der Fessel loszubinden, müssen freilich noch schärfere Motive
Ja: gerade „Der Ruf des Lebens“ wird um so mehr erst vor einem
binzukommen, die den Poeten Schnitzler, im Bestreben, deutlich zu sprechen,
andern Forum seinen letzten Richterspruch empfangen müssen, als gestern
mit dem Geschmack der Modernen scharf aneinander geraten lassen. Sie
Otto Brahms Schauspieler dem zarten Gespinst der Stimmungen fast
muß erst wissen, daß der von ihr Erwählte — auch ein junger Offizier — ausnahmslos mit nüchternem, tötendem Rationalismus zu Leibe gingen.
am nächsten Morgen den sicheren Schlachtentod aufsuchen wird. ... Sie Dieser wurde von engherzigen, rein persönlichen Standpunkten geführt bei
muß erfahren, daß derjenige, dessen alte Schuld zu sühnen, sich nun ein Herrn Rittner und Frau Lehmann, denen das Volumen ihrer
Lebens“.*)
gonzes Regiment opfern soll, ihr eigener Vater war. Sie hat also noch; Rollen nicht genügte, und die einfach durch völlige, darstellerische Nicht¬
Februar 1906.)
eine Nacht .. .: und sie kann zugleich erleben und rächen. So reicht sie
achtung ihrer Aufgaben direkt gegen das Stück polemisierten. Aber auch
rünglichen Beruf ent¬
dem Alten den Giftbecher. ... Die Zärtlinge, die so etwas bei Herrn
Herr Reicher (der Arzt) zerhackte den in einem leicht schwärmerischen,
it Je in die dunklen,
Sudermann wunderschön finden würden, fühlen hier ihr Haar sich gefeilten, romantisierenden Glanze gehaltenen Dialog ganz „realistisch";
apunkt findet, da Tod
sträuben. Sie merken nicht, daß eine Renaissancephilosophie nur mit die Herren Marr (Mariens Vater), Stieler (ihr Geliebter) blieben
e Sekunde die Hand
lapidaren Mitteln zu vergegenwärtigen ist: daß gerade der Umwälzer be= durchaus äußerlich in Geste und Charakteristik, und die Damen Schiff
es ande## blitzesschnell
sonders deutlich sprechen muß. Sie wissen auch nicht mehr, daß sie selbst und Hoffmann sind zwei recht verhängnisvolle Irrtümer. Blieben die
ren Verbindungslinien
nach einer Verkräftigung der Schaubühne mit allen Mitteln lechzen, und
Triesch (Marie), die als fesselnde Beherrscherin der Rede und grandiose
den erst Absterbenden)
daß wir für diese dringliche Notwendigkeit niemals einen besseren Mit¬
Veräußerlicherin unterdrückter und ausartender Temp##ente immer
schicken führen, die auf
arbeiter finden werden, als Arthur Schnitzler, der seine wilden, zwingenden
erobert .. .: und Bassermann, der seinen, zunächst ein wenig an
irektiven erhalten.
Motionen nicht (im Stile der Macher) „arrangiert“, sondern sie als letzte
Sardon und Dumas mahnenden, uniformierten „Rächer der Gattenehre“
en, jede Hoffnung und
Notwendigkeiten dem feinen Geäste stiller, beengter, aber von innerem
mit gutem Ergebnis zu einem eiskalten, bleichen, überlegenen Schicksals¬
nun zu einem leiden¬
Leben konvulsivisch bebender Stimmungen entflammen läßt. Der den
Walter Turszinsky.
walter umgestaltete.
ß, auf die kraftvolle
Mut hat, diese Bauart in diesem Falle sogar noch durch einen zweiten
uden. Mit einer Ich¬
Alt, durch ähnliche Stimmungen zu ähnlichen Effekten weiterzuführen.
ch wählt, sie nicht in
Ich sage: Bravissimo!
it gestalte, will er jetzt
Marie stürzt in das Haus des geliebten Mannes. Die Tragödie ihres
seit Jahren umspürt,
Lebens soll durch ein kurzes Freudenbachanal ihren leuchtenden Einschnitt
Rühnheit, die Nietzsche
erhalten. Aber: „wen die Andern kümmern, der darf nicht glücklich sein.“
men, und seine Hand
Hat sie nicht den Mut zur Entschlossenheit gehabt, um sich ihr bischen
h des Lebens. Wo er
Glück auch gegen die Pflichten der Pietät zu holen, so hat der Mann, dem
ides gab: die Einflisse
sie im Zeitraum einer flüchtigen Begegnung seelisch zu eigen ward, nicht
Existenzen geistig,
die Geduld gehabt, auf sie zu warten. Marie, die auch ihrem Freunde
efahen ..., oder
die Führerhand in das Land eines neuen Geschickes reichen will, sieht den
sultat geben. Freilich
endgültigen Abschluß des seinen. Er hat die Frau seines Obersten, der
oisches Abstreifen aller
ihm zugleich ein väterlicher Freund ist, zu seiner Geliebten gemacht. Am
andern kümmern, der
Abend, bevor er an der Seite des Vorgesetzten in den Tod reitet, trifft
verwelken, was schon
der alte Mann die Beiden zusammen. Er schießt das Weib nieder, nennt
ächtniszeremonien, mit
den Jüngling einen Lügner. Der steckt noch tief genug in den alten Moral¬
kraftvoll gedeihen will.
fesseln, um in dieser Beschimpfung den Zwang zum Tode zu finden. Nur
sich nicht für die
für eine kurze Liebesepisode kann Marie ihn erobern: dann folgt er der
radition als die letzten
Andern.
dem Persönlichen in
Ich sehe den Riß in diesem Drama wahrhaftig nicht im Zuviel. Ich
Berlin, erschienen.sagte es schon. Nur der letzte Akt, der zu wenig bringt, zerfetzt die Wir¬