19. Der Ruf des Lebens
box 24/2
Erstaufführung im Lessingtheater.
gibt. Mariens Leutnant Max (Kurt Stieler) soll
also auch zugrunde gehen. An der militärischen
Berlin, 24. Jebruar.
Wahrscheinlichkeit dieses totgeweihten Regiments
„Der Ruf des Lebens“ von Arthur
läßt sich zweifeln. Marie gibt ihrem Vater dem
Schnitzler ein dreiaktiges Schauspiel, fand
bösen Mann, den sie haßt, den Todestrank,
eine dönige Ablehnung, wenn auch übereifrige
nimmt aus seinen sterbenden Fingern den
Freunde bemüht waren, den hochbeliebten Dich¬
Schlüssel und rennt zu dem Leutnant. Gräßlicher
ter der „Liebelei“ vor den Vorhang zu rufen.
Eindruck — von der Leiche zum Liebes-Stelldich¬
Beharrliches Zischen könte ihm jedesmal entgegen;
ein!
kein wilder, leidenschaftlicher Sturm durch¬
Dieser Leutnant Max hat eine Liebelei mit der
braufte das Haus. Wir können und wollen dir
Frau seines Obersten (Albert Bassermann). Der
hier nicht folgen, sagten diesmal diejenigen, die
kommt an sein Fenster, und im Laufe des Ge¬
sonst gerne jede Gabe des geistvollen Plauderers
sprächs
dies ist die beste, mit feinem, echt
und Schicksalsschilderers entgegengenommen.
Schnitzlerschem Dialog ausgestattete Szene — läßt
Und man war wirklich versucht, zu fragen: Wo
er den jungen Mann verstehen, daß er „entdeckt“
ist denn der echte Schnitzler? Denn eine Hinter¬
hat. Einige Augenblicke spater dringt die schul¬
treppenromanfüllung, ein romantisches Bunt¬
dige Gattin bei dem Leutnant ein. Sie will ihn
durcheinander, eine Sprache, die man Mitte des
im Leben festhalten. Er bleibt standhaft. Der
19. Jahrhunderts in ihrer Ueberschwänglichkeit
Oberst kommt und erschießt seine Frau. Der
nicht kannte, die der Epoche angehört,
der
junge Sünder bietet ihm die Bruft. „Nein, Sie
„Sophiens empfindsame Reise nach Memel“
werden den Mord da auf sich nehmen“, sagt der
schrieben wurde, Mord, Selbstmord, Gassen¬
Rocher seiner Ehre. Marie hat, im Schlafzimmer
dirnentum, einen ärztlichen Helfershelfer
verborgen, alles angehört, sturzt in die Arme des
das behamen wir, nur hier und da ein paar
Leut###nte, und fort von der Leiche der ehrver¬
hübsche feine Schnitzlersche Wendungen in den
n Irau führt er Marie, um unter ihren
Dialogen, ein paar philosophische Thesen, deren
Küssen die letzten Lebensstunden zu verbringen.
Haltbarkeit sich nicht erwies.
Wieder ein gräßlicher Eindruck! Der Leutnant
Ein alter bresthafter Rittmeister quält seine
erschießt sich dann am Morgen vor dem Abmarsch
Tochter Marie (Irene Triesch), seine Pflegerin,
diesmal wird das glücklicherweise nur erzählt.
teuflisch. Er hat vor dreißig Jahren seine Schwa¬
Der gefällige Arzt und philosophische Verteidi¬
dron blauer Kürassiere durch den „Ruf des Le¬
ger hat die Spuren des Vatermordes verwischt.
bens“, der ihm innerlich erging, aus der Schlacht¬
Er sagt zu Marie: „Das sind ja alles nur glü¬
stellung zur Flucht durch eigenes Davonreiten
hende Worte.“ Begriffe: Mord, Ehre. „Sie wer¬
verführt. Schmachvoll lag das auf dem Regi¬
den weiter leben und den Lebensruf aufs neue
ment. Daß er die Ursache, ist nicht bekannt ge¬
und schöner hören. Die Sonne scheint Ihnen ja
worden. Marie fühlt auch den Ruf des Lebens.
noch.“ — Die Herumtreiberin kommt zur Mutter
Sie hat eine Liebelei mit einem Forstadjunkten,
und stirbt. Sie hat alle Daseinsfreuden genossen.
ihn dann aber über einen Leutnant vergessen,
Es tat fast weh, in unserer wahrlich genugsam
mit dem sie eine Nacht vertanzie, dem sie ein
pietätlosen Zeit, diese skeptischen Predigten von
Stelldichein versprach, es aber nicht innehielt.
der Bühne herab zu hören. Sie können manchen
Da ist ihre wunderlich nachsichtige Tante (Else
Sinn verwirren. Und wahrlich, es gibt doch auch
Lehmann), die es ihrer durch Schwindsucht
noch andere Dinge, als das ewige Liebesgesinge
zeichneten Tochter vollauf vergönnt, daß sie sich
und -Drängen nach dem modernen Ausleben in
mit Männern herumtreibt. Mit Blurnen
nur einer Beziehung. Wir haben noch ein paar
schmückt, eine irrende Ophelia, läuft dieses Wesen
wundervolle Lebenserfüllungen: Arbeit, Pflicht,
durch die Straßen. Da ist ein Arzt (Emanuel
Nächstenliebe. Für den Doktor, den Schnitzler ge¬
Reicher), der Marie, die der Vater nicht von seiner
zeichnet, sind's freilich Worte, nichts als Worte.
Seite lassen will, einen Schlaftrunk bringt, der
Gespielt wurden die Schemen gut; am besten war
für hundert Nächte ausreicht, und sie auffordert,
Albert Bassermann, dessen Oberst er neben dem
des Lebens Ruf zu folgen. Es geht in den Krieg.
Dichter glaubhaft machte. Man hatte eine pla¬
Auch das „totgeweihte“ blaue Kürassier-Regiment
stische Dorfdekoration mit Rasen und Wald von
ist darunter, das sich die Gnade erbeten hat, da
landschaftlicher Schönheit zu sehen.
.
hingestellt zu werden, wo es sicheres Verderben
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Erstaufführung im Lessingtheater.
gibt. Mariens Leutnant Max (Kurt Stieler) soll
also auch zugrunde gehen. An der militärischen
Berlin, 24. Jebruar.
Wahrscheinlichkeit dieses totgeweihten Regiments
„Der Ruf des Lebens“ von Arthur
läßt sich zweifeln. Marie gibt ihrem Vater dem
Schnitzler ein dreiaktiges Schauspiel, fand
bösen Mann, den sie haßt, den Todestrank,
eine dönige Ablehnung, wenn auch übereifrige
nimmt aus seinen sterbenden Fingern den
Freunde bemüht waren, den hochbeliebten Dich¬
Schlüssel und rennt zu dem Leutnant. Gräßlicher
ter der „Liebelei“ vor den Vorhang zu rufen.
Eindruck — von der Leiche zum Liebes-Stelldich¬
Beharrliches Zischen könte ihm jedesmal entgegen;
ein!
kein wilder, leidenschaftlicher Sturm durch¬
Dieser Leutnant Max hat eine Liebelei mit der
braufte das Haus. Wir können und wollen dir
Frau seines Obersten (Albert Bassermann). Der
hier nicht folgen, sagten diesmal diejenigen, die
kommt an sein Fenster, und im Laufe des Ge¬
sonst gerne jede Gabe des geistvollen Plauderers
sprächs
dies ist die beste, mit feinem, echt
und Schicksalsschilderers entgegengenommen.
Schnitzlerschem Dialog ausgestattete Szene — läßt
Und man war wirklich versucht, zu fragen: Wo
er den jungen Mann verstehen, daß er „entdeckt“
ist denn der echte Schnitzler? Denn eine Hinter¬
hat. Einige Augenblicke spater dringt die schul¬
treppenromanfüllung, ein romantisches Bunt¬
dige Gattin bei dem Leutnant ein. Sie will ihn
durcheinander, eine Sprache, die man Mitte des
im Leben festhalten. Er bleibt standhaft. Der
19. Jahrhunderts in ihrer Ueberschwänglichkeit
Oberst kommt und erschießt seine Frau. Der
nicht kannte, die der Epoche angehört,
der
junge Sünder bietet ihm die Bruft. „Nein, Sie
„Sophiens empfindsame Reise nach Memel“
werden den Mord da auf sich nehmen“, sagt der
schrieben wurde, Mord, Selbstmord, Gassen¬
Rocher seiner Ehre. Marie hat, im Schlafzimmer
dirnentum, einen ärztlichen Helfershelfer
verborgen, alles angehört, sturzt in die Arme des
das behamen wir, nur hier und da ein paar
Leut###nte, und fort von der Leiche der ehrver¬
hübsche feine Schnitzlersche Wendungen in den
n Irau führt er Marie, um unter ihren
Dialogen, ein paar philosophische Thesen, deren
Küssen die letzten Lebensstunden zu verbringen.
Haltbarkeit sich nicht erwies.
Wieder ein gräßlicher Eindruck! Der Leutnant
Ein alter bresthafter Rittmeister quält seine
erschießt sich dann am Morgen vor dem Abmarsch
Tochter Marie (Irene Triesch), seine Pflegerin,
diesmal wird das glücklicherweise nur erzählt.
teuflisch. Er hat vor dreißig Jahren seine Schwa¬
Der gefällige Arzt und philosophische Verteidi¬
dron blauer Kürassiere durch den „Ruf des Le¬
ger hat die Spuren des Vatermordes verwischt.
bens“, der ihm innerlich erging, aus der Schlacht¬
Er sagt zu Marie: „Das sind ja alles nur glü¬
stellung zur Flucht durch eigenes Davonreiten
hende Worte.“ Begriffe: Mord, Ehre. „Sie wer¬
verführt. Schmachvoll lag das auf dem Regi¬
den weiter leben und den Lebensruf aufs neue
ment. Daß er die Ursache, ist nicht bekannt ge¬
und schöner hören. Die Sonne scheint Ihnen ja
worden. Marie fühlt auch den Ruf des Lebens.
noch.“ — Die Herumtreiberin kommt zur Mutter
Sie hat eine Liebelei mit einem Forstadjunkten,
und stirbt. Sie hat alle Daseinsfreuden genossen.
ihn dann aber über einen Leutnant vergessen,
Es tat fast weh, in unserer wahrlich genugsam
mit dem sie eine Nacht vertanzie, dem sie ein
pietätlosen Zeit, diese skeptischen Predigten von
Stelldichein versprach, es aber nicht innehielt.
der Bühne herab zu hören. Sie können manchen
Da ist ihre wunderlich nachsichtige Tante (Else
Sinn verwirren. Und wahrlich, es gibt doch auch
Lehmann), die es ihrer durch Schwindsucht
noch andere Dinge, als das ewige Liebesgesinge
zeichneten Tochter vollauf vergönnt, daß sie sich
und -Drängen nach dem modernen Ausleben in
mit Männern herumtreibt. Mit Blurnen
nur einer Beziehung. Wir haben noch ein paar
schmückt, eine irrende Ophelia, läuft dieses Wesen
wundervolle Lebenserfüllungen: Arbeit, Pflicht,
durch die Straßen. Da ist ein Arzt (Emanuel
Nächstenliebe. Für den Doktor, den Schnitzler ge¬
Reicher), der Marie, die der Vater nicht von seiner
zeichnet, sind's freilich Worte, nichts als Worte.
Seite lassen will, einen Schlaftrunk bringt, der
Gespielt wurden die Schemen gut; am besten war
für hundert Nächte ausreicht, und sie auffordert,
Albert Bassermann, dessen Oberst er neben dem
des Lebens Ruf zu folgen. Es geht in den Krieg.
Dichter glaubhaft machte. Man hatte eine pla¬
Auch das „totgeweihte“ blaue Kürassier-Regiment
stische Dorfdekoration mit Rasen und Wald von
ist darunter, das sich die Gnade erbeten hat, da
landschaftlicher Schönheit zu sehen.
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hingestellt zu werden, wo es sicheres Verderben