II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 117

19. Der Ruf des Lebens
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Der Ruf des Lebens
Dies Drama ist technisch von einer geradezu senilen Unbeholfen¬
daß ein Reiterregiment in 8
heit und leidet inhaltlich — um das kurz und deutlich herauszusagen
— ven Arthur Schnitzler
Mann umzukommen, ist do
an moral insanity. Man wird uns nicht im Verdachte haben,
terei. Giubt Herr Schn##
(Erstauführung am Vertiner Delischen=Thfihter, 24 Februan)
unter die Lex=Heintze=Männer gegangen zu sein, die nur die Buch¬
Heere der Welt ein Oberst
staben=Moral des „Du sollst —“
Der alte Moser ist der widerwärtigste Quälgeist von Vater, der
und „Du sollst nicht —“ wollen
stolzes Reiterregiment à la
gelten lassen. Wir haben keinen Augenblick daran gezweifelt, daß
je von einer Tochter mit Selbstverleugnung gepflegt wurde. Vor
Daß der auch nur 24 Stur
„der Ruf des Lebens“ nichts anderes sein würde als der Brunst¬
50 Jahren hat er, als Rittmeister der blauen Kürassiere, in einem
Der Krieg ist kein Schli
schrei der sexuellen Begierde; denn die ist das einzige, wofür es sich
Augenblicke, wo ihm die Nerven versagten, das ganze Regiment
guter Soldat ist, der nicht b
nach Schnitzler's Dichtungen zu leben lohnt. Aber daß Schnitzler
hinter sich her in die Flucht gerissen. Diese Schmach will der jetzige
viel schlechterer Soldat wä
diesen Grundsatz mit einer so brutalen Gefühlsroheit predigen
Oberst des Regiments sühnen, indem er es in den sichern Tod führt.
stimmung wegzuwerfen. U
würde, wie in der Schlußszene des 2. Aktes, das konnte man nicht
Mit einem Offizier der blauen Kürassiere hat Marie, die Toch¬
Reiterregiment von Hamlets
erwarten. Man denke sich: da am Boden liegt die Ehebrecherin, die
ter des alten Moser, eine einzige Ballnacht durchtanzt. Dann hat
Lachen, weil's von Artbur
der Leutnant so oft in seinen Anmen gehalten hat, mit der tötlichen
“ sie ihn nie wiedergesehen, aber vergessen hat sie ihn nicht. Morgen
Kugel im Leibe, die ihm gehört hätte, aber noch nicht erkaltet, und
Im Lessingtheater frei
reitet er in den sichern Tov, der Alte läßt sie nicht fort, da vergiftet
schon läuft er mit der zweiten davon, um vor dem sicheren Tode
lichen Gemisch von Gefühlsr
sie ihn kurz entschlossen mit einem Schlaftrunk und läuft zu ihrem
rasch noch diesen jungen Leib zu genießen. Dieser Leutnant ist kein
fall klatschten — zu Anfan
Leutnant. In dessen Stube spielt der zweite Akt. Sein Oberst hat
Mensch mehr, für den wir Teilnahme empfinden könnten, sondern
sie kleinlauter und die Zisch
ihn im Verdacht, der Geliebte seiner Frau zu sein; der Leutnent
ein Vieh, das einen ehrlichen Soldatentod nicht verdient hat.
hinderte, vor dem Vorhange
persichert: „Ich darf an ihrer Seite fechten, Herr Oberst.“ — In
Immerhin mag solch ein Vieh denkbar sein. Aber will Herr
neigen. Auch die besten Kr#
Abwesenheit des Leutnants kommt Marie gelaufen und verbirgt sich
Schnitzler uns einreden, daß eine virgo intacta — der Leser wolle
Stück nicht zu retten, die
hinterm Bettvorhang. Demnächst erscheint der Leutnant mit der
verzeihen, wenn wir physiologisch reden, Herr Schnitzler zwingt
Bassermann, die Tri#
Frau des Obersten, die ihren Geliebten dem sichern Tode zu ent¬
dazu — sich in unbändigem Sinnenrausche, toll und blind über den
eher zu beklagen. Eine Epif
rißen wünscht. Durchs Fenster springt der Oberst, schießt seine
noch nicht erkalteten Leib ihrer Vorgängerin weg dem Geliebten
die wenigen, ihr noch verblie
Frau nieder und ersucht den Leutnant, mit sich das gleiche zu tun.
in die Arme wirft?
tollt — ward von Grete Ho
Der macht auch Anstalten dazu, da stürzt Marie yervor, der Leut¬
Ernst Kraus genannt —
nant eilt mit ihr davon, um — wie „Oskar Wilde sagen würde —
Darin eben liegt die moral insanity dieses Stückes, daß allen
brachte zwei Interieurs im
„das Tierische abzumachen“ — und der ganze dritte Akt hat weiter
Menschen darin die natürliche Achtung abgeht, die der gesunde
den 40er Jahren des vorig
keinen Zweck, als uns mitzuteilen, daß der Leutnant am Morgen
Mensch vor der höchsten Majestät empfindet, die er kennt: vor der
und Wiesenlandschaft, die e
zurückgekehrt ist, um sich neben seiner toten Geliebten zu erschießen.] Majestät des Todes. Auch die ganze Voraussetzung des Stückes, ungskünsten in Wettbewerb;
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