II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 120

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19. Der Ruf des Lebens
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den Worten Feodors: „O Gott, warum hast du zum Zaren
Dieser Max steht als Leutnant bei den blauen Kürassieren,
erste Aufführung in russischer
mich gemacht!“ schließt das Drama, das die Russen zu ihrer
die soeben als „todgeweihtes Regiment“ in den Krieg aus¬
Märchendichtung am dortigen N
klassischen Literatur zählen, das wir aber nur als eine klassi¬
rücken. Um eine alte Schmach der Truppe zu fühnen, haben
Erfolg, woran zum Teil auch
zistische Epigonenarbeit werten können. Jedenfalls bot es den
nämlich Offiziere und Mannschaften gelobt, daß keiner von
Uebersetzung des Herrn Ssuken
Moskauern mannigfache Gelegenheit zur Entfaltung ihrer In¬
ihnen lebendig heimkehren werde. Marie gelangt in das Zim¬
nellerweise las man zu Begin
szenierungskunst. Die szenische Ausstattung — nach Entwür¬
mer des Leutnants und wird hier unbemerkt Zeugin einer
mentar über das Stück vor,
fen des Malers Viktor Simow — verzichtete auf alle
Szene zwischen Max und der Gattin seines Obersten, mit der
Warkes zu ergründen und den
realistischen Detailkünste und wirkte mit ihren einfachen, gro¬
er eine kleine Liebelei gehabt hat, und die ihn nun zu über¬
zu verschaffen glaubte. Aber
ßen, stimmungsvollen Farben lediglich als malerischer Hinter¬
reden sucht, sein Leben zu retten und mit ihr zu fliehen. Der
mühen, und das einzige Resu
grund des Bühnenbildes, in das die Figuren außerordentlich
Oberst kommt dazu und erschießt kurzerhand die Treulose. Als
fahrens war, daß das Publik
raffiniert hineingestimmt waren.
So überwand man fast
Max die Pistole gegen die eigene Brust richten will, stürzt
wurde. Die mangelhafte Darst
völlig den sonst so störenden Gegensatz zwischen den bemalten
Marie aus ihrem Versteck hervor und entführt den Abgott zu
schen Fräulein Jawoskajan al
Leinwandfetzen und der lebendigen, agierenden, plastischen
der ersehnten Liebesnacht. Danach erschießt sich auch der Leut¬
Märchenstimmung, die die Aus
Menschheit. Unterstützt von einer ungemein sorgfältig ge¬
nant, die blauen Kürassiere werden in der ersten mörderischen
mannschen Novität den Rest,
regelten Beleuchtung, entstanden Bilder auf silbergraulem,
Schlacht bis auf den letzten Mann aufgerieben, die kleine Ka¬
das Neue Theater statt der M
sandfarbenem, goldenem Grunde, die in ihrer bis in alle Ein¬
tharina stirbt verwirrten Geistes und gebrochenen Herzens, der
großer Geschwindigkeit von ein
zelheiten durchgeführten koloristischen Abtönung ein harmoni¬
Forstadjunkt erhält eine Oberförsterstelle, und Marie Moser
schreiben lassen, verstimmte, stat
sches Ganzes bildeten und in Farben die Grundstimmung jedes
führt ein ebenso freudenleeres Dasein wie vorher. Der Ruf
v. Madame Bovary als
Aktes widerspiegelten. Und innerhalb dieses wundervollen
des Lebens hat sie irregeführt. Aber ein kluger Mann und
der Geburtsstadt Gunave Flauben
Nahmens entwickelte sich ein Zusammenspiel, das als schlechthin
Medikus spricht ihr Trost ein: Im beschaulichen Frieden des
William Busnach nach dem
mustergültig bezeichnet werden muß. Namentlich die Massen¬
Alltages, nicht in wüsten Leidenschaften und extravaganten
bertschen Roman dramatisierte
szenen, die als geschlossene Einheit wirkten und doch ihre Zu¬
Abenteuern sei der wahre Genuß des Lebens zu finden; sie
ersten Male aufgeführt. Es liegt
sammensetzung aus einzelnen, scharf charakterisierten Indivi¬
solle getrost eines neuen Rufes harren, der sicherlich an sie er¬
bei der Dramatisierung nur die d
dualitäten klar erkennen ließen, könnten für unsere Berliner
gehen und sie zu einem ruhigen Glücke fuhren werde.
eigentlichen Handlungsmomente un
Bühnen vorbildlich sein. Diesen Grad der künstlerischen Voll¬
Gellung kommen. Alle Innerlich
Man könnte fast den Argwohn hegen, Schnitzler habe im
endung hat selbst Reinhardt in seinen besten Regieleistungen
terisierung der Personen, fehlt,
Grimm über den halben Erfolg seines feinen Dramas „Zwi¬
nicht erreicht. Ueber die einzelnen Darsteller vermag ich nach
begreiflicherweise sehr an innerer
schenspiel“ dem lieben Publikum einmal in aller Eile und recht
dieser ersten Probe kein Urteil zu fällen. Jedenfalls wurde
Tun der Madame Bovary im
deutlich beweisen wollen, daß er nicht nur zarte und stille Dich¬
der Charakter jeder Rolle so energisch herausgebracht, daß auch
motiviert wird, liegt im Drama
tungen, sondern auch grelle und lärmende Theaterstücke schrei¬
der des Russischen Unkundige fast ohne Unterbrechung zu fol¬
Hier wendet sich alle Sympathie
ben könne. Die Handlung dieses neuen Dramas mit ihren
gen imstande war. Den stärksten Eindruck machte Herr
anstößige Wesen der Frau einfach
unwahrscheinlichen, romanhaften Verknotungen und Ver¬
Moskwin in der Titelrolle. Das wohl zur Hälfte aus
mit ungeheuerer Geschwindigkeit v#
knüpfungen, mit ihren gewaltsamen Zufällen und Ueber¬
Russen bestehende Publikum lohnte die Darbietungen mit stür¬
gehetzt durch die dem Thegterdicht
raschungen und ihren knalligen Kulisseneffekten, die flüchtige
seinem Stück die Zeitdauer von 3
mischem, von Bild zu Bild anwachsendem Applaus. Neben
und oberflächliche Zeichnung der dürftig ausgestalteten Cha¬
Die Zwischenzeiten welche in dem
den Hauptdarstellern wurden die Leiter des Theaters, Sta¬
raktere, sowie die saloppe Sprache hindern mich, die Arbeit ernst
intimen Konflikten, den Herzenskäng
nislawski, und der Dramatiker Nemirowitsch¬
zu nehmen. Es ist ein in jeder Hinsicht verunglücktes Werk,
So wird auf diese Weise Madan#
Dantschenko, unzählige Male hervorgerufen.
und man kann nur bedauern, Schnitzler auf diesen Pfaden zu
mindesten eine Frau von sehr lei
Am Sonnabend fand im Lessingtheater eine
finden. — Die Darstellung, mit Irene Triesch als Marie,
I einmal bei der Katastrophe und b#
Schnitzler=Première — die zweite in dieser Saison! —
Hans Marr als altem Moser, Rittner als Forstadjunkt
weil sie unser Mitgefühl und unse
n
statt. Das dreiaktige Schauspiel „Der Ruf des Lebens“
vermochte. Trotzdem wird sich
und Stieler als Max, hielt sich auf einer wenig reizvollen
schildert die schlimmen Erlebnisse eines jungen Mädchens na¬
Pariser Blätter wohl auf der Büh
Mittelhöhe. Die dekorative Ausstattung — feine Interieurs
mens Marie Moser, das, an das Krankenbett eines hoffnungs¬
und auch (oder besonders?) für di
und ein prächtiges Landschaftsbild mit blumenpflückenden Kin¬
los dahinsiechenden, dabei unleiolichen, tyrar ischen und bos¬
oder vergessen haben, verständlich
dern auf grünem Wiesenhügel — war schön und stimmungs¬
haften Vaters gekettet, sich mit glühender Le##enschaft hinaus¬
ist gut, und der Erfolg war zieml
voll. Die beiden ersten, theatralisch recht wirksamen Akte wur¬
sehnt nach ungebändigter Freiheit und wildem Genießen.
den beifällig aufgenommen, zum Schluß aber meldete sich eine
Sie gibt dem braven. hausbackenen Forstadjunkten, der um
kräftige Opposition.
Vermi
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ihretwillen die mannstolle, kleine Katharina verlassen hat, den
Abschied, befördert den Vater vermittelst eines für hundert
B. B. (Von dem int
Ir. „Und Pippa tanzt“ in Petersburg. Wie
Nächte ausreichenden Schlaftrunkes ins Jenseits und cilt, dem
des Kaiserpaares) entwa
uns aus Petersburg berichtet wird, hat dort soeben Gerhart
der Landwirtschaftlichen Hochschu
Rufe des Lebens jolgend, in die Arme ihres heißgeliebten Maz, 1 Hauptmanns neueste Bühnendichtung „Und Pippa tanzt“ ihre jede zur sildernen Hochzeit des
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