19. Der Ruf des Lebens
d von Berlin.
st von der Nutzleere, des Lebens Mannig¬
El ist der Reiz der Gegenwart ... Jene
hten in diesem Stücke, jene fühlen: des
wer diese Gestalten schuf, Gestalten, deren
nie hinauswachsen über eine Eintags¬
as mußte Schnitzler sein.
e und die Mängel des Dichters in gleich¬
in dem Suchen nach des Lebens unend¬
fster Seelenschachte, in der lebenswahren
thicksalen, in der restlosen Verschmelzung
el aber in der ewig=einseitigen Belichtung
nkt einer von den Jahreszeiten noch nicht
solches tun konnte, der mußte wiederum
sein zudem: der mußte Arthur Schnitzler
„Der Ruf des Lebens“ nicht größere und
Aufforderung zu einer Liebesnacht. Aber
fe Folge leisten, Kinder eines Geschlechts,
Wurzeln immer nur im Geschlechtlichen
keben bedeutet. Und die Männer, die da
sind Männer der Resignation, ob nun
wächen kraftentschlossen sterben; die um
i in den Tod gehen und hunderte mit¬
Männer, die angesichts des Todes, über
n mit der anderen, um die kurze Spanne
die vor der Nähe des Todes zittern und
der Blick einer vor Jahren verstorbenen
Männer, die fortziehen in den Krieg,
erwiderte, kurz: Männer, die an Weibe
in, wo eines Weibes Treu oder Untreu,
Füber ein Mannesschicksal entscheidet ...
r, die aus Schwachheit Helden sind und
päterwachten Frauen, die an des letzten
ern, nun da es zu spät ist, sie gehen
reuzen sich vielleicht hier, vielleicht dort;
Abschied oder sie sterben, Einer im Arm
sie sich zu einer nachdenklichen melan¬
en Buche, wo jedes Wort zitternd nach¬
mag paradox klingen, aber dennoch sage
scheitert an der Fülle aufgehäufter Ge¬
ich einen äußeren Faden, die nur durch
n Zusammengehören verwebt sind; Ge¬
lßeren Voraussetzungen sich notwendig so
se Voraussetzungen zu zwingender Wir¬
an zu einem geschlossenen Drama; der
inen Inhalt bei abseits Liegendem; der
og. ein Nachhall der früheren Geschehnisse,
n Rührsamkeit. Durch das Ganze aber
n Sätzen, die müde den Urgrund aller
nd als nachdenkliche Sätze. Und ehe der
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317
Der Roland von Berlin.
Vorhang fällt, da steht eine Schwarzgekleidete, eine Seelengestorbene neben
einer Weißgekleideten, Fleischesgestorbenen. Und draußen auf der Sommer¬
wiese pflücken fröhliche Kinder bunte Blumen und winden sie zu Kränzen ....
Die Schwarzgekleidete ist Irene Triesch, ist das Mädchen, das fort über
Sitte und Verbrechen dem Ruf des Lebens folgt, auf eine Nacht; die nun
weiter wandelte im Halbtraum, in der Erinnerung einzig an jene eine Nacht.
Mich hat Frau Triesch in dieser Rolle nur halb überzeugt, nur halb überzeugt,
weil sie zuviel gab und zu wenig unterließ. Im Nebenzimmer liegt der
Vater, der Sterbende, der Gehaßte. Sie aber, wo sie in ihrer Lebenssehn¬
sucht spricht, greift zum Fortissimo, sucht ihr Element und klagschreit. Da
war ein gut Teil Steigerungsmöglichkeit dahin. Marr, wie bei Keyserling
einen Akt lang sterbend, erklomm mit Wucht einen darstellerischen Gipfel¬
punkt, der ihn den Ersten zugesellt. Im zweiten Akt gab Bassermann den
Oberst. Unbeweglich, starr; und aus Blick und Mundwinkel schuf er einen
Menschen. Einen Eiferer der Sanftmut, einen anspruchslosen Arzt, formte
Reicher mit seiner Meisterschaft im Episodischen, und mit einem Blinzeln zum
Pastoralen. Eine reizlose Seitenrolle nähert Else Lehmanns Herzigkeit der
Teilnahme. Rittner machte aus dem Unmut gegen seine Rolle wenig Hehl.
II.
Die Moskauer ... Welchen Gesichtswinkel es gilt einzustellen: darauf
zuvörderst kommt es hinaus. Es fragt sich, ob diese Russen Werte schaffen, die
hinausgehen über Gewesenes und hinaufwachsen zu Künftigem. Werte, deren
Schaffung ihnen allein eignet. Grob gesagt: es fragt sich, was wir von diesen
Russen profitieren können ... Denn nur zu Gast sind sie bei uns; sie
schwingen Sprachwaffen, mit denen wir nicht zu fechten wissen; und drei
Wochen oder vier, und sie sind fort.
Genau geschaut: Neuwerte bringen sie nicht ... aber eine Synthetisierung,
die wir nicht haben. Die Vorzüge der Brahmbühne und die Vorzüge der
Reinhardtbühne sind hier geeint ... ohne beider Mängel; und ohne beider
Schranken. Der Vorzug der Brahmbühne ist das Ensemble, stark, geschlossen,
gleichwertig (für Ibsen, etwa für Hauptmann, aber nicht weiter). Die
Vorzüge der Reinhardtbühnen sind bühnentechnisches Streben, Ausnützung der
Farbwerte, ein Tasten in Richtung musikalischer Vertiefung, das Wegsuchen
zur neuen Romantik ... Und Brahms Schranken sind sein konservativer
Starrsinn; und als Folge (abseits Bassermann) das Fehlen von Pfadsuchern.
Reinhardts Schranken ist das Fehlen des Ensembles; ist die Zersplitterung
durch das Sich=die=Wegekreuzen der Pfadsucher, junger und alter. Diese
Russen aber finden beider Vorzüge und meiden beider Schranken. Sie haben
das Gleichmaß aller Waffen. Wären sie Deutsche, so wären sie das deutsche.
Theater.
Wären sie Deutsche, am Ende wären sie minder großzügige Darsteller.
Lehrreich bleibt es zuzuschauen, wie des Slawencharakters Schatten sich um¬
schafft zu künstlerischer Leuchtkraft. Der Großrusse scheint faul . .. heimlich
aber glimmt der Funken und glüht und loht. Und diese russischen Schau¬
spieler scheinen faul ... heimlich aber glimmt der Funken und glüht und
loht. Sie halten ihre Arme am Leibe; den Kopf bewegen sie, als trügen sie zeit¬
lebens die Metropolitentiara, unförmig schwer ... heimlich aber glimmt der
Funken und glüht und loht. Kaum daß sie gestikulieren; aber sie bewegen sich.
Kaum daß sie sich bewegen; man möchte sagen: sie werden bewegt ... von
d von Berlin.
st von der Nutzleere, des Lebens Mannig¬
El ist der Reiz der Gegenwart ... Jene
hten in diesem Stücke, jene fühlen: des
wer diese Gestalten schuf, Gestalten, deren
nie hinauswachsen über eine Eintags¬
as mußte Schnitzler sein.
e und die Mängel des Dichters in gleich¬
in dem Suchen nach des Lebens unend¬
fster Seelenschachte, in der lebenswahren
thicksalen, in der restlosen Verschmelzung
el aber in der ewig=einseitigen Belichtung
nkt einer von den Jahreszeiten noch nicht
solches tun konnte, der mußte wiederum
sein zudem: der mußte Arthur Schnitzler
„Der Ruf des Lebens“ nicht größere und
Aufforderung zu einer Liebesnacht. Aber
fe Folge leisten, Kinder eines Geschlechts,
Wurzeln immer nur im Geschlechtlichen
keben bedeutet. Und die Männer, die da
sind Männer der Resignation, ob nun
wächen kraftentschlossen sterben; die um
i in den Tod gehen und hunderte mit¬
Männer, die angesichts des Todes, über
n mit der anderen, um die kurze Spanne
die vor der Nähe des Todes zittern und
der Blick einer vor Jahren verstorbenen
Männer, die fortziehen in den Krieg,
erwiderte, kurz: Männer, die an Weibe
in, wo eines Weibes Treu oder Untreu,
Füber ein Mannesschicksal entscheidet ...
r, die aus Schwachheit Helden sind und
päterwachten Frauen, die an des letzten
ern, nun da es zu spät ist, sie gehen
reuzen sich vielleicht hier, vielleicht dort;
Abschied oder sie sterben, Einer im Arm
sie sich zu einer nachdenklichen melan¬
en Buche, wo jedes Wort zitternd nach¬
mag paradox klingen, aber dennoch sage
scheitert an der Fülle aufgehäufter Ge¬
ich einen äußeren Faden, die nur durch
n Zusammengehören verwebt sind; Ge¬
lßeren Voraussetzungen sich notwendig so
se Voraussetzungen zu zwingender Wir¬
an zu einem geschlossenen Drama; der
inen Inhalt bei abseits Liegendem; der
og. ein Nachhall der früheren Geschehnisse,
n Rührsamkeit. Durch das Ganze aber
n Sätzen, die müde den Urgrund aller
nd als nachdenkliche Sätze. Und ehe der
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Der Roland von Berlin.
Vorhang fällt, da steht eine Schwarzgekleidete, eine Seelengestorbene neben
einer Weißgekleideten, Fleischesgestorbenen. Und draußen auf der Sommer¬
wiese pflücken fröhliche Kinder bunte Blumen und winden sie zu Kränzen ....
Die Schwarzgekleidete ist Irene Triesch, ist das Mädchen, das fort über
Sitte und Verbrechen dem Ruf des Lebens folgt, auf eine Nacht; die nun
weiter wandelte im Halbtraum, in der Erinnerung einzig an jene eine Nacht.
Mich hat Frau Triesch in dieser Rolle nur halb überzeugt, nur halb überzeugt,
weil sie zuviel gab und zu wenig unterließ. Im Nebenzimmer liegt der
Vater, der Sterbende, der Gehaßte. Sie aber, wo sie in ihrer Lebenssehn¬
sucht spricht, greift zum Fortissimo, sucht ihr Element und klagschreit. Da
war ein gut Teil Steigerungsmöglichkeit dahin. Marr, wie bei Keyserling
einen Akt lang sterbend, erklomm mit Wucht einen darstellerischen Gipfel¬
punkt, der ihn den Ersten zugesellt. Im zweiten Akt gab Bassermann den
Oberst. Unbeweglich, starr; und aus Blick und Mundwinkel schuf er einen
Menschen. Einen Eiferer der Sanftmut, einen anspruchslosen Arzt, formte
Reicher mit seiner Meisterschaft im Episodischen, und mit einem Blinzeln zum
Pastoralen. Eine reizlose Seitenrolle nähert Else Lehmanns Herzigkeit der
Teilnahme. Rittner machte aus dem Unmut gegen seine Rolle wenig Hehl.
II.
Die Moskauer ... Welchen Gesichtswinkel es gilt einzustellen: darauf
zuvörderst kommt es hinaus. Es fragt sich, ob diese Russen Werte schaffen, die
hinausgehen über Gewesenes und hinaufwachsen zu Künftigem. Werte, deren
Schaffung ihnen allein eignet. Grob gesagt: es fragt sich, was wir von diesen
Russen profitieren können ... Denn nur zu Gast sind sie bei uns; sie
schwingen Sprachwaffen, mit denen wir nicht zu fechten wissen; und drei
Wochen oder vier, und sie sind fort.
Genau geschaut: Neuwerte bringen sie nicht ... aber eine Synthetisierung,
die wir nicht haben. Die Vorzüge der Brahmbühne und die Vorzüge der
Reinhardtbühne sind hier geeint ... ohne beider Mängel; und ohne beider
Schranken. Der Vorzug der Brahmbühne ist das Ensemble, stark, geschlossen,
gleichwertig (für Ibsen, etwa für Hauptmann, aber nicht weiter). Die
Vorzüge der Reinhardtbühnen sind bühnentechnisches Streben, Ausnützung der
Farbwerte, ein Tasten in Richtung musikalischer Vertiefung, das Wegsuchen
zur neuen Romantik ... Und Brahms Schranken sind sein konservativer
Starrsinn; und als Folge (abseits Bassermann) das Fehlen von Pfadsuchern.
Reinhardts Schranken ist das Fehlen des Ensembles; ist die Zersplitterung
durch das Sich=die=Wegekreuzen der Pfadsucher, junger und alter. Diese
Russen aber finden beider Vorzüge und meiden beider Schranken. Sie haben
das Gleichmaß aller Waffen. Wären sie Deutsche, so wären sie das deutsche.
Theater.
Wären sie Deutsche, am Ende wären sie minder großzügige Darsteller.
Lehrreich bleibt es zuzuschauen, wie des Slawencharakters Schatten sich um¬
schafft zu künstlerischer Leuchtkraft. Der Großrusse scheint faul . .. heimlich
aber glimmt der Funken und glüht und loht. Und diese russischen Schau¬
spieler scheinen faul ... heimlich aber glimmt der Funken und glüht und
loht. Sie halten ihre Arme am Leibe; den Kopf bewegen sie, als trügen sie zeit¬
lebens die Metropolitentiara, unförmig schwer ... heimlich aber glimmt der
Funken und glüht und loht. Kaum daß sie gestikulieren; aber sie bewegen sich.
Kaum daß sie sich bewegen; man möchte sagen: sie werden bewegt ... von