box 24/3
19. Der Ruf des Lebens
K
mur, wenn er frägt aber die Blick, wenn sie sich fort. Oualen bringenden Dasein in
schleicht von ihm, zum Fenster hin, verraten die Wünsche, junger Menschen in den Tod
de. Feuilieton. Bu#
die sich in ihr regen, die Klagen, die nie über ihre Lippen Krieges auf blutgetränkter Wa
—01)
Go
Denn Oesterreich ist in einen
kommen, aber immer an ihrem Herzen nagen.
Böhmisches Schauspiel.
Das alles weiß der alte Mann ganz genau. Er Nachrichten kommen von der
(Stadttheater der Königl. Weinberge. Zum erstenmale: „Zivot
weiß, daß das Leben sie lockt, das Leben, das überall, Stunden, da durch die Str#
volá.“ (Der Ruf des Lebens.) Schauspiel in drei Aufzügen von
nur nicht in dieser kalten düsteren Krankenstube blüht. Schlachtfelde abgehenden Reg
Arth. Schnitzler. Uebersetzt von K. Kaminek. Regie Herr
Eben deshalb will er sie nicht auf einen Augenblick von Adjunkt Reiner in die Wohn
Jirikovsky.)
sich lassen. So lange er lebt, soll sie ihn nicht verlassen. Moser, um Marie seine Hand
In gewitterschwerer Atmosphäre hebt Schnitzlers
Schauspiel an und die düsteren Schatten tragischer Ge= Erst bis er seinen letzten Athemzug getan, soll sie frei wohl die gegenseitigen Bezieh
sein. Marie hätte schon ihr Glück machen können. Zwei merklich kühler geworden,
schehnisse lagern gleich über den ersten Szenen. Wir sind
Männer, beide ihrer würdig, haben ihr ihre Liebe ge= unbeantwortet geblieben sind.
in der einfachen, fast ärmlichen Behausung des gewesenen
standen. Der Forstadjunkt Reiner und der Hausarzt der auf irgend einer kaiserlichen H#
Rittmeisters Moser, der, neunundsiebzig Jahre alt, lang¬
ernannt worden, wird ein he
Familie Dr. Schindler. Sie durfte keinem von ihnen die
sam dahinsiecht in seinem Lehnstuhl, ein böser, verbitterter
Greis, der seine Tochter Marie durch seine morosen Lau= Hand reichen, weder dem Förster, der um ihretwillen sein eigen nennen, wie Marie
nen und Stimmungen quält und ihr nicht einen goldigen seine frühere Geliebte Katharina, eine Verwandte Marias, will daher ihre Entscheidung
Lichtstrahl, nicht einen frohen Augenblick gönnt. Sie pflegt verließ, noch dem Arzte, der sie dringend auffordert, Nicht wegen des Vaters wille
dung einwilligen würde, aber
ihn, erträgt ergeben die bösen Launen des lebensmüden, endlich einen Beschluß zu fassen und aus dem Hause des
kann, nicht angehören darf.
Greises und merkt es gar nicht, daß ihre Jugend rasch Vaters fortzugehen, in dem sie notwendigerweise verkümmern
verblüht, daß ihre Jugend bereits in der Stickluft dieser müßte, und der ihr den Rat erteilt, ihren Weg, wenn es anderem gehört, hat sich jemar
unfreundlichen Stube, in der es nach Arzneien duftet, fast nicht anders möglich wäre, über den Leichnam ihres sie dem Rufe des Lebens folg
schon erstorben ist. Sie liebt den Vater nicht, aber sie hat Vaters zu nehmen. Es genügt, ihm ein paar Tropfen verließ und eine stürmisch ben
mehr von dem Schlafmittel zu reichen, das den Schlummer saale verlebte, in den Arm
micht den Mut, die Bande, die sie an ihn fesseln, zu sprengen
auf seine Lider zaubern soll, und der greise Mann wird blauen Kürassieren, die soeben
kund ihrem Glück nachzugehen, ihrer Sehnsucht zu folgen. Und
nicht mehr ihrem Glück im Wege stehen. Es ist ein ver= Tod reiten.
sie klagt nicht. Auch ihre verstorbene Mutter klagte nicht,
Sie reiten in den Tod#
zweifeltes, ein verbrecherisches Mittel, aber es ist das
obwohl auch sie sich an der Seite des schweigsamen, un¬
sühnen, die nicht ihre Schuld
einzige, das es gibt. Sonst kann dieses qualvolle würgende
freundlichen Mannes nicht glüclich fühlte, der stets müde
von seiner Schreiberei nach Hause kam aus dem Amt, wo Dasein noch lange Jahre dauern, denn das Leiden des Schmach bedeckte. Die blauen
er sich um die paar lumpigen Gulden plagte, die er drin= Greises ist nicht von der Art, daß der Tod unmittelbarf daran, daß der Feind vor dre
gend brauchte, denn die Pension reichte nicht, um die Fa= bevorstünde. Es ist ein sonderbarer Rat, den Dr. Schindler Lindbach gewann. Denn dama
milie zu ernähren. Wie stumm saß sie mit ihrer Tochter dem Mädchen erteilt, und berührt doppelt peinlich, weil ergriffen. Das schändlichste
es ein Arzt, der Hausarzt des alten Rittmeisters ist, der Kriegsmann schuldig machen i#
da, als er heimkam. Nicht ein Vorwurf, nicht ein Wort
der Klage kam über ihre Lippen, aber umso mehr empfand ihn da bietet. Aber Dr. Schindler weiß, wie namenlos durch den Tod gesühnt werd
er, wie sie ihn hassen, wie sie ihm die Schuld daran zu=Marie leidet und sie dauert ihn. Was liegt an diesem zur dem Kaiser versprochen. Kein
schreiben, daß ihr Leben verpfuscht ist. Gerade so ist es Neige gehenden Leben, das niemandem Nutzen bringen kann? zurückkehren. Sie werden sich
Was liegt an einem kümmerlichen, qualvollen und sie werden Wunder an Tapfer
mit Marie. Stundenlang sitzt sie stumm neben ihm, spricht
19. Der Ruf des Lebens
K
mur, wenn er frägt aber die Blick, wenn sie sich fort. Oualen bringenden Dasein in
schleicht von ihm, zum Fenster hin, verraten die Wünsche, junger Menschen in den Tod
de. Feuilieton. Bu#
die sich in ihr regen, die Klagen, die nie über ihre Lippen Krieges auf blutgetränkter Wa
—01)
Go
Denn Oesterreich ist in einen
kommen, aber immer an ihrem Herzen nagen.
Böhmisches Schauspiel.
Das alles weiß der alte Mann ganz genau. Er Nachrichten kommen von der
(Stadttheater der Königl. Weinberge. Zum erstenmale: „Zivot
weiß, daß das Leben sie lockt, das Leben, das überall, Stunden, da durch die Str#
volá.“ (Der Ruf des Lebens.) Schauspiel in drei Aufzügen von
nur nicht in dieser kalten düsteren Krankenstube blüht. Schlachtfelde abgehenden Reg
Arth. Schnitzler. Uebersetzt von K. Kaminek. Regie Herr
Eben deshalb will er sie nicht auf einen Augenblick von Adjunkt Reiner in die Wohn
Jirikovsky.)
sich lassen. So lange er lebt, soll sie ihn nicht verlassen. Moser, um Marie seine Hand
In gewitterschwerer Atmosphäre hebt Schnitzlers
Schauspiel an und die düsteren Schatten tragischer Ge= Erst bis er seinen letzten Athemzug getan, soll sie frei wohl die gegenseitigen Bezieh
sein. Marie hätte schon ihr Glück machen können. Zwei merklich kühler geworden,
schehnisse lagern gleich über den ersten Szenen. Wir sind
Männer, beide ihrer würdig, haben ihr ihre Liebe ge= unbeantwortet geblieben sind.
in der einfachen, fast ärmlichen Behausung des gewesenen
standen. Der Forstadjunkt Reiner und der Hausarzt der auf irgend einer kaiserlichen H#
Rittmeisters Moser, der, neunundsiebzig Jahre alt, lang¬
ernannt worden, wird ein he
Familie Dr. Schindler. Sie durfte keinem von ihnen die
sam dahinsiecht in seinem Lehnstuhl, ein böser, verbitterter
Greis, der seine Tochter Marie durch seine morosen Lau= Hand reichen, weder dem Förster, der um ihretwillen sein eigen nennen, wie Marie
nen und Stimmungen quält und ihr nicht einen goldigen seine frühere Geliebte Katharina, eine Verwandte Marias, will daher ihre Entscheidung
Lichtstrahl, nicht einen frohen Augenblick gönnt. Sie pflegt verließ, noch dem Arzte, der sie dringend auffordert, Nicht wegen des Vaters wille
dung einwilligen würde, aber
ihn, erträgt ergeben die bösen Launen des lebensmüden, endlich einen Beschluß zu fassen und aus dem Hause des
kann, nicht angehören darf.
Greises und merkt es gar nicht, daß ihre Jugend rasch Vaters fortzugehen, in dem sie notwendigerweise verkümmern
verblüht, daß ihre Jugend bereits in der Stickluft dieser müßte, und der ihr den Rat erteilt, ihren Weg, wenn es anderem gehört, hat sich jemar
unfreundlichen Stube, in der es nach Arzneien duftet, fast nicht anders möglich wäre, über den Leichnam ihres sie dem Rufe des Lebens folg
schon erstorben ist. Sie liebt den Vater nicht, aber sie hat Vaters zu nehmen. Es genügt, ihm ein paar Tropfen verließ und eine stürmisch ben
mehr von dem Schlafmittel zu reichen, das den Schlummer saale verlebte, in den Arm
micht den Mut, die Bande, die sie an ihn fesseln, zu sprengen
auf seine Lider zaubern soll, und der greise Mann wird blauen Kürassieren, die soeben
kund ihrem Glück nachzugehen, ihrer Sehnsucht zu folgen. Und
nicht mehr ihrem Glück im Wege stehen. Es ist ein ver= Tod reiten.
sie klagt nicht. Auch ihre verstorbene Mutter klagte nicht,
Sie reiten in den Tod#
zweifeltes, ein verbrecherisches Mittel, aber es ist das
obwohl auch sie sich an der Seite des schweigsamen, un¬
sühnen, die nicht ihre Schuld
einzige, das es gibt. Sonst kann dieses qualvolle würgende
freundlichen Mannes nicht glüclich fühlte, der stets müde
von seiner Schreiberei nach Hause kam aus dem Amt, wo Dasein noch lange Jahre dauern, denn das Leiden des Schmach bedeckte. Die blauen
er sich um die paar lumpigen Gulden plagte, die er drin= Greises ist nicht von der Art, daß der Tod unmittelbarf daran, daß der Feind vor dre
gend brauchte, denn die Pension reichte nicht, um die Fa= bevorstünde. Es ist ein sonderbarer Rat, den Dr. Schindler Lindbach gewann. Denn dama
milie zu ernähren. Wie stumm saß sie mit ihrer Tochter dem Mädchen erteilt, und berührt doppelt peinlich, weil ergriffen. Das schändlichste
es ein Arzt, der Hausarzt des alten Rittmeisters ist, der Kriegsmann schuldig machen i#
da, als er heimkam. Nicht ein Vorwurf, nicht ein Wort
der Klage kam über ihre Lippen, aber umso mehr empfand ihn da bietet. Aber Dr. Schindler weiß, wie namenlos durch den Tod gesühnt werd
er, wie sie ihn hassen, wie sie ihm die Schuld daran zu=Marie leidet und sie dauert ihn. Was liegt an diesem zur dem Kaiser versprochen. Kein
schreiben, daß ihr Leben verpfuscht ist. Gerade so ist es Neige gehenden Leben, das niemandem Nutzen bringen kann? zurückkehren. Sie werden sich
Was liegt an einem kümmerlichen, qualvollen und sie werden Wunder an Tapfer
mit Marie. Stundenlang sitzt sie stumm neben ihm, spricht