II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 264

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19. Der Ruf des Lebens
Telephon 12.801.
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— „OSSEHVEN
# österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
nagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork.
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quclienangabe ohne Gewühr).
Ausschnitt aus Wiener Montags Journal, Wien
vom:
K
Kunst und Literatur.
(Deutches Volkstheater.) „Der Ruf des Lebens“ nennt
Schnitzler sein Schauspiel und führt uns einen bösen Traum
vor, der mit einem Vatermord einer Tochter beginnt, mit
einem Gattenmord fortsetzt und mit einem Selbstmord aus
Lust endet. Abgrundtiefe Grübelei spricht aus den aufgestell¬
ten Dogmen, die man nach Wert und Logik nicht prüfen darf,
ohne zu einem argen Defizit zu kommen.
Die ganze, mit
schauerlichem Pathos und todesfarbenen Grabestönen erzählte
Geschichte klingt wie eine Bürgersche Ballade, nicht wie das
Stück eines angeblich Modernen. Das soll der Ruf des Lebens
sein, daß eine Tochter ihren Vater mordet, um zum Geliebten
zu kommen? Daß der Offizier von der frischen Leiche der
ermordeten Geliebten ins Brautbett einer andern steigt, die
kleine verlassene Geliebte sich absichtlich zu Tode „liebt“. Mich
will bedünken, Herr Schnitzler sei auf dem Sprunge, ein Todes¬
geck zu werden. Wenigstens pflegen in dem Milien, in dem
der Dichter jahraus, jahrein lebt, mitten im Glanz einer
reichen Familie, von allem Luxus umgeben, verhätschelt von
der Gesellschaft, in der er lebt, solche Anschauungen nicht auf¬
zublühen. Entweder der Dichter affektiert diese abgrundtiefe
Abschen vor dem Leben, oder er hat die Sammlungen düsterer
Stunden zu einem Traumbild vereinigt, mit dem er uns den
Ruf des Lebens also „vermiesen“ will. Seinen formenschönen
Gedanken spenden wir gerne Beifall, aber zu dem Ganzen ge¬
hört doch nur das beruhmte Wort des Kalchas: „Ramts mir
die Leichen weg ...
Und die Berliner hatten recht, da ihnen
das Stück gar nicht gefiel und unsere Kritik ist einfach feig,
sie mit höflichen Windungen um diese Wahrheit herum¬
kraucht... Was nützt die beste Darstellung solchen Stücken!
Frl. Hannemann weiß die edlen Linien ihrer regelmäßigen
Schönheit auch in ihr Spiel zu verlegen, ihr Talent für die
klassische Pose reift, sichtlich heran. Frl. Müller verkörpert
die rührende Sünde mit ihrem kinderfrohen Organ erschütternd,
Herr Homma spielt den bösen Vater, Her Kutschera
den guten Arzt, Herr Kramer den frischen Leutnant und
Herr Weisse den kalten Obersten sehr gut. Sie sind aber
alle so widersinnig, daß man auch dem besten Spiel nicht
glaubt! Wann ließe wohl ein Arzt tödliche Schlafmittel in
der Hand von Laien, wie kann ein Arzt die Potenz eines
Mannes bei frischem Leichenblut dozieren ...! Die Aerzte
werden sagen, Herr Schnitzler sei ein guter Dichter und die
Dichter,
— na, die werden auf die nächste Korrektur warten...
e esschn
„UBSEHTER
# österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quelienangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus:
ggru- u Montags-Gourzer,
vom 1JBEL1505
Theater und Kunst.
Deutsches Volkstheater. „Der Ruf des Lebens.“
Schauspiel in drei Aufzügen von Artur Schnitzler.
Vor drei Jahren hat Schnitzlers jüngstes Werk
in Berlin das Licht der Welt erblickt und drei volle
Jahre mußten vergehen, ehe es den Weg in seine Hei¬
mat fand. Es war der Weg zum Leben. In der Fremde
ist es ihm nicht wohl ergangen, die Berliner sahen nur
das Theaterstück und dieses hat ihnen mißfallen, da¬
heim aber wurde es liebevoll empfangen, die Wiener
haben ihren Dichter verstanden. Es ist ein starkes
Stück, ein Stück mit krassen Effekten, und doch keines
von jenen, die mit äußerlicher Pose, mit leerer Thea¬
tralik ihren Knoten schürzen. Nicht an der Oberfläche
liegt der Gedanke, er durchdringt das ganze Stück, jede
einzelne Person. Nicht nur Marie, die von ihrem alten
kranken Vater in selbstsüchtiger Mißgunst in dumpfer
Stube verspert gehalten wird, wohin kein Strahl des
lichten Lebens dringt, wo sie dahinwelken muß, ohne
zu erfahren, was Freude, was Glück ist, nicht nur ihr
gellt der Ruf des Lebens so überlaut, daß sie dem Va¬
ter Gift gibt, um nur einmal in des Geliebten Arme zu
eilen, ehe es zu spät. Auch alle die Anderen lockt der Ruf,
bald laut, bald leise. Die kleine Katharina, die dem
Tode verfallen ist, wie ihre beiden Schwestern, stürzt
sich blindlings in den tollen Strudel, um dann, wenn
das letzte Stündlein kommt, nicht trauern zu müssen,
daß sie nie gelebt. Da sind die blauen Kürassiere deren
Regiment vor dreißig Jahren durch feige Flucht die
Schlacht verloren hat und die einander nun zugeschwo¬
ren haben, die Schmach ihrer Vorgänger zu tilgen, in
die vorderste Reihe zu treten und allesamt im Kampfe
zu sterben. Die Lust zu leben aber schreit in ihnen auf,
Albrecht eifert gegen das Schicksal, das sie unschuldig
büßen läßt, Max, der seinem Obersten die Frau gestoh¬
len, will nun zur Sühne in den Tod gehen, die Lockun¬
gen der Geliebten können ihn nicht wankend machen,
als aber Marie vor ihn tritt und mit ihr das Leben, da
stürmt er über die Leiche jener Frau mit ihr zu einer
letzten Liebesnacht. Des Obersten Leben aber ist der
Tod. Als er vor dreißig Jahren, ein junger Bursche
noch, in die Reihen der Krieger trat, da wurde eben
Frieden geschlossen, man hatte ihm vor seinem Lebens¬
wege die Thüre zugeschlagen. Dreißig Jahre mußte er
das als Spiel treiben, was ihm heiliger Ernst war.
Nun ist die Gelegenheit da. Ein neuer Krieg ist ausge¬
brochen und durch den Schwur der Offiziere sorgt er
dafür, daß er endlich im ersehnten Waffentanze stehen
werde. Vielleicht auch sucht er den Tod, weil ihn sein
junges Weib betrogen. Ihrem Verlangen nach Leben
macht er vorher durch einen raschen Schuß ein Ende.
Den stillen Forstadjunkten lockt das Leben in stillem
Jagdhaus am dunklen See, er wirft Katharina weg,
weil es in ihm nach Marie noch lauter ruft. Auch der
bejahrte Doktor Schindler fühlt ein Sehnen nach einem
andern Leben, als er bisher gelebt, in den Wechselfällen
des Krieges hofft er es zu finden, er wird Feldarzt. Er
denkt aber nicht nur an sich, er zeigt dem Forstadjunk¬
ten, zeigt Marie den Weg zum Leben, und als diese ent¬
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