II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 289

ere e. eeeeeeneen
fare Mesterschlit.
wirdig, in denen die gräusige Stimme d#r altnordischen
Ihre Stellung als Lehrerin hatte sie nach dem Erfolg
Sage ertönt oder die weiche Melodie einer lieblichen Idylle
von Gösta Berling aufgegeben; ihr ganz von den Bildern
einen alltäglichen Vorgang umspielt. Wie ursprünglich
der Heimat erfülltes und doch nach Märchenfernen sehn¬
groß die Phantasic dieser Frau ist, wie sie sich hineinver¬
süchtiges Gemüt verlangte in die Fremde, und der größte
senten kann in die Mord= und Blutstimmung der Vorzeit,
Gegensatz zog sie an, die Schönheit des Südens, die My¬
das zeigt zum Beispiel ihre Erzählung „Herrn Arnes
stit des Orients. Aber auch vor den Werken italienischer
Schatz“, in der der schrille Ton des Mordmessers, das zur
Kunst, in der üppigen Sonnenhelle Siziliens, an den ge¬
Untat gewetzt wird, beständig leitmotivisch anklingt und
heiligten Stätten Jerusalems vergaß sie die heimliche
das Verbrechen allmählich in gräßlicher Deutlichkeit vor
Nebelstimmung des Nordens nicht. Nach ihren Reisen
uns aufwächst. Und daneben dente man an das herrliche
hat sie sich wieder in einer schwedischen Provinzstadt nie¬
Kinderbuch, das, in den letzten Lahren geschaffen, an die
dergelassen, in der alten Bergwerkstadt Falun, die der
„wunderbare Reise des kleinen nie Holgersson“, der mit
Schauplatz so vieler Sagen und Geschichten ist, in der
den Wildgänsen ausziehi auf metinrdige Abenteuer, an
Hauptstadt des urschwedischen Dalekarlien, und die Erleb¬
diese schönste Dichtung, die moht ein moderner Poet der
nisse der fremden, wundersomen Gegenden vereinten sich
1 Jugend geschenkt hat und in der man die Kindlichkeit. An¬
mit ihrer tiefen Liebe zum Vaterland in der Synthese
dersens, mit einer klugen Weltweiehei vereint, findet. Es
ihres großartigsten Romans „Jerusalem". Vorher hat sie
scheint, als ob in der Seele Selma Lagerlöfs mannigfache
im „A#christ“ den stärksten Gegensatz zu ihrem Hymnus
Wesen ihrer vaterländischen Vergangenbeit lebendig gewor¬
auf Schwedens Schönheit angeschlagen und die klassische
den sind, etwas vom Skalden und eiwas vom Wikinger:
Landschaft Siziliens zum Rahmen einer tiefsinnigen Er¬
die männlichsten Elemente leben in ihr, aber im Grunde
zählung gewählt. Signorellis Fresken in Orvieto, die den
ist es doch die Güte und Herzensstärted#r Frau, die ihren
Ernst und das Grausen des Jüngsten Gerichtes so er¬
Dr. P. 2.
Dichten die persönlichste Note gile.
schütternd malen, erweckten in ihr den Plan, die Wunder
des Antichrist in der Gegenwart aufleben zu lassen und

mit der sosialen Frage zu vekbinden. Aber ihre Phautasie
hob alles empor aus der nüchternen Wirklichkeit in die
romantische Traümhelle der Wunderstadt Diamante, über¬
„Der Ruf des Leitens“ von Artur
goß alles mit Purpur, Gold und Azur. Und doch ist diese
schönheitstrunkene Schilderung ewigen Himmelbläus und
Schnitzler in Berlin, Prag und Wien.
üppiger Fruchtbarkeit der sehnsüchtige Lobgesang eines
Wiener Theaterbrief von Withelm v. Wymetal.
Nordländers, der seine eigene Mysterien- und Märchen
Das Leben ruft, winkt, lockt. Hütet euch, seinen Ruf zu
stimmung hineinträgt in die klare Heiterkeit der antiken
überhören! „Zu spät“ klingt furchtbarer als „niemals“. Das
Landschaft, der die Sonnenhelle durch den Schleier einer
Leben ist so kurz. Und nur die sich an viel zu erinnern haben,
dunklen Schwärmerei dämpft. Das ewige Sinnen und
schlafen ruhig in der Erde, die andern flattern und klagen
Trachten der germanischen Seele nach wunderbaren Wei¬
über der Erde umher. Darum nütze die jungen Tage, hör'
ten lebt sich aus in diesem Lobgesang auf des Südens
auf den Ruf des Lebens! Wo aber erklingt dieser Ruf am
Herrlichkeit, und sie hat diesen tief innerlichen Drang ob¬
hellsten, am lautesten? Woher? Ach, es gilt gleich, wo und
jektiv in der Schilderung der schwedischen Bauern gestal¬
woher der Ruf ertönt, sofern du ihm nur folgst. Mag der
tet, die aus schwerer Seelennot heraus nach dem gelobten
Ruf des Lebens aus dunkeln Abenteuern klingen, von Krieg
Lande ziehen. Dieser Roman „Jerusalem“ an Größe der
und Mord und Haß und Liebe, oder mag er, reiner und
Komposition und Inbrunst des Erlebens noch über der
tiefer, aus kühlen Tannenwäldern und vom schwerblauen
Gösta Berling-Saga stehend, ist eine gewaltige Epopoc, in
der die Dichterin grandiose Töne der Tragik findet und Sommerhimmel schallen, hört mir den Ruf und verliegt euch
nicht!
eine monumentale Schilderungskunst entfaltet. Besonders
Die Moser=Marie ist nahe daran, die Stunde zu ver¬
der erste Teil ist recht eigentlich der Roman des schwedi¬
schen Bauern, dessen Seele sich am tiefsten in seinen reli= [säumen, die nie wiederkehrt. Sie ist schon sechsundzwanzig
Jahre alt und muß ihr Leben am Bett eines neunundsiebzig¬
giösen Anschauungen offenbart. Ein historischer Vorgang,
jährigen, kranken, sekkanten alten Vaters vertrauern, der sie,
das Auftreten des seltsamen Propheten Erik Jansson in
seine einzige Pflegerin, keine Stunde aus dem Haus lassen
Dalekarlien und die Auswanderung einer ganzen Schar
will. Marie hat schon fast resigniert. Der Arzt, der ihren
von Bauern nach Palästina, gaben den Ausgangspunkt.
Vater behandelt, liebt sie, ein F## djunkt, der im Haus
Die Dichterin führt uns mitten hinein in die enge, düstere,
verkehrt, liebt sie gleichfalls und sie hat diese Liebe sogar
leidenschaftliche wilde und ertatisch erregte Welt der
ein wenig erwidert, dann ist der Leutnant Max gekommen
Bauern, indem sie die Geschichte eines Geschlechts, der
von den blauen Kürassieren, den Marie auf ihrem einzigen
Ingmarsöhne, darstellt. Aus tiefer Not und felsenfestem
Ball kennen gelernt und mit dem sie im Innersten sofort
Glauben erwächst diesen Menschen notwendig das lockende
Verheitungswort: Jerusalem. Wie sich nun aus diesem die Liebe auf den ersten Blick vereint hat; allen aber ent¬
sagte sie um des lieblosen, boshaften Vaters willen, der un¬
einen Teil die ganze Bewegung entfaltet, wie sich die
heilbar krank ist, dessen Leiden jedoch noch viele Jahre
Schwärmerei zu immer wilderer Extafe entwickelt und
währen kann. Allein in einer Nacht ertönt der Ruf des
endlich zur Lawine anwächst, das wird in dem ersten Band
Lebens dicht vor Mariens Tür, „so lockend und laut, als
von „Jerusalem“ geschildert. Vor dem Seherblick der Er¬
wartete das Leben selbst, das ersehnte, das herrliche, drau¬
weckten verschwindet die ärmliche Heimat, und die Weite
ßen vor der Tür — und warteie nur in dieser einen Nacht
der ganzen Welt lut sich vor ihnen auf, die unendliche lockende
... und niemals wieder.“ Es ist die Nacht vor dem Mor¬
Ferne des Meeres, die Pforte des heiligen Zion; mit dem
gen, an dem die blauen Kürassiere in den Krieg ziehen, in
Auszug nach Jerusalem schließt der erste Teil in einem
den sicheren Tod ziehen. So haben sich's nämlich die Offi¬
ergreifenden Finale ab.
ziere des Regiments zugeschworen: keiner soll lebend zurück¬
Die dichterische Schönheit dieses Werkes ist von einer
kommen, damit eine alte Schande des Regimentes getilgt
einsachen Klarheit, von einer überzeugenden Kraft, die
werde, das vor dreißig Jahren durch vorzeitige Flucht den
jedes übermaß des Gefühls und der Worte vermeidet. Die
Verlust einer Schlacht verschuldet hat. .. Auf jenem Ball¬
beiden Tonarten, über die Selma Lagerlöf als Meisterin
hat Marie dem Leutnant Max versprochen, zu ihm zu kom¬
gebietet, der unruhig schwere, andeutende Balladenton und
men. Sie hat dies leicht gegebene Versprechen nicht gehal¬
die einfach kindliche Märchenbuntheit, haben ihre Wir¬
ten. Jetzt will sie zu ihm, hinweg über ihres Vaters Leiche,
kungen miteinander vereinigt, um einen ganz neuen Stil
dem sie, ein zweites Gretchen, so viel Schlaftrank ins Was¬
hervorzubringen. Schon im zweiten Teil von „Jerusalem",
ser träufelt, daß er nie wieder erwacht. Sie stürzt in die
der ins heilige Land führt und das Schicksal der dalekar¬
Kaserne, findet Marens Zimmer leer und offen und schlüpft
lischen Bauern in dem fremdartigen Milien des Morgen¬
hinter einen Vorhang. in einen Alkoven. Da drinnen erlebt
landes darstellt, versagt bisweilen die Kraft und eine ver¬
sie als Zuschauerin ##are Singe. Mar erscheint, ge¬
schwimmende Weichheit tritt an die Stelle der großen
Konturen. Das biblische Pathos und die energische Wucht! meinsam mit seiner leiten Geliebten Irene, der Frau seines