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19. Der Ruf des Lebens
Telephon 12.801l
Da
„ODSLIVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco. Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ehne Gewäls).
Ausschnitt aus:
Wiener Hausfrauen Zeitung, Wien
S
vom: 19011.1909
vertröstet, wenn sie den Ruf des Lebens einmal reiner und tiefer er¬
Kleine Theaterplandereien.
fassen sollte. Das Stück hat eine ungemein gute Darstellungg
Wien, 17. Dezember 1909.
gefunden, und das Publikum kargte trotz der vielen Unwahr¬
scheinlichkeiten nicht mit Beifall. Im Gegenteil, der Erfolg des Schau¬
Das Deutsche Volkstheater hatte vorigen Samstag wieder einmal
spieles war ein unbestrittener, und außer Schnitzler haben die Künstler
eine Sensations=Première! Artur Schnitzler stand auf dem Theater¬
Kramer, Homma, Kutschera, Weisse sowie die Damen Hannemann,
zettel als Verfasser des Schauspieles „Der Ruf des Lebens“ und nur
Müller, Marberg hieran ihren reblichen Autell¬
wenig Glücklichen war es vergönnt, sich einen Sitz ohne Bezahlung eines
hohen Agios zu erobern. Das Publikum aber, das dieses Kind aus der
Taufe hob, kam ganz auf seine Rechnung, denn Liebe und Mord, diese
beiden größten Tragbalken des Masseninteresses, standen auf der Tages¬
ordnung. Schnitzler verwebt die beiden Motive wie folgt: Das Regiment
der blauen Kürassiere, das einstmals durch die Flucht vor dem Feinde
sich mit Schande beladen, zieht in den Krieg, diesmal dem sicheren
Tode entgegen. Um die damalige Tat zu fühnen, hat die ganze Mann¬
schaft den Schwur geleistet, sich auf eine solche Schlachtstätte zu stellen,
von der es keine Wiederkehr gibt. Mit zwei Leutnants dieses todge¬
weihten Regiments haben in einer Faschingsnacht Marie und Katharina
getanzt und beide haben hiebei ihr Herz verloren. Katharina hat sich
ihre Liebe ganz hingegeben, Marie jedoch muß einen kranken, alten
Vater pflegen, der die Tochter nicht aus dem Hause und den Angen läßt.
Ihr Haß gegen den väterlichen Tyrannen lodert nun, da sie weiß, daß
der Geliebte in den sicheren Tod zieht, mächtig empor, und da sich
ihr der Vater, der als erster damals die Flucht des Regiments veranlaßt
hat, in den Weg stellt, schüttet sie statt zehn Tropfen den ganzen Inhalt
eines Schlafmittels ins Wasser. Er trinkt und stirbt. Dieses war der
erste Todesstreich, doch der zweite folgt sogleich. An der Leiche des
Vaters vorbei, eilt Marie, dem „Rufe des Lebens“ folgend, direkt in
die Kaserne. Doch sie trifft den Geliebten nicht allein. Die Frau des
Obersten ist bei ihm und, hinter einem Vorhang stehend, ist sie Zeuge
einer Liebesszene, die erst durch den Eintritt des Ehemannes ein Ende
findet, welcher die ungetreue Gattin auf der Stelle niederknallt. Dieses
war der zweite Todesstreich, doch der dritte folgt sogleich. Der zurück¬
gebliebene Offizier will nun die Pistole an die eigene Brust setzen, als
Marie aus ihrem Versteck hervortritt. Und trotz der beiden Leichen hält
sie nun den Geliebten in ihren Armen; der Ruf des Lebens hat alles
andere übertönt. Am nächsten Tage allerdings ist auch der Offizier nicht
mehr unter den Lebenden. Dieses war der dritte Todesstreich.
Marie zieht Trauerkleider an und übersiedelt zu ihrer Tante, der Mutter
jener Katharina, die nach ihrer ersten Liebe sich dem Rufe des Lebens
ganz hingegeben und nun, schwindsüchtig geworden, ebenfalls heimkehrt,
Marie aber findet
um ruhig zu sterben. Der vierte Todesstreich.
in dem sonnigen Frieden dieser Gegend Genesung und ist reif für die
milde Weisheit des Arztes, der sie noch auf einen Platz an der Sonne
19. Der Ruf des Lebens
Telephon 12.801l
Da
„ODSLIVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco. Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ehne Gewäls).
Ausschnitt aus:
Wiener Hausfrauen Zeitung, Wien
S
vom: 19011.1909
vertröstet, wenn sie den Ruf des Lebens einmal reiner und tiefer er¬
Kleine Theaterplandereien.
fassen sollte. Das Stück hat eine ungemein gute Darstellungg
Wien, 17. Dezember 1909.
gefunden, und das Publikum kargte trotz der vielen Unwahr¬
scheinlichkeiten nicht mit Beifall. Im Gegenteil, der Erfolg des Schau¬
Das Deutsche Volkstheater hatte vorigen Samstag wieder einmal
spieles war ein unbestrittener, und außer Schnitzler haben die Künstler
eine Sensations=Première! Artur Schnitzler stand auf dem Theater¬
Kramer, Homma, Kutschera, Weisse sowie die Damen Hannemann,
zettel als Verfasser des Schauspieles „Der Ruf des Lebens“ und nur
Müller, Marberg hieran ihren reblichen Autell¬
wenig Glücklichen war es vergönnt, sich einen Sitz ohne Bezahlung eines
hohen Agios zu erobern. Das Publikum aber, das dieses Kind aus der
Taufe hob, kam ganz auf seine Rechnung, denn Liebe und Mord, diese
beiden größten Tragbalken des Masseninteresses, standen auf der Tages¬
ordnung. Schnitzler verwebt die beiden Motive wie folgt: Das Regiment
der blauen Kürassiere, das einstmals durch die Flucht vor dem Feinde
sich mit Schande beladen, zieht in den Krieg, diesmal dem sicheren
Tode entgegen. Um die damalige Tat zu fühnen, hat die ganze Mann¬
schaft den Schwur geleistet, sich auf eine solche Schlachtstätte zu stellen,
von der es keine Wiederkehr gibt. Mit zwei Leutnants dieses todge¬
weihten Regiments haben in einer Faschingsnacht Marie und Katharina
getanzt und beide haben hiebei ihr Herz verloren. Katharina hat sich
ihre Liebe ganz hingegeben, Marie jedoch muß einen kranken, alten
Vater pflegen, der die Tochter nicht aus dem Hause und den Angen läßt.
Ihr Haß gegen den väterlichen Tyrannen lodert nun, da sie weiß, daß
der Geliebte in den sicheren Tod zieht, mächtig empor, und da sich
ihr der Vater, der als erster damals die Flucht des Regiments veranlaßt
hat, in den Weg stellt, schüttet sie statt zehn Tropfen den ganzen Inhalt
eines Schlafmittels ins Wasser. Er trinkt und stirbt. Dieses war der
erste Todesstreich, doch der zweite folgt sogleich. An der Leiche des
Vaters vorbei, eilt Marie, dem „Rufe des Lebens“ folgend, direkt in
die Kaserne. Doch sie trifft den Geliebten nicht allein. Die Frau des
Obersten ist bei ihm und, hinter einem Vorhang stehend, ist sie Zeuge
einer Liebesszene, die erst durch den Eintritt des Ehemannes ein Ende
findet, welcher die ungetreue Gattin auf der Stelle niederknallt. Dieses
war der zweite Todesstreich, doch der dritte folgt sogleich. Der zurück¬
gebliebene Offizier will nun die Pistole an die eigene Brust setzen, als
Marie aus ihrem Versteck hervortritt. Und trotz der beiden Leichen hält
sie nun den Geliebten in ihren Armen; der Ruf des Lebens hat alles
andere übertönt. Am nächsten Tage allerdings ist auch der Offizier nicht
mehr unter den Lebenden. Dieses war der dritte Todesstreich.
Marie zieht Trauerkleider an und übersiedelt zu ihrer Tante, der Mutter
jener Katharina, die nach ihrer ersten Liebe sich dem Rufe des Lebens
ganz hingegeben und nun, schwindsüchtig geworden, ebenfalls heimkehrt,
Marie aber findet
um ruhig zu sterben. Der vierte Todesstreich.
in dem sonnigen Frieden dieser Gegend Genesung und ist reif für die
milde Weisheit des Arztes, der sie noch auf einen Platz an der Sonne