II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 298

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19. Der Ruf es Lebens
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kein Streben nach Anderssein? Das Leben ein eigener, höchster
Zweck!
Das Stück ist polyphonisch, aber keine Komposition. Als
Drama sehr mangelhaft, sogar unkünstlerisch. Denn es ist theatra¬
lisch. In drei Akten zwei Morde, zwei Selbstmorde, das ist etwas
zu viel. Auch die Gestalten sind schemenhaft, symbolisch, mangel¬
haft gezeichnet. Es ist kein Drama. Geht über diese Kunstart
hinaus. Schnitzler hat sich selten in das Drama hineinfinden
können. Denn er ist kein Nur=Dichter, Gestalter, Plastiker, sondern
ein Erleber, Lauscher, Selbstbelauscher. Und gerade deshalb macht
dieses Stück einen tiefen, starken, nachhaltigen Eindruck. Und des¬
halb vibrieren noch lange die Nerven. Die Sehnsucht erwacht. —
Das Spiel war nicht immer dem Stück adäquat. Wohl am besten
spielten Herr Kutschera (Doktor Schindler) und Kathi Thaller
(Frau Richter). Es war Stimmung in ihrem Spiel, die Stimmung
dieses Dramas. Bei den anderen oft zu viel Pathos, zu viel
Theatralik. Doch ist es nicht der Grundfehler des Stückes selbst? ...
Dr. A. Cor.
(Nachdruck verboten.)
Das Tied vom Jalken.
Das Meer schlummert.
Gewaltig groß, atmet es träge hier an der Küste — fast wie
eingeschlummert und unbeweglich bis in die weiteste, schimmernde Ferne.
Dort, weit drüben mit dem dunkelblauen Himmel verschmolzen, strahlt
es das durchsichtige Gewebe der Wolken wider. Es scheint, als ob der
Himmel immer tiefer zum Meer herabsänke, um zu vernehmen, was die
unermüdlichen Wellen flüstern, die zum Ufer wie schlaftrunken hinan¬
klimmen.
Die Berge haben ihre Gipfel in den blauen Himmel emporgehoben,
und ihre strengen Umrisse sind nun sanfter geworden unter dem warmen,
kosenden Dunst der südlichen Nacht.
Sie senden schwarze Schatten zu
Die Berge sind träumerisch.
den Wellen hinab, als wollten sie das geschwätzige Wasser zur Ruhe
bringen.
A — ala — ach — a — akbar! ... seufzt still Nadi¬
Rahim=Ogly, ein alter Krimscher Schafhirt, ein immer in Moll ge¬
stimmter, sonnverbrannter, magerer alter Mann.
Wir liegen nebeneinander auf dem Sande, neben uns ein großer
Felsen, mit Moos überwachsen, traurig und mürrisch. Die Seite dieses
Blocks, welche dem Meere zugewendet ist, starrt von Schlamm und
Seegras. Der helle Schein unseres Feuers erleuchtet die dem Berge
zugewandte Seite. Die Flamme zittert und Schatten huschen über
den alten, grauen Stein. Er sieht ordentlich gedankenvoll und gefühl¬
voll aus.
Rahim und ich kochen eine Suppe von eben gefangenen Fischen.
Wir sind in jener seltenen Stimmung, wo die ganze Welt durchsichtig,
beseelt und jedem Blick offen dazuliegen scheint. Im Herzen ist es rein
und leicht. Kein Wunsch als der, zu träumen.