II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 311

19. Der Ruf des Lebens box 24/3
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die empörendste Beschmutzung der Menschenwürde er=Kürassieren „durch einen lichten Saal geschwebt“.
keit. Das große Drama, ist von der großen
schienen. Ist die Hinrichtung an sich die größte, eine Obwohl man uns versichert, daß das Mädchen den
sophie nicht zu trennen. Isoldens „höchste Lust“.
untilgbare Schmach der menschlichen Gesellschaft, so Leutnant nach dem Balle hätte besuchen müssen, haben
sich die beiden seit jener Ballnacht nicht mehr gesehen.
s Aufgehen im wehenden All, und Brünnhilde
ist der letzte Ruf des Lebens, die Gewährung einer
Mariens bitterböser Vater ist dem Siechtum verfallen
it die offenen Tore des ewigen Werdens hinter
Lieblingsspeise oder einer Lieblingszigarre im
und gab dem Kinde, das ihn ausopfernd pflegte, kein
u. Das kann man schlechterdings von Fräulein
Angesichte des unerbittlichen Todes, die Gunst, vor
Stündlein frei. Nun aber sammeln sich die blauen
se Moser nicht verlangen. Bleiben wir also bei
dem höchsten Richter mit einem angenehm gefüllten
Kürassiere zum Todesritt. Das schwindsüchtige
keinen Philosophie und bei dem kleinen Drama.
Magen zu erscheinen, nur der ärgste Hohn auf alle
Bäschen Katharina, auch eine Todeskandidatin, hatte
Die blauen Kürassiere reiten morgen früh um
Uhr in den Tod. Das Regiment hatte vor vielenMenschlichkeit. Spott ist es und keine Gnade, den
gerade mit einem andern Leutnant vom Todes¬
Verurteilten, der beinahe schon drüben in den wunsch¬
regiment die letzte Nacht der Liebe geseiert. Das
sen durch seine Flucht eine schimpfliche Niederlage
losen Gefilden des ewigen Seins angelangt ist, noch
Beispiel bringt Mariens Blut zum Sieden, im Huf¬
Huldet. Wieder ist ein Krieg ausgebrochen. Der
an die Torheiten des Lebens zu gemahnen und mit
schlag der Rosse, die das blaue Regiment ins Ver¬
Oberst verbindet seine Ofsiziere, obwohl er und
den nichtigen Freudenresten der Erde zu reizen.
derben tragen, vernimmt Marie den Ruf des
lle in der kritischen Schlacht noch gar nicht dem
Wer den Gedanken des Todes in seiner Größe
Lebens. Sie reicht dem grausamen Vater schnell
ment angehört hatten, zu einem Eidschwur, die
Schuld der Vorgänger zu sühnen. Der Kaiser erfaßt, wird also von allen Dingen, welche die tod¬
eine ergiebige Portion Gift — erster Tod —, stürzt
Fhrt den blauen Kurassieren die erbetene Gunst, geweihten Kürassiere in der letzten Nacht vollführen,
ganz und gar nicht dramatisch berührt werden; nicht zu dem blauen Leutnant von damals in die Kaserne,
Stellung zu beziehen, in der sie allesamt den
von den stärksten und nicht von den winzigsten. Das verbirgt sich hinter eine Gardine seines Zimmers,
während der Oberst daselbst seine Frau, die Geliebte
ren Untergang finden müssen. Der Fahnenehre
Stärkste: Der Oberst der blauen Kürassiere beeilt
des Leutnants, niederschießt — zweiter Tod — und
die unschuldige, blühende Jugend geopfert. Der
sich, in der letzten Nacht noch seine Frau, die ihn mit
anke ist so schauerlich erhaben, unsre Sinne
einem oder mehreren Leutnants hintergeht, nieder=okkupiert den Leutnant rasch vor seinem Ende
dritter Tod und Gesamttod mehrerer hundert.
den von dem Heldenschicksal mit solcher Gewalt
flammert, daß nichts andres als die Vorstellungzuschießen. Man hört den Knall, aber das Gefühl
dem spartanischen Massentod und die damit ver= bleibt taub. Der Vorgang ist undramatisch und läßt Menschen — für den Rest der letzten Nacht. Diesen
ppfie Unsterblichkeitsidee in unsre Phantasie ein= uns gleichgültig, weil der Oberst, der bald darauf in Liebesdrang im Leichengeruche nennt sie den Ruf
des Lebens.
Man glaubt wohl an den furchtbaren Katzen¬
kingen vermag. Soll die Empfindung aber den Tod reitet, gar nicht mehr die Verantwortung
sterisch ausgeweitet werden, so könnte es nur aufseiner Untat trägt. Das Winzigste: Ist es nicht un¬
jammer der Marie Moser im dritten Akt, aber nicht
endlich komisch, daß ein Leutnant von den blauen
an die Versicherung, daß dieser unappetitlichen Dame,
Grunde epischer Darstellung geschehen.
Kürassieren, der wenige Stunden vor dem Todesritt
welche die Nerven eines Wachtmeisters haben muß,
matisch ist dieser Vorwurf nicht. Denn das
für Augenblicke sein Zimmer verläßt, noch seinen
der Ruf des Lebens später noch einmal „viel reiner
ma treibt den lebendigen Einzelwillen im Be¬
Mantel vom Nagel holt und umhängt, als ob er
und tiefer in die Seele klingen wird“. Die Majestät
tsein seiner Freiheit zum Kampfe mit einer
fürchten müßte, etwa mit einem Schnupfen in den
des Todes wird in dem Schauspiel so arg verletzt wie
eren Weltordnung. Hier ist aber kein Kampf mehr,
sicheren Tod zu gehen. „Aus is!“ sagt so hübsch der
die Majestät der allgewaltigen Liebe. Wenn der
dern tote Gewißheit. In der Galgenfrist oder in
Kartätschenfrist von heute bis morgen kann sich Oberösterreicher, ob ihm nun die Suppenknödel mit
grausliche Vatermord dem Mädchen wenigstens ein
1 Charakter entwickeln. Es ist kein ethisches und der Schüssel zur Erde fallen oder ob seine Mutter der
volles, mächtiges, brausendes Leben eröffnet hätte.
dramatisches Moment, sondern einfach Befriedi= Schlag rührt. Mit diesem „Aus is!“ läßt sich kein
Aber ein Vatermord für die Liebesstunde mit dem un¬
erbittlich festgestellten Zeiger ihres Abschlusses! Die:
g der Neugierde, wenn wir erfahren sollen, was Drama erzeugen.
Trotzdem hängt der Dichter ein Schauspiel in
Verurteilten in der letzten Nacht vornehmen. Das
enannte Henkermahl vor dem letzten Gange, vor das „Aus is!“ ein. Fräulein Marie Moser ist vor tiefe Kluft zwischen dem furchtbaren epischen Hinter¬
n Zwangsschritt in die Ewigkeit ist mir immer als einem Jahre mit einem Leutnant von den blauen! grunde des Todesrittes und den dramatischen Be¬