er an uid Ttvens¬
Schauspiel in drei Akten von Arthur Schnitzler.
Aufführung im Neuen Theater
Vor einem vollen Haus ging gestern die
jüngste Tragödie Arthur Schnitzlers in Szene. Von
Anfang an wußte sie durch das mächtig pulsierende
Leben, durch die interessanten Charaktere zu fesseln
und durch ihre dichterischen Schönheiten zu er¬
greifen. Man fühlte sich in dem Bann eines
Dichters, der nicht zögert, dem Hörer zu mißfallen,
wenn es ihm nur gelingt, ihn zu überzeugen, eines
Dichters, der in weiterem Maße als je vorher die
Kühnheit gehabt hat, das auszusprechen und Ge¬
stalt werden zu lassen, was die Wissenden sonst
einander zurannen oder mitleidig verdecken. Man
würde fehlgehen zu glauben, daß Schnitzler etwa
ein Tendenzdrar.a hat schreiben wollen. Er kündet
den Rüf des Lebens und zeigt an einer ganzen
Reihe von Personen, wie verhängnisvoll er wird,
ob nun dieser Ruf wirklich erklang, oder nur
die Tänschung einer erregten Phantasie ge¬
wesen ist.
Die mächtigste Wirkung hatte der zweite
Akt, der eine ganze Reihe wirkungsvoller Ge¬
schehnisse in rascher Steigerung aufeinanderhäuft
und auch schauspielerisch die dankbarsten Handhaben
bietet. Aber auch der dritte letzte Akt hielt das
teilnahmsvolle Interesse wach. Er ist naturgemäß
nur ein Ausklang und eine Perspektive zu jener
Sühne, die der Dichter nach den Gewalttaten des
ersten und zweiten Aktes absichtlich vermied. Es
bedarf wohl auch nichts mehr. Denn es braucht
uns im dritten Akt nichts bewiesen zu werden, was
wir nicht nach dem zweiten Akt schon wissen. In
der gegen die Büchausgabe etwas veranderten
Gestalt des britten Aktes tritt die Erscheinung der
Katharina stärker in den Vordergrund,
während Marie nur noch die Aufgabe hat, sich
vor sich selbst zu rechtfertigen.
Das Stück war fast durchwegs gut besetzt.
Vor allen ist Fräulein Medelsky als Marie zu
nennen, die die verbissene Resignation vortrefflich
zum Ausdruck brachte und den halben Atem der
sieberhaften Erwartung mit großer Wahrheit dar¬
stellte. Frl. Fels gab der Katharina, der dem
Tode geweihten Schwindsüchtigen, deren Sinnlich¬
keit durch ihre Krankheit erhöht wird, einen visi¬
onären Ausdruck, den sie erfolgreich mit dem kind¬
lichen Ton des Töchterleins abwechseln ließ. Frl.
von Helling stieg in der einzigen Szene, die sie
als Oberstenfrau hat, zu beträchtlicher leidenschaft¬
licher Starke empor. Frl. Klein, die Blutsver¬
wandte des alten Weiring, hatte natürliche, innige
Töne. Von den Herren ist zunächst Herr Onno
als Leutenant Max zu nennen, dessen todessichere
Entschlossenheit von Schleiern der Wehmut um¬
hüllt war. Herr Max Schütz greinte den alten
Moser mit treffender Charakteristik und erreichte
einen Höhepunkt in der Erzählung seiner Fahnen¬
flucht. Die Vorzüge ihres Könnens und Verstehens
erwiesen die Herren Manning (Dr. Schindler,)
Rittig (Adjunkt,) Faber (Oberst,) Balder
(Albrecht), Paul Schütz (Sebastian.)
Die Regie (Dr. Paul Eger) war sorgsam
bemüht gewesen, den Angaben des Dichters möglichs
zu entsprechen und die theatralische Wirkung nach
der schauspielerischen, wie nach der szenischen Seite
hin zu erzielen. Nur im ersten Akt wäre ein ra¬
scheres Tempo sowie lauteres Sprechen der Darstel¬
ler angezeigt. Es berührt seltsam, daß gerade der
totkranke Mann rascher und lauter spricht, als alle
die anderen Gesunden. Die Aufgabe der Regie
ist es, den Sinnen des Publikums möglichst enige¬
genzukommen, ihnen die Arbeit so leicht als möglich
zu machen, damit der Geist umso freier nachschaf¬
fen kann.
Der Beifall war stark. Arthur Schnitzler,
der anwesend war, mußte nach dem zweiten und
dritten Akt mit den Darstellern und ohne sie erschei¬
nen. Der gewissenhafte Statistiker verzeichnet für
ihn zehn Hervorrufe.
Wir dürfen den Abend, der uns das Werk
eines echten Dichters vermittelte, das uns zu den¬
ken und zu rätseln gibt, das den Schauspielern nicht
alltägliche Aufgaben stellt und der Bühne Gelegen¬
heit bot, ihre Kraft zu beweisen, als einen ernsten
und weihevollen Auftakt zu den Maifestspielen, be¬
grüßen, die ja dieses Jahr am Schauspiel achtlos
vorübergehen.
H/r.
Telephon 12.801.
S
„OBSERVER“
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf. Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolls, New-Vork.
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangsbe ohme Gowübs).
Hamburger Nachrichten
Ausschnitt aus:
Hamburg
vom: 29 4. 1909
eten. —Im Prager
Theater hatte gestern Schm##
„Ruf/des Lebens“
nach einem Telegramm Aferes börtigen A. B.=Korrespondenten
einen starken äußeren Erfolg. Der Dichter wurde nach dem zweiten
Akt gerufen.
Schauspiel in drei Akten von Arthur Schnitzler.
Aufführung im Neuen Theater
Vor einem vollen Haus ging gestern die
jüngste Tragödie Arthur Schnitzlers in Szene. Von
Anfang an wußte sie durch das mächtig pulsierende
Leben, durch die interessanten Charaktere zu fesseln
und durch ihre dichterischen Schönheiten zu er¬
greifen. Man fühlte sich in dem Bann eines
Dichters, der nicht zögert, dem Hörer zu mißfallen,
wenn es ihm nur gelingt, ihn zu überzeugen, eines
Dichters, der in weiterem Maße als je vorher die
Kühnheit gehabt hat, das auszusprechen und Ge¬
stalt werden zu lassen, was die Wissenden sonst
einander zurannen oder mitleidig verdecken. Man
würde fehlgehen zu glauben, daß Schnitzler etwa
ein Tendenzdrar.a hat schreiben wollen. Er kündet
den Rüf des Lebens und zeigt an einer ganzen
Reihe von Personen, wie verhängnisvoll er wird,
ob nun dieser Ruf wirklich erklang, oder nur
die Tänschung einer erregten Phantasie ge¬
wesen ist.
Die mächtigste Wirkung hatte der zweite
Akt, der eine ganze Reihe wirkungsvoller Ge¬
schehnisse in rascher Steigerung aufeinanderhäuft
und auch schauspielerisch die dankbarsten Handhaben
bietet. Aber auch der dritte letzte Akt hielt das
teilnahmsvolle Interesse wach. Er ist naturgemäß
nur ein Ausklang und eine Perspektive zu jener
Sühne, die der Dichter nach den Gewalttaten des
ersten und zweiten Aktes absichtlich vermied. Es
bedarf wohl auch nichts mehr. Denn es braucht
uns im dritten Akt nichts bewiesen zu werden, was
wir nicht nach dem zweiten Akt schon wissen. In
der gegen die Büchausgabe etwas veranderten
Gestalt des britten Aktes tritt die Erscheinung der
Katharina stärker in den Vordergrund,
während Marie nur noch die Aufgabe hat, sich
vor sich selbst zu rechtfertigen.
Das Stück war fast durchwegs gut besetzt.
Vor allen ist Fräulein Medelsky als Marie zu
nennen, die die verbissene Resignation vortrefflich
zum Ausdruck brachte und den halben Atem der
sieberhaften Erwartung mit großer Wahrheit dar¬
stellte. Frl. Fels gab der Katharina, der dem
Tode geweihten Schwindsüchtigen, deren Sinnlich¬
keit durch ihre Krankheit erhöht wird, einen visi¬
onären Ausdruck, den sie erfolgreich mit dem kind¬
lichen Ton des Töchterleins abwechseln ließ. Frl.
von Helling stieg in der einzigen Szene, die sie
als Oberstenfrau hat, zu beträchtlicher leidenschaft¬
licher Starke empor. Frl. Klein, die Blutsver¬
wandte des alten Weiring, hatte natürliche, innige
Töne. Von den Herren ist zunächst Herr Onno
als Leutenant Max zu nennen, dessen todessichere
Entschlossenheit von Schleiern der Wehmut um¬
hüllt war. Herr Max Schütz greinte den alten
Moser mit treffender Charakteristik und erreichte
einen Höhepunkt in der Erzählung seiner Fahnen¬
flucht. Die Vorzüge ihres Könnens und Verstehens
erwiesen die Herren Manning (Dr. Schindler,)
Rittig (Adjunkt,) Faber (Oberst,) Balder
(Albrecht), Paul Schütz (Sebastian.)
Die Regie (Dr. Paul Eger) war sorgsam
bemüht gewesen, den Angaben des Dichters möglichs
zu entsprechen und die theatralische Wirkung nach
der schauspielerischen, wie nach der szenischen Seite
hin zu erzielen. Nur im ersten Akt wäre ein ra¬
scheres Tempo sowie lauteres Sprechen der Darstel¬
ler angezeigt. Es berührt seltsam, daß gerade der
totkranke Mann rascher und lauter spricht, als alle
die anderen Gesunden. Die Aufgabe der Regie
ist es, den Sinnen des Publikums möglichst enige¬
genzukommen, ihnen die Arbeit so leicht als möglich
zu machen, damit der Geist umso freier nachschaf¬
fen kann.
Der Beifall war stark. Arthur Schnitzler,
der anwesend war, mußte nach dem zweiten und
dritten Akt mit den Darstellern und ohne sie erschei¬
nen. Der gewissenhafte Statistiker verzeichnet für
ihn zehn Hervorrufe.
Wir dürfen den Abend, der uns das Werk
eines echten Dichters vermittelte, das uns zu den¬
ken und zu rätseln gibt, das den Schauspielern nicht
alltägliche Aufgaben stellt und der Bühne Gelegen¬
heit bot, ihre Kraft zu beweisen, als einen ernsten
und weihevollen Auftakt zu den Maifestspielen, be¬
grüßen, die ja dieses Jahr am Schauspiel achtlos
vorübergehen.
H/r.
Telephon 12.801.
S
„OBSERVER“
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf. Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolls, New-Vork.
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangsbe ohme Gowübs).
Hamburger Nachrichten
Ausschnitt aus:
Hamburg
vom: 29 4. 1909
eten. —Im Prager
Theater hatte gestern Schm##
„Ruf/des Lebens“
nach einem Telegramm Aferes börtigen A. B.=Korrespondenten
einen starken äußeren Erfolg. Der Dichter wurde nach dem zweiten
Akt gerufen.