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R
19. Der af des ebens
Aeephen 12.801.
24
—
2
„UBSEHTER
#1 österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budagest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
ausschnitt aus: Brünner Anzeiger, Brünn
15 0MN 10
Brünner Stadttheater.
Kdr. — „Der Ruf des Lebens.“ Marie Moser
lechzt nach Leben, nach Liebe. Der Mann, den sie einmal
gesehen und nie mehr vergessen hat, wird am nächsten
Tage in den unentrinnbaren Tod reiten und wartet auf
sie. Sie vergiftet ihren achtzigjährigen Vater, der sie ge¬
waltsam an sein Lager gefesselt hält und stürzt zum Ge¬
liebten in die Kaserne. Dort muß sie, hinter einem Vor¬
hang versteckt, mitansehen, wie der Oberst ihrem Max die
Geliebte niederschießt, weil sie zufällig Frau Oberstin ist.
Das hindert Marien nicht, den Leutnant in ihr# #
reißen und ein einziges Mal glücklich zu sein. Am näch
sten Morgen erschießt er sich für die andere und läßt
Marie in Reue und Verzweiflung zurück. In der Natur
wird sie sich langsam zu einem neuen, stillen. leichteren
Leben durchfinden. Das ist in den Hauptzügen der Inhäl:
des dreiaktigen Schauspieles von Artur Schnitzler
welches am Montag hier zum erstenmale aufgeführt
wurde. Es ist ein Drama der Zusammenhänge, ein ge¬
waltiges symphonisches Werk, dessen einzelnen Teile das
eine Grundmotiv gemeinsam haben: Das Aufrauschen
des Lebens vor der großen Stille des Todes. Es geht eine
wunderbare Leuchtkraft von dem Dialoge aus, der Sätze
enthält, die Josen gesprochen haben könnte. Es ist aber
auch ein starkes Stück, nichts für schwächliche Gemüter,
die der Wahrheit nicht ins Sonnenantlitz zu blicken ver¬
mögen. Man darf über dem ästhetischen Unbehagen, das
den Zuhörer immer ergreift, so oft von der Bühne herab
über Sexualität und nackte Erotik verhandelt wird, die
Schönheiten des Werkes nicht vergessen. Gewiß ist die auf¬
gerollte These anfechtbar, gewiß gibt es der dramatisch¬
technischen Mängel in dem Stücke genug, aber trotzdem
übt das Schauspiel eine starke Wirkung auf jeden, der
über die Enge seines Daseins hinaus andere Menschen,
andere Triebe, andere Schicksale zu begreifen und zu ver¬
stehen sucht. Dem Regisseur, Herrn Direktor v. Maix¬
dorff, ist eine vortreffliche Aufführung gelungen, die
den zwischen Wirklichkeit und Symbolismus schwebenden
Gesamtton richtig traf und festhielt. Frl. Zewy spielte
die Marie mit dem herben Unterton des Leidens und der
gewaltigen, ungestillten Lebenssehnsucht, Frl. Richter
die liebesdurstige Katharina in merkwürdig flimmernder
Redeweise, Herr Arnim den Oberst, in sich gefaßt und
beldenhaft. Deutlicher und realer gaben sich Herr Pindo
als böser, alter Vater, Herr Recke als Leutnant Max
und Herr Bowacz als Forstadjunkt. Ein meisterhaftes
Charakterstück boten die Tante der Frau Wiesner und
der Arzt des Herrn Strauß. Auch Herr Malu¬
schinsky stellte ein hübsches Genrebildchen. Frl. So¬
rel und Herr Siege aber vermochten nicht zu inter¬
essieren, erstere infolge einer überhasteten Leidenschaft¬
lichkeit, letzterer durch die trockene und reizlose Auffassung
seiner Rolle. Das Zeitkolorit — das Stück spielt im öster¬
reichischen Vormärz — war in Kostümen und Ausstattung:
glücklich festgehalten. Der Beifall erklang nur zögernd.
box 24/4
Telephon 12801.
P MRRTETETETSKEn
*
□ l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
2
O in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genk, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, apolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stoch St. Petersburg.
(Quellenangebe ehne Gewam.
— Ausschnitt aus:
e rene 20. Ja Oopteiumorist, Wien
Brünner Theaterbrief.
Brünn, am 17. Jänner 1910.
Sehr geehrter Herr Redakteur!
Artur Schnitzlersneuestes Werk „Der Ruf des Lebens“ gelangte
bei uns letzthin zur Premiere. Ueber dieses Schauspiel wurde schon sehr
viel geschrieben, ehe es noch zur Uraufführung in Wien kam und nachher
flossen ganze Tintenströme über dasselbe. Aus allen Kritiken und Re¬
feraten war aber das augenfällige Bestreben der Beurteiler und Nach¬
richter ersichtlich, Schnitzler kein tiefes Herzeleid zuzufügen, sich es mit ihm,
der ja schließlich als Bühnenliterat Rang und Bedeutung hat, nicht zu
verderben und dem Stücke selbst keine weiteren Schwierigkeiten in den
Weg zu legen. Und man hat diese Absicht scheinbar erreicht, denn der
„Ruf des Lebens“ pflanzt sich fort von Stadt zu Stadt, von Bühne zu
Bühne — Und so erscholl er — wider Erwarten — bald auch bei uns. Hier
harrte der Novität das gleiche Schicksal. Als der Vorhang zum letzten Male
gefallen war, da wußten die Leute nicht recht, was sie eigentlich sagen
sollen; die einen schauerte es bis in die Knochen, sie ergriffen lautlos die
Flucht, um in erfrischender Nachtluft ihre brennheiße Stirne zu kühlen,
denn das viele Sterben auf der Bühne war ihnen ein wenig unangenehm
geworden, andere scherzten und witzelten darüber, daß nicht noch ein
halbes Dutzend Opfer dem „Ruf des Lebens“ ihren Tribut zollten und
andere wiederum — ganz, ganz wenige — waren begeistert. Das Ver¬
halten der ersteren mochte ich wohl begreifen, die Verzückung der letzteren
aber konnte ich mir absolut nicht erklären. Ich, für meine Person, pflichte
jenen bei, die Schnitzler als gewandten Bühnenschriftsteller ihre Anerkennung
nicht vorenthalten; der Vorwurf seiner Arbeit gilt auch mir als eine
Häufung allzu krasser, greller Effekte. Gerade ein Unfähiger hätte diese
vielleicht unbewußt abgeschwächt und gemildert, Schnitzler ließ sie scharf
und schneidend wirken, und hat damit wohl die Wirkung ähnlicher Stücke
der letzten Jahre um ein bedeutendes übertroffen. Ob er seinem guten
Namen damit auch einen neuen Erfolg gesichert, bleibe dahingestellt.
Die Darstellung stand noch ein wenig im Zeichen mangelhafter
Vorbereitung. Frl. Zewy gab die Marie in schlichter, einfacher und
natürlicher Weise. Eine prächtige Figur brachte Frau Wiesner als Frau :
Richter. Eine gute Leistung war die Katharina des Frl. Richter. Die
kleine Rolle der Oberstensgattin bereitete Frl. Sorel tertliche Schwierig¬
keiten. Die Herren v. Pindo (Moser), Strauß (Dr. Schindler), Bo¬
wacz (Rainer), Arnim (Oberst), Recke (Mar), Siege (Albrecht)
und Maluschinsky (Sebastian) führten ihre Rollen, von kleinen Ent¬
gleisungen abgesehen, entsprechend durch. Sehr geschickt hat es Herr Direkkor
v. Mairdorff verstanden, ein stimmungsvolles Milieu für die Rovität;
„zu. schaffen.
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19. Der af des ebens
Aeephen 12.801.
24
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2
„UBSEHTER
#1 österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budagest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
ausschnitt aus: Brünner Anzeiger, Brünn
15 0MN 10
Brünner Stadttheater.
Kdr. — „Der Ruf des Lebens.“ Marie Moser
lechzt nach Leben, nach Liebe. Der Mann, den sie einmal
gesehen und nie mehr vergessen hat, wird am nächsten
Tage in den unentrinnbaren Tod reiten und wartet auf
sie. Sie vergiftet ihren achtzigjährigen Vater, der sie ge¬
waltsam an sein Lager gefesselt hält und stürzt zum Ge¬
liebten in die Kaserne. Dort muß sie, hinter einem Vor¬
hang versteckt, mitansehen, wie der Oberst ihrem Max die
Geliebte niederschießt, weil sie zufällig Frau Oberstin ist.
Das hindert Marien nicht, den Leutnant in ihr# #
reißen und ein einziges Mal glücklich zu sein. Am näch
sten Morgen erschießt er sich für die andere und läßt
Marie in Reue und Verzweiflung zurück. In der Natur
wird sie sich langsam zu einem neuen, stillen. leichteren
Leben durchfinden. Das ist in den Hauptzügen der Inhäl:
des dreiaktigen Schauspieles von Artur Schnitzler
welches am Montag hier zum erstenmale aufgeführt
wurde. Es ist ein Drama der Zusammenhänge, ein ge¬
waltiges symphonisches Werk, dessen einzelnen Teile das
eine Grundmotiv gemeinsam haben: Das Aufrauschen
des Lebens vor der großen Stille des Todes. Es geht eine
wunderbare Leuchtkraft von dem Dialoge aus, der Sätze
enthält, die Josen gesprochen haben könnte. Es ist aber
auch ein starkes Stück, nichts für schwächliche Gemüter,
die der Wahrheit nicht ins Sonnenantlitz zu blicken ver¬
mögen. Man darf über dem ästhetischen Unbehagen, das
den Zuhörer immer ergreift, so oft von der Bühne herab
über Sexualität und nackte Erotik verhandelt wird, die
Schönheiten des Werkes nicht vergessen. Gewiß ist die auf¬
gerollte These anfechtbar, gewiß gibt es der dramatisch¬
technischen Mängel in dem Stücke genug, aber trotzdem
übt das Schauspiel eine starke Wirkung auf jeden, der
über die Enge seines Daseins hinaus andere Menschen,
andere Triebe, andere Schicksale zu begreifen und zu ver¬
stehen sucht. Dem Regisseur, Herrn Direktor v. Maix¬
dorff, ist eine vortreffliche Aufführung gelungen, die
den zwischen Wirklichkeit und Symbolismus schwebenden
Gesamtton richtig traf und festhielt. Frl. Zewy spielte
die Marie mit dem herben Unterton des Leidens und der
gewaltigen, ungestillten Lebenssehnsucht, Frl. Richter
die liebesdurstige Katharina in merkwürdig flimmernder
Redeweise, Herr Arnim den Oberst, in sich gefaßt und
beldenhaft. Deutlicher und realer gaben sich Herr Pindo
als böser, alter Vater, Herr Recke als Leutnant Max
und Herr Bowacz als Forstadjunkt. Ein meisterhaftes
Charakterstück boten die Tante der Frau Wiesner und
der Arzt des Herrn Strauß. Auch Herr Malu¬
schinsky stellte ein hübsches Genrebildchen. Frl. So¬
rel und Herr Siege aber vermochten nicht zu inter¬
essieren, erstere infolge einer überhasteten Leidenschaft¬
lichkeit, letzterer durch die trockene und reizlose Auffassung
seiner Rolle. Das Zeitkolorit — das Stück spielt im öster¬
reichischen Vormärz — war in Kostümen und Ausstattung:
glücklich festgehalten. Der Beifall erklang nur zögernd.
box 24/4
Telephon 12801.
P MRRTETETETSKEn
*
□ l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
2
O in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genk, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, apolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stoch St. Petersburg.
(Quellenangebe ehne Gewam.
— Ausschnitt aus:
e rene 20. Ja Oopteiumorist, Wien
Brünner Theaterbrief.
Brünn, am 17. Jänner 1910.
Sehr geehrter Herr Redakteur!
Artur Schnitzlersneuestes Werk „Der Ruf des Lebens“ gelangte
bei uns letzthin zur Premiere. Ueber dieses Schauspiel wurde schon sehr
viel geschrieben, ehe es noch zur Uraufführung in Wien kam und nachher
flossen ganze Tintenströme über dasselbe. Aus allen Kritiken und Re¬
feraten war aber das augenfällige Bestreben der Beurteiler und Nach¬
richter ersichtlich, Schnitzler kein tiefes Herzeleid zuzufügen, sich es mit ihm,
der ja schließlich als Bühnenliterat Rang und Bedeutung hat, nicht zu
verderben und dem Stücke selbst keine weiteren Schwierigkeiten in den
Weg zu legen. Und man hat diese Absicht scheinbar erreicht, denn der
„Ruf des Lebens“ pflanzt sich fort von Stadt zu Stadt, von Bühne zu
Bühne — Und so erscholl er — wider Erwarten — bald auch bei uns. Hier
harrte der Novität das gleiche Schicksal. Als der Vorhang zum letzten Male
gefallen war, da wußten die Leute nicht recht, was sie eigentlich sagen
sollen; die einen schauerte es bis in die Knochen, sie ergriffen lautlos die
Flucht, um in erfrischender Nachtluft ihre brennheiße Stirne zu kühlen,
denn das viele Sterben auf der Bühne war ihnen ein wenig unangenehm
geworden, andere scherzten und witzelten darüber, daß nicht noch ein
halbes Dutzend Opfer dem „Ruf des Lebens“ ihren Tribut zollten und
andere wiederum — ganz, ganz wenige — waren begeistert. Das Ver¬
halten der ersteren mochte ich wohl begreifen, die Verzückung der letzteren
aber konnte ich mir absolut nicht erklären. Ich, für meine Person, pflichte
jenen bei, die Schnitzler als gewandten Bühnenschriftsteller ihre Anerkennung
nicht vorenthalten; der Vorwurf seiner Arbeit gilt auch mir als eine
Häufung allzu krasser, greller Effekte. Gerade ein Unfähiger hätte diese
vielleicht unbewußt abgeschwächt und gemildert, Schnitzler ließ sie scharf
und schneidend wirken, und hat damit wohl die Wirkung ähnlicher Stücke
der letzten Jahre um ein bedeutendes übertroffen. Ob er seinem guten
Namen damit auch einen neuen Erfolg gesichert, bleibe dahingestellt.
Die Darstellung stand noch ein wenig im Zeichen mangelhafter
Vorbereitung. Frl. Zewy gab die Marie in schlichter, einfacher und
natürlicher Weise. Eine prächtige Figur brachte Frau Wiesner als Frau :
Richter. Eine gute Leistung war die Katharina des Frl. Richter. Die
kleine Rolle der Oberstensgattin bereitete Frl. Sorel tertliche Schwierig¬
keiten. Die Herren v. Pindo (Moser), Strauß (Dr. Schindler), Bo¬
wacz (Rainer), Arnim (Oberst), Recke (Mar), Siege (Albrecht)
und Maluschinsky (Sebastian) führten ihre Rollen, von kleinen Ent¬
gleisungen abgesehen, entsprechend durch. Sehr geschickt hat es Herr Direkkor
v. Mairdorff verstanden, ein stimmungsvolles Milieu für die Rovität;
„zu. schaffen.