II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 401

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19. Der Ruf des Lebe
Telephen 12.891.
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Teplitz, Böhmen
I„Der Ruf des Lebens=— Schauspiel in
3 Akten von Arthur Schnitzler.] Beim Anhören
eines solchen Dch ch man allein sein,
um sich ungstört den ergreifenden Eindrücken hin¬
geben zu können, die die Worte des Autors in uns
hervorbringen. Inmitten einer hustendon und sich
räuspernden Mange die sich auf knarrenden Sitzen
hin= und herschiebt, sind unsere Gedanken allzusehr
von der Sorge beeinslußt, etwas vom dam zu über¬
hören, was der Dichter uns zu sogen hat, und un¬
sere Phantasie fühlt sich durch die banalen Einwir¬
kungen aufgeschaucht, die von außen her unser In¬
nenwosen, das wir zur Gänze mit dem Inhalte der
Dichtung ersüllen möchten, beunnuhigen. Diese Em¬
pfindung allein zeugt für die Macht, die Schnitzler
auf unsere Sänne ausübt. Man möchte sein Werk
genießen im jullon Winkel einer friedlichen Abge¬
schiedenheit, um es voll und ganz genießen zu kön¬
nen. Denn es ist in seinem Inhalte ein Gefüge,
das der Dichter aus lauter Menschlichkeiten zu¬
sammengesetzt hat, und in seinen Worten ein Prunk¬
gewebe, das die feinsten Fäden feelischer Empfin¬
dungen und die goldig-schimmernde Pracht glühen¬
der Leidenschaften veranschaulicht. Schnitzler führt
in seiner Tragödie die Greignisse auf die höchste
Stufe dramatischer Entwicklung und läßt die Heldin
des Stückes von der plötzlich erwachten, nicht zu zü¬
galnden laidenschaftlichen Sehnsucht nach dem Le¬
ben, dessen Ruf sie zu hören vermeint, alle Schran¬
ken der Überlegung übersetzen und selbst von dem
Schrecklichsten nicht zurückschaudern, um von den
Fesseln befreit hinausstürzen zu können, ins Leben.
Aber sein Stück schließt micht mit der Disharmonie
des blutigen Eischtes oder der dramatischen Logik,
die eine Sühne als befriedigend Lösung bedingt.
Der Dichter führt den Zuhörer aus der glühenden
Atmosphäre der menschlichen Leidenschaft in die
friedliche Idylle einer abgeklärten Erkenntnis der
Wahrheit, indem er zugleich den Ruf des Lebens
in seiner. richtigen Bedeutung orläutert. Sind die
beiden erston Akte Meisterstücke in der Zeichnung
des pulsierenden Lebens und der menschlichen Lei¬
denschaften, so erhebt der letzta Akt in seiner unver¬
die Gesellschaft erblicken lönnte, der ein Ratgeber
ist voll Menschlichkeit und richtiger, gebnder Le¬
bensauffassung und der schließlich die zutreffende
Diagnose stellt und darnach seine Hoibmethode ein¬
richtet. So findet auch Marie, die Heldin des Stük¬
kes, die dem vermeintlichen Rufe des Lebens gefolgt
ses alles hingegeben hat, sich schließlich wieder, in¬
vem sie ihrem Dasein einen Lebensinhart zu geben
vermag. Im Mittelpunkte der spannenden Hand¬
lung, die sich durch den geistvollen Dialog noch be¬
sonders bemerkbar macht, steht die Tochter des ehe¬
maligen Rittmeisters Moser, eben diese Marie.
Den alten Mann quält schwere, unheilbare Krank¬
heit und die Erinnerung an ein Jugenderlebnis.
Er hat vor 30 Jahren seine Eskadvon zur Flucht
bewogen und dadurch dan Namen des Regiments der
blauen Kürassiere mit Schmach bedeckt. Er hat sein
Weib ins Grab gequält und peinigt nun seine ein¬
zige Tochter, die er mit hartherzigem Egoismus an
sein Krankenlagor kettet. Manie hegt eine schöne
Erinnerung in ihrer Brust; ein einzigesmal im
vergangenen Winter war sie mit ihre Base Katha¬
rina auf einem Ball und lernte einen Offizier len¬
nen und lieben, einen jener blauen Kürassiere, die
einst vor dem Feinde geflohen sind. Nun steht wie¬
der der Feind an den Grenzen des Landes und die
Offiziere und die Mannschaft des Regiments haben
sich zugeschworen, die einstige Schmach durch den
renen Untergang zu sühnen. Sie wollen auf dem
gefährlichsten Punkte kämpfen und keiner will aus
der Schlacht wiederkehren. Marie erfährt von die¬
sem Entschlusse durch den Doktor, der ihr dringend
rät, auch an sich zu denken und sich eine Stunde
Erholung in freier Luft zu gönnen. Über die Pflich¬
ten gegen andere stehen die höheren Pflichten gegen
sich selbst. Diese Worte, die Nachricht von dem To¬
desschwur der blauen Kürassiere und schließlich ein
Gruß, den die Base von dem Offiziere überbringt,
drängen sie zu dem Entschlusse, zu ihm zu eilen, nach
dem alle ihre Pulse schlagen, ihm ans Herz zu sin¬
ken, der dem Tode gewoiht ist. Zur selben Stunde
enthüllt ihr auch der Vater die eigene Schuld, daß
er es gewesen, der vor 30 Jahren das Regiment
mit Schmach bedeckt. Sie vermag nun nicht mehr
dem Ruf des Lebens zu widerstohen. Einen Schlaf¬
trunk, den der Arzt für 100 Nächte bestimmt, fülle
Marie auf einmal in das Wasserglas des Vaters
und dieser finkt leblos zu Boden. Marie eilt in
die Wohnung des Geliebten. Hinter dem Fenster¬
vonhang verborgen, sieht sie, wie ihr Gekiebter sich
den Armen einer anderen, der Gattin seines Ober¬
sten, die ihn zu feiger Flucht mit ihr überreden
will, vergeblich zu entwinden sucht. Das Erschei¬
nen des Gatten, des Obersten, führt eine Katastrophe
herbei. Er schießt die Treulose nieder und weist
dem Offizier den Weg zum Solbstmord. Trotzdem
wirft sich Marie dem Offizier an die Brust, sie will
an seiner Brust die erträumte Seligkeit genießen.
Der letzte Akt läßt Marie in tönloser, an dem
Zwecke ihres Daseins verzweifelnder Stimmung er¬
scheinen, Der Anzt, ihr Freund,# Balsam auf
ihr blutendes Henz. Er habe einen Zug weltlicher
Krankenpflegerinnen ins Schlachtfeld ziehen sehen.
Marie versteht und befolgt seinen Rat mit dank¬
erfülltem Herzen. — Die Darstellung stand auf be¬
achtenswerter Höhe und wurde in vielen Stücken
den Intentionen des Dichters gerecht. Die Rolle
der Marie wurde von Frl. Seipp gegeben. Aus¬
ihram Spiel dringt immer die Kraft eines impul¬
siven Talentes, das sich zwar manchmal noch nicht
ganz von einer gemachten Tragik zu befreien ver¬
mag aber auf dem richtigen Wege ist „sich zu einer
ebenso realistischen als naturgemäßen Entwicklung
durchzuringen. Es gab namentlich im ersten Alte
viel Gelegenheit, zu beobachten, wie die Darstellerin
sich durch stumme Beredtsamkeit über die Vorgänge
im Innenn des zur Entsagung verurteilten und
doch nach einem Trunk aus dem berauschenden Le¬
benskeich dürstenden Mädchens verständlich machte.
Wenn sie, in aufgezwungener Resianation die her¬—