II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 405


19. Der RufLebens
Telephon 12.691.

„ODULRTER
österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
4 Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Geni, Kopenhagen, London, Madric, Mailand, Minneapolls.
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
Ooelienangabe obne Gewähr.
Ausschnitt aus:
lung
vom: 10. CARUSRAST
N
„Der Ruf des Lebens“. Schauspiel in drei
Akten von Axtur Schnitzler. Der Ruf des Lebens,
der Drang # Leidenschaft ist es,
der Marie veranlaßt, ihrem kranken, selbstsüchtigen
Vater, dem alten Rittmeister Moser, der seine
Tochter allerdings in der schrecklichsten Weise be¬
handelt, mit einem überstarken Schlaftrunk aus
diesem Leben hinwegzuhelfen, um wenigstens ein¬
mal noch mit ihrem Geliebten, einem Offizier
der roten Kürassiere, die in den Tod reiten
sollen, beisammen sein zu können. Der Ruf des
Lebens reißt die junge Katharina hinweg von den
Ihren, hinaus in den Strudel des Genusses,
in dem sie denn auch bald zugrunde geht. Der
Ruf des Lebens hatte die Frau Oberst den
jungen Offizieren in die Arme getrieben und der
Wunsch, Rache zu üben an den Ungetreuen, hatte
den Oberst veranlaßt, das ganze Regiment dem
Tode zu weihen, seine Frau niederzuknallen und
dem mit ihr überraschten Leutnant die Pistole in
die Hand zu drücken. — Also Leben und Tod
in bunter Fülle. Wer Aufregung liebt, der findet
sie hier; aber auch wer ein gutes Spiel sehen
will, kommt hier auf seine Rechnung, denn das
Spiel war tadellos. Alle Mitwirkenden müssen
wir namentlich anführen, um allen gerecht zu
werden, denn jedes war ganz an seinem Platze.
Herrn Brüngger als alten Moser zu sehen,
Frl. Lambergs seelenvolles Mienenspiel zu
bewundern, in Frau Stein die schmerzgebeugte
Mutter, in Frl. Müller die leidenschaftliche,
ihrem Untergang entgegeneilende Tochter, in
Herrn Kopal den ruhig und kalt seinen Rache¬
plan ausübenden Oberst, in Herrn Wald den
lebenslustigen aber auch todesmutigen Leutnant
beobachten zu können, Herrn Körner als teil¬
nehmenden Arzt, Herrn Zemann als ver¬
schmähten Liebhaber zu verfolgen, endlich Frl.
Billforsts leidenschaftlichem, heißen Locken
als Frau Oberst zuzuhören, war ein Vergnügen.+
K. /
box 24/4
2
Telephon 12.801.
Dte Mr
— „OSSLIVER
T österr. behördl.konz Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertrotungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangepe sohge, derhln. (: onan Merr-
Gieiehheit, Pu WamME
Ausschnitt aus:
1 1910
Parteigenossen! Sammelt für den
Gemeindewahlfond!
Vom Theater.
tlex.) Es
Der Ruf des Lebens. (Schauspiel von Arthi“
ist eine bekannte Tatsache, daß man über seelische Vörgänte, die sich
abspielen, sich selbst die schlechteste Rechenschaft geben kann. Das mag
es verursachen, daß das Fräulein Marie Moser den „Ruf des Lebens“
dafür verantwortlich macht, daß sie ihren Vater ins Jenseits befördert.
Die einzige Erklärung gibt uns die Pathologie.
Monate langes Wachen bei einem neunundsechzigjährigen alten,
krankhaft egoistischen Querulanten mag das Nervensyftem einer jungen.
Dame mit einem Liebeshunger, wie man ihn nur bei Schnitzier'schen
Figuren antrifft, derart „verrücken“, das sie zu allem fähig wird. Das
uns erzählt wird, daß dieses Fräulein auch nicht einmal in der Nacht
Ruhe findet, so werden wir hier potenzierte Hysterie voraussetzen können.
Eigentümlich stark muß aber doch dieses Nervensystem nach einer
#deren Richtung sein. Marie Moser geht nämlich, gleich nachdem
das größte Hindernis, nämlich der Vater, von ihr aus dem Wege
geräumt ist, in der Haustoilette in die Kaserne zum Leutnant Max.
(Vielleicht hat man in der Mitte des vorigen Jahrhunderts junge,
etwas derangiert aussehende Mädchen anstandslos in Kasernen ein¬
treten lassen, heute soll das etwas schwerer sein.) Dort sieht dieses
frisch vom Vatermord kommende Mädchen hinter einem Vorhang nicht
mehr, als daß eine Ehefrau von ihrem eigenen Mann erschossen wird,
weil sie sich auch mit anderen Herren zu „unterhalten“ pflegt, unter
anderem auch mit dem Leutnant Max. Diese Marie hat aber jetzt
so starke Nerven, daß sie von diesem Mord gar nicht berührt wird.
Jenem Max wirft sie sich an die Brust, beide verbringen dann die
Nacht mit einander. Wahrscheinlich haben sie aber diese Nacht nicht
zum Beten benützt.
Marie's Cousine is schwindsüchtig, das würde weiter nichts
Dramatisches sein. Da sie aber erotomanisch ist, und sich Tage lang
außerhalb der mütterlichen Behausung herumtreibt, darf sie (von
Schnitzler aus) nicht ###art sterben, sie stirbt unter Erscheinungen der
Paralyse erst im dritten Akt. ... Um diese Zeit (dritter Akt) macht
auch der Arzt Dr. Körner Alnäherungsversuche an die infolge ihrer
Mordtaten und Liebesabenteuer endlich tiefsinnig gewordene Marie.
Unter aufatmender Anerkennung, daß daraus ein Paar wird, und
daß diese zu den besten Hoffnungen aufmunternde Verbindung zweier
sagen wir höflich — „moderner“ Menschen uns in einem vierten
Akt nicht vorgeführt wird, verlassen wir das Theater.
„Morituri“ (das dem Tode geweihte Regiment), die „Camelien=
dame“, „Liebelei“, „Rosenmontag“, kurz alles, Alles Mögliche kommt
in diesem Stück vor! ..
Gespielt wurde gut. In Frl. Lamberg kam recht anschaulich
die psychopathische Marie zur Geltung. Fräulein Müller war als
Katharina eine Bacchantin, und damit traf sie auch den Nagel auf
den Kopf. Dagegen deklamierte Herr Körner (Dr. Schindler) ins
Publikum hinein, daß es — keine Lust war, ihn anzuhören. Famos
spielte Herr Kopal den eisig sarkastischen Obersten. Etwas zu gemessen
und kühl schien uns dieses Mal Herr Wald (Max). Lobend seien
erwähnt schließlich Herr Zemann, Fr. Stein und Herr Brüngger,,
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