II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 423

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Libau, den 23. September 1911.
Roggen pro 120 Pfd. Tendenz: unverändert. Russi¬
scher schwerer per Pud 98—100 Kf., Kurischer 94—
96 Kf., Litanischer 96—98 Kf.
Weizen: Tendenz: geschäftslos. Samara=Oren¬
burger und Sibirischer —
Hafer, weiß: Tendenz: unverändert. Russischer
hoher 93-96 gem., russischer Oekonomiehafer 90—
92 gem., russischer mittlerer (otborny) 89 89½ gem.,
Grjasy¬
russischer Durchschnittshafer 88 88½ Kf.,
Zarizyn 86½- 87 Kf Rjasan=Ural 86½—87 Kf
Liw.=Oreler 89½ gem., 89 89½ Kf., Grusskoje Putiwl
58 88½ Kf, Moskau=Kursk 89½ gem., 89—89½ Kf.,
#schen —Hamel=Bachmatich¬
Teri ver geramremuier
Seestreitkräfte hervorgerufen. Der Ober
befehl ist Konteradmiral Österhaus übertragen
worden. Sowohl die atlantische, wie die pazi¬
fische Flotte sollen mindestens bis Februar n. J.
auf Kriegsfuß gehalten werden. Man hält es
in Newyork für wahrscheinlich, daß die Washing¬
toner Regierung die Ausbreitung des Krieges
im mittelländischen Meere fürchtet und auf alle
Fälle vorbereitet zu sein wünscht, wenn irgend¬
wie amerika##sche „Interessen in Mitleidenschaft
gezogen Würdey“


kokal -Iocfirichten.
bette
Staptcheater. #2,17
Am gestrigen Abend wurde „Der Ruf des
, ein Schauspiel von Arthur
Lehens“
Schnitzler, zum ersten Mal aufgeführt.
Schnitzlers Drama versetzt uns um einige
Jahrzehnte zurück. Es spielt in einer kleinen
österreichischen Stadt. Krieg ist ausgebrochen.
Der erste Akt zeigt uns ein kleines Stübchen
ndes Häuschens, in dem der pensionierte Ritt¬
meister Moser mit seiner Tochter wohnt. Er
sitzt, von Krankheit und Alter gebeugt, gallig
und verbissen im Sorgenstuhl, sie blickt aus dem
Fenster auf die Straße, von wo Säbelklirren
und Hufeklappern ertönt. Denn die blauen
Kürassiere verlassen ihre Garnison, um ins Feld
zu ziehen und an diesem Tage fehlt keine Frau
und kein Mädchen am Fenster. Mit den Kü¬
rassieren hat es eine besondere Bewandtnis.
Vor Jahren, in einem anderen Kriege, haben
sie ihre Ehre verloren. Ein feiger Offizier hat
damals Panik und Flucht verschuldet, sein Name
ist verschollen, man glaubt es sei einer der Ge¬
fallenen gewesen. Nun aber soll die Schart¬
ausgewetzt werden und alle Offiziere haben #
das Ehrenwort gegeben, vor dem Fein##
fallen. Nur der darf weiter leben, den ein
Wunder am Leben läßt. Und so ist es denn
für die Mädchen der kleinen Stadt ein furchtbar
ernster Tag. Manche hat einen Bräutigam oder
einen Liebsten unter den Offizieren. Marie aber lei¬
det mehr als alle. Sie, die immer von Lebens¬
freude und Lebensgenuß Ferngehaltene, sie, die
Sklavin ihres lieblosen, finsteren Vaters, der
ohne Dank ihre Dienste als Pflegerin ausnutzt
oll
und kein freundliches Gefühl zu kennen scheint,
I
sie hat auf einem der wenigen kleinstädtischen
Tanzabende, die ihr gegönnt waren, einen Leut¬
nant kennen gelernt, dessen stürmische Annähe¬
rung sie zwar nicht nachzugeben wagte, den sie
un
aber in ihre heimlichen Träume immer wieder
verwebt. Wird er scheiden, ohne daß sie ihn je
eit
wiedersieht? Da erscheint eine Freundin, ein
kti¬
loses, leichtlebiges Mädchen, das ihr eine Ein¬
cie¬
ladung jenes Leutnants überbringt — für sei¬
an¬
nen allerletzten Abend. Marie ist auf's Tiefste
ner
erschüttert. Nur an dieses eine denkend ver¬
lge
nimmt sie die Mahnung des Arztes, der ihr
ion
den Schlaftrunk für den Vater gibt, und sie
daran erinnert, daß er nicht einen Tropfen zu¬
ten
viel von dem gefährlichen Mittel ertragen würde.
Und dann bleibt sie mit dem finsteren Alten
n
allein und da, während es Abend wird, ent¬
ge¬
ringt sich ihm eine furchtbare Beichte; er ist
jener Offizier gewesen, dessen Feigheit das Re¬
giment entehrte, um dessentwillen jetzt alle Of¬
fiziere in den Tod müssen. Fluchend und höh¬
nend klammert sich der Elende an sein bißchen
Leben, das Leben, das er allen mißgönnt, auch
seiner Tochter. Sie aber, empört und entsetzt,
ür
will nur fort, fort zu dem anderen, der sterben
soll. Mit den gemeinsten Schimpfreden ver¬
weigert ihr der Alte den Gang. Da gibt sie
ihm in stiller Raserei der Wut den gefährlichen
1= Schlaftrunk hundertfach verstärkt. Einen Au¬