II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 424

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19. Der Ruf des Lebens
Die sündige Oberstenfrau wurde durch Frl.
genblick später zieht sie aus der Tasche des To¬
Olden pikant und keck verkörpert. Frl. Hal¬
ten den Schlüssel und stürzt davon. ..
den hatte in einer Nebenrolle Gelegenheit, sich
Bis hierher ist es ein grausiges, aber mei¬
als vorzügliche Schauspielerin wiederum zu be¬
sterhaft aufgebautes Drama voll starker Span¬
währen.
nung. Aber nun zeigt es sich, daß Schnitzler
Den Oberst gab Herr Rückert vornehm und
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nicht die Kraft hat, ein solches Trauerspiel
mit dem ironischen Blick aufs Leben, den der
durchzuführen. Wie immer, wenn der Dichter
Dichter bei ihm sehen will. Herr Hoffmann
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zierlicher Sächelchen à la „Abschiedssouper“ und
war ein guter Interpret des schwankenden Leut¬
dergl. große oder wilde Bilder entwerfen will,
nants. Herr Connard gab den schrecklichen
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zeigt sich auch hier ein Mangel an Kraft, der
alten Moser mit oft bewährter Darstellungs¬
in sehr bitterer Weise störend wirkt. Was nun
kunst. Herr Eckhof verstand es ausgezeichnet,
folgt, ist ein Zuviel an wüsten Schreckensszenen,
den gutmütigen, nicht festen, aber von wohl¬
wobei man das Gefühl hat, daß der Dichter
wollenden Absichten geleiteten Arzt, den Raison=2
sich sehr anstrengt, aber nur noch allerlei Bruch¬
neur des Stückes, zur Geltung zu bringen.
stücke anstatt einer konsequenten Fortsetzung des
Zum Schluß sei wiederholt; wir haben jetzt
Begonnenen zu geben vermag. Marie eilt in
B. E.
ein wirklich gutes Schauspiel.
die Kaserne und verbirgt sich im Zimmer des
Tennisturnier in der „Union“ Gestern wur¬
Leutnants. Sie erlebt die herbe Enttäuschung,
den folgende Spiele ausgetragen: Im Her¬
daß sie ihm zuletzt nur ein Liebchen für ei¬
ren=Einzelspiel um die Meisterschaft
nige Stunden bedeutet, denn eigentlich ist er der
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Liebhaber der Frau des Obersts. Marie muß
der Stadt Riga siegte in der ersten Runde
Herr Truhart über Herrn Baron Rosenberg
aus ihrem Versteck sehen, wie der Oberst seine
mit 6:2, 6:2; Herr S. Specht über Herrn
Frau bei dem Untergebenen entdeckt, sie nieder¬
W. Wencelides mit 7:5 und 6:4.
schießt und sich mit kaltem Hohn von dem Leut¬
Im Herren=Doppelspiel mit Vor¬
nant verabschiedet. Marie stürzt nun fast be¬
gabe siegten: in der 2. Runde die Herren
sinnungslos in das Zimmer, und jetzt, an der
Herskind=Hogg (—30) über die Herren Specht¬
Leiche der anderen vorbei, rennen die beiden,
Wencelides (—15.4) mit 6:5 und 6:3.
der Offizier und Marie, zusammen davon
Im Handicap=Single in der 1. Runde
ihre Geberden sagen wozu.
Mit Revolverknallen und Giftbecher soll uns
Herr J. Hogg (—30.4) über Herrn W. Wen¬
celides (—15.4) mit 6:5, 6:3; in der 2.
demonstriert werden, daß der „Ruf des Lebens“
Runde Herr L. Schoeler (—50) über Herrn
die Geschöpfe von Fleisch und Blut über Tod
1) mit 6:3, 6:3; Herr
und Verderben hinweg immer wieder lockt und
H. Thienemann
W. Bierich (—15.3) über Herrn H. Truhart
kirrt. Aber ließe sich nicht mit etwas weniger
—40) mit 6:4, 4:6 und 6:4; in der Vor¬
Mordtaten ein Drama über die Gewalt des
schlußrunde siegte Herr L. Schoeler (—50) über
Blutes und der Triebe abfassen? Hier weiß
Herrn C. Vajen (+¾) mit 6:4, 2:6 und 6: 4.
man zuletzt gar nicht mehr, wo hinaus mit all
den Schrecknissen. Denn im letzten Akt hören
Feuerbericht. Gestern um 5¼ Uhr nachmit¬
wir nun noch, daß alle Offiziere richtig tot
tags war in einer Wohnung des an der Säulen¬
sind, der Oberst, der Leutnant, das ganze Re¬
straße Nr.: 60a belegenen Gebäudes von Stei¬
giment. Marie haust einsam und zerbrochen in
nert durch eine heruntergefallene Wandlampe
einem Häuschen, der Arzt ihres Vaters ist ihr
diverses Mpbiliar in Brand geraten. Das Feuer
Die oben erwähnte
einziger Umgang.
konnte von Hausleuten noch vor Eintreffen der
der
nochmals auf
erscheint
Freundin
Feuerwehr unterdrückt werden, so daß der von
nunmehr eine Cour¬
Bildfläche, sie ist
der Moskowischen Feuer=Assekuranz=Kompagnie
tisane geworden, befindet sich aber im letz¬
zu vergütende Materialschaden unbedeutend ist.
ten Stadium der Schwindsucht und ergeht sich
M.
in den sonderbarsten nach Fieberdelirium klin¬
genden Reden, aus denen wir nur die Absicht
des Autors vermuten, wieder einmal die Ge¬
walt des Lebenstriebes zu erklären. Den Schluß
bilden einige Betrachtungen des Arztes über die
Unzerstörbarkeit der Natur, die die Blumen
blühen und die Vögel singen läßt, mögen die
Menschen es nun so oder anders treiben. Also
wiederum der Satz: das Leben geht unaufhalt¬
sam seinen Gang.
Ein Bericht kann natürlich die Farbe, den
Duft einer Dichtung nie erschöpfend geben, ja
sogar nur schwer andeuten. So sei denn nur
gesagt, daß dieses Drama selbstverständlich nicht
nur die erwähnten Vorgänge enthält, sondern
dazwischen auch eine Reihe sehr stimmungsvoller
Szenen mit gescheuten Dialogen. Als ganzes
aber vermag es wohl kaum zu befriedigen.
Kein einziger Charakter ist ausgeführt, alles
steckt in der Andeutung, in wilden Zickzacksprün¬
gen bewegt sich die Handlung und dabei ist
von all den Nebenfiguren eigentlich auch noch
allerlei zu erzählen! Und ist es nicht eigentlich
sah
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