II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 458

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19. Der Ruf des Lebens
zugesagt haben. Bei dieser Versammtung, die von gehabt. Die Besprechungen werden aber gelegentlich; werden darft wenn der Terarg
dem Bunde der Industriellen in Berlin, der wieder wieder ausgenommen werden, und in Regierungs= Prinz Ernst August der We
Die Achtung der verschiedensten Menschen ist der freichischen Quietismus und der Enge dieser Zeit. Es
Auch die jungen Offiziere ##
größte Beweis von einem ehrenvollen Menschen in jeder
ist vielmehr etwas Weitausgreifendes, Zeitloses in am Vorabend ihres Todestages
Lage.
Charlotte v. Schiller, diesen Vorgängen, ebenso wie diese Menschen wohl nur die Stimme des Versucher
mehr Symbole als lebende Wesen sind. Es ist hören dürfen. Und die jung
manches vom Grübelgeist Hebbels in diesen Szenen, Obersten: sie büßt mit dem Tode,
Zwei Schnitzler=Abende.
ruf gehorchte und den jungen ###
und vielleicht auch einiges von Eulenbergs wun¬
Es ist wohl nur ein Zufall und braucht gar keine derlich=faszinierender Romantik. Aber eigentlich Geliebte aber muß ihr nachfol
wenig von Schnitzler selbst. Oder vielmehr: es ist
andere stirbt, die zu gierig oc
programmatische Bedeutung zu haben, daß die Kam¬
Lebens getrunken hat. Es ist el
schon da, aber es versteckt sich, nimmt Masken vor, ge¬
merspiele wie das Schauspielhaus die Winterspiel¬
süchtige, die sich nicht genug erha
zeit mit einem Arthur Schnitzler=Abend ein= fällt sich in Stilisierung und dergleichen. Und wirkt
süßen Trank der Liebe. Aber
geleitet haben. Damit verspricht man nichts, was infolge dieser Verkünstelung nicht so recht über¬
einem seligen Lächeln auf den
man nicht auch halten könnte, und außerdem verbin= zeugend und echt.
den Ruf des Lebens gehört un
det sich in den Werken Schnitzlers das Literarische so
Fast alle, die in diesem Stück an uns vorüber¬
ihrem Tode nicht ruhlos wande
angenehm mit dem, was das Publikum im Theater
ziehen, vernehmen den Ruf des Lebens. Es ist ein
die ihm nicht gefolgt und u
zu finden hofft, daß sich die Stücke dieses Dichters
Ruf, der bald süß lockt wie Vogelsang und Harfen¬
sind
beinahe in idealer Weise für Eröffnungsvorstellun¬
ton, bald befehlend klingt wie die Stimme eines un¬
Herr Erich Ziegel, der
gen eignen.
sichtbaren, mächtigen Herrn. Aber dasselbe Leben,
mit Herrn Benno Bing die
Man muß allerdings einschränkend sagen: bei=das die Menschen auffordert, sich ihres Menschentums
hat der Aufführung einen strem
nahe; denn auch an den Schauspielen Schnitzlers zu erinnern und genießend oder schaffend zu fühlen,
versucht, der freilich das Verkün
klebt, wie an allem Menschlichen, ein peinlicher Er¬ daß sie leben, hat auch dafür gesorgt, daß hinter der
nur um so deutlicher zum Bew##
Freude das Leid, hinter der Tat der Tod lauert. Und
denrest; besonders viel davon an den neueren drama¬
Er selbst spielte einen Obersten,
tischen Arbeiten des „Anatoliers“. Hier steht die doch folgt jeder, auch wenn er das weiß, diesem
Piccolomini oder Julius Cäsa#
Redseligkeit, um nicht zu sagen Geschwätzigkeit, mit Sirenenlied; denn das ist nun einmal der Sinn des
chend war der böse Alte des
der alles und jedes entzwei disputiert wird, in kei= Lebens und die Bestimmung des Menschen.
Einen philosophiere den Arzt ge
nem rechten Verhältnis mehr zu dem konkreten In¬
Verschiedene Schicksale solcher, die dem Lebens=sympathisch, einen orstadjunk
halt der Akte. Auch die Klarheit der Gedankenrei=ruf folgen oder wenigstens folgen möchten, erfüllen
[Nachbaur mit etwa steifer B#
hen gewinnt nicht durch ihre Endlosigkeit. Und be¬
sich hier vor unseren Augen. Da ist Marie, schön,
Horwitz schon einmal gesehen
gegnete uns nicht sozusagen an jeder Wegbiegung
jung, sehnsüchtig, wie nur ein Weib mit sechsund= weiteres auch ihre Marie
ein prachtvolles, dichterisches Motiv, oder ein ab¬
zwanzig Jahren sein kann; aber sie muß ihren bösen,
A. Prasch=Grevenberg,
grundtiefer Gedanke, wir kämen wahrhaftig zuwei¬
sast achtzigjährigen Vater pflegen. Draußen wartet] Jenny Spielmann: soviele
len in Gefahr, uns zu langweilen und sogar — mit
der Frühling, die Liebe das strahlende, herrliche Leistungen. Der Beifall war se
allem schuldigen Respekt natürlich — zu gähnen.
Leben. Aber der boshafte, egoistische Alte läßt nügte, auch den anwesenden Dich
Das eben Gesagte gilt auch von dem Schauspiel
Marie keine Stunde von seiner Seite, bis eines die Rampe zu zitieren.
„Der Ruf des Lebens“, mit dem die Kammer¬
abends das Leben übermächtig ruft: die Erinnerung
spiele am Samstag wieder einmal (ich glaube zum
an einen jungen Offizier, mit dem Marie einmal
Gestern verneigte sich Schni
dreihundertfünfundsechzigsten Male) „eröffnet“ wor¬
eine lange Nacht durchtanzt hat. Er soll nun mit lichen, aber dankbaren Sonntags
den sind. Der Schauplatz dieser drei Akte ist ein nie= seinem Regiment in den sicheren Tod ziehen, eine spielhaus. Man hat diesen Abe
derösterreichisches Dorf, etwa um die Mitte des vori= Schmach mitsühnen helfen, die einst der Alte in einstudierung des lustigen, das
gen Jahrhunderts. Dann scheint die Grundstim= einem Moment, da auch ihn das Leben unwidersteh= tum verspottenden Einakters „
mung des Werkes angedeutet: ausklingende Bieder=lich zwang, über das Regiment gebracht hat. Um dem Zyklus „Lebendige Stunden
meierzeit. Aber das ist doch nur ein Aeußerliches. dem Geliebten folgen zu können, gibt Marie dem Frl. Rosar, Herr Günther
In seinem Kern hat dieses Schauspiel gar nichts Alten einen Schlaftrunk; er tötet ihn; aber was einer neuen Seite (in einer typi
Biedermeierliches, nichts von dem behaglichen öster=liegt daran: draußen ruft das Leben .....lvorteilhaft präsentierte, und Her
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