box 24/4
19. Der Ruf des Lebens
Ausschnitt ausheater-Courier, Berlim
vom:
B
(Mpustache).
spj. München. Kammerlpiele. „Der Ruf des Lebens“
Schauspiel in 3 Akten von Arthur Schnitzler. Erstaufführung. Mi
dem tiefernste Probleme behandelnden## des österreichische
Dramatikers wurde die neue Spielzeit durch die Direktion — Eric
Ziegel= Benno Bing — verheißungsvoll eingeleitet. Das Publikun
Ausschnitt aus:
euchligemeine Rundschau, Müne
folgte mit starkem Interesse der aus ebenso stimmungsvoll wirkenden
Jet Lui
wie theatralisch anmutenden Szenen zusammengesetzten Handlung uni
spendete starken Applaus. Aus der unter der Regie Erich Ziegel¬
vom:
stehenden Wiedergabe sind die Leistungen von Frl. Horwitz uni
1 jan.
Dr. Manning hervorzuheben. Der anwesende Dichter konnte an
Kammerspiele. In Anwesenheit des Dichters wurde Schnitzlers
Schauspiel: „Der Ruf des Lebens“ das beren
Schluß mehrmals an der Rampe erscheinen.
chenhrgren
1
geschrieben, für München jedoch noch Novität war, erstmalig gegeben. Der
Autor konnte erscheinen, da der Beifall einen nicht erheblichen Widerspruch
verstummen machte. Schnitzler hat seine Konflikte gehäuft, der Handlungs¬
verlauf verlor dadurch an Uebersichtlichkeit, er greift Geschehnisse aus dem
Leben auf, spinnt die Fäden ein wenig weiter und läßt sie wieder
Wachchungase oiine Gewanf.
rätselvoll in das Leben verlaufen. Die Lebensanschauung, die der Arzt
Neue Züricher Zeitung
des Stückes verkündet, läßt sich mit den Worten des Grillparzerschen
Ausschnitt ausep 1910
Jaromir umschreiben: „Unsere Taten sind nur Würfe in des Zufalls
blinder Nacht — dunkle Nacht, du kannst es wagen, rufst mir: Vater¬
mörder! zu. Ich schlug den, der mich geschlagen, meinen Vater schlugest
vom:
du“, wobei denn der Dichter noch einen Schritt weiter geht und alle
Sünden für Worte erklärt, die im weitereilenden Leben verklingen.
Die Kammerspiele und das Schauspiel¬
Man darf in diesen Anschauungen, die freilich nicht so konsequent
haus eröffneten die Saison mit Arthur
formuliert werden, das destruktive nicht übersehen. Marie welkt an
Schnißler=AbendenWährend sich aber das
der Seite eines alten, kranken Vaters, der sie aus Egoismus von dem
Schauspielhaus mit einer Neueinstudierung der
Manne ihrer Liebe fernhält. Mittlerweile ist jedoch ihr Gefühl verblaßt
„Liebelei" begnügte, versuchten es die Kammerspiele
für den ersten, nachdem sie auf einem Balle einen Leutnant kennen gelernt
mit einem der neueren Schauspiele Schnitzlers, dem
hatte. Nun muß dieser in den Krieg ziehen, das ganze Regiment hat
„Ruf des Lebens“. Leider steht auch in diesem
geschworen, zu sterben, denn vor dreißig Jahren ist es geflohen und will nun
Stück wie in anderen, neueren des Wiener Dichters
die Schmach abwaschen. Wir erfahren, daß Mariens Vater es gewesen, der
damals jene feige Tat verschuldet. Alles drängt in Marie, den Geliebten
die Redseligkeit, mit der alles und jedes entzwei disk
nochmals zu sehen, und sie mischt dem Vater den todbringenden Schlaf¬
putiert wird, in keinem rechten Verhältnis mehr zu
trunk, auf den der Arzt in verbrecherischer Zweideutigkeit hingewiesen.
dem konkreten Inhalt der Akte. Und begegnete un
Im nächsten Akte muß Marie erkennen, daß ihre Liebe in den Augen
nicht sozusagen an jeder Wegbiegung ein pracht
des Mannes nur Spiel gewesen. Der Leutnant hat ein Verhältnis
volles, dichterisches Motiv oder ein abgrundtiefer Ge
mit der Frau seines Obersten, der die patriotische Geste des Opfertodes
danke, wir kämen wahrhaftig zuweilen in Gefahr
seines Regimentes nur ausgedacht, sich und den Schuldigen zu töten;
uns zu langweilen.
eine psychologisch nicht gerade leicht eingängige Entschließung. Während
Im 1154—
Marie sich versteckt hat, kommt die Frau Oberst und fleht.ihren Geliebten
vergebens an, mit ihr zu fliehen. Der Kommandeur überrascht beide
und schießt die Frau nieder. Marie reißt den Leutnant von der Leiche.
Es bleibt ihnen, wie wir später erfahren, nur eine kurze Zeit, dann
ruft die Ehre den Leutnant zu der Leiche zurück, zu deren Füßen er
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
sich tötet. Der letzte Aufa rcht s indenMauntlache-inshon ein
mnkfurter Nachrichten
gangs angedeuteten philosophischen Erörterungen. Der Mittelakt streift
usschnitt aus: und Inteligong H.4
fast an Kinodramatik, das ganze weiß wohl zu fesseln und zu spannen,
AötMls Prunkturt a. u.
aber es peinigt mehr, als es erschüttert. Ueber manchem läßt der
om:
Dichter mit Absicht Schleier; er läßt die eine Ansicht aussprechen.
und auch die andere und meint, vielleicht sind beide richtig oder auh
keine. Gespielt wurde das schwierige Stück in den Hauptrolley sehnffut.
Fund eutn-
Urasßführung am Gärtnerplatz. Cuvillier, der Komiponist der
Münchener Theater, Da¬¬
d t
— — Das Schauspielhaus und die
##rammerspiele gaben gestern Schitzl###ende.
020
K
Im ersteren wurde „Liebelei“ neueinstudiert, in
der Augustenstraße erscholl „Der Ruf des
[Lebens“. Das 1905 erschienene Schauspiel war
für München Novität. Der anwesende Dichter
konnte erscheinen, dennoch war es kein voller Er¬
folg. Schnitzler schlägt hier Motive an, die schon
in der „Liebelei“ erklangen. Die Sehnsucht aus
der Enge ins Freie, die sich mit Gewalt Buhn
bricht, die Frauenliebe, die erfahren muß, daß sie
im Leben des Mannes nur Episode war und ähn¬
liches wirken in der „Liebelei", dem Frühwerk des
Dichters, künstlerisch bezwingender wie hier, wo die
Häufung der Konflikte die Linien verwischt. Das
künstlerisch Stärkste dieser Woche bot das König¬
liche Residenztheater mit Tolstois
„Lebendem Leichnam“ unter Steinrücks fein¬
fühliger Regie, die das spezifisch Russische, wie das
allgemein Menschliche zu stärkster Wirkung brachte.
Die Fedja gestaltete Lützenkirchen mit erschüt¬
ternder Wirkung. Frau v. Hagen spielte eine
alte Dame mit feinster Charakteristik. Es war das
erste mal, daß die Künstlerin ihrer glänzenden Er¬
scheinung die Furchen des Alters anschminkte.“
Sentebar Onastellung in
19. Der Ruf des Lebens
Ausschnitt ausheater-Courier, Berlim
vom:
B
(Mpustache).
spj. München. Kammerlpiele. „Der Ruf des Lebens“
Schauspiel in 3 Akten von Arthur Schnitzler. Erstaufführung. Mi
dem tiefernste Probleme behandelnden## des österreichische
Dramatikers wurde die neue Spielzeit durch die Direktion — Eric
Ziegel= Benno Bing — verheißungsvoll eingeleitet. Das Publikun
Ausschnitt aus:
euchligemeine Rundschau, Müne
folgte mit starkem Interesse der aus ebenso stimmungsvoll wirkenden
Jet Lui
wie theatralisch anmutenden Szenen zusammengesetzten Handlung uni
spendete starken Applaus. Aus der unter der Regie Erich Ziegel¬
vom:
stehenden Wiedergabe sind die Leistungen von Frl. Horwitz uni
1 jan.
Dr. Manning hervorzuheben. Der anwesende Dichter konnte an
Kammerspiele. In Anwesenheit des Dichters wurde Schnitzlers
Schauspiel: „Der Ruf des Lebens“ das beren
Schluß mehrmals an der Rampe erscheinen.
chenhrgren
1
geschrieben, für München jedoch noch Novität war, erstmalig gegeben. Der
Autor konnte erscheinen, da der Beifall einen nicht erheblichen Widerspruch
verstummen machte. Schnitzler hat seine Konflikte gehäuft, der Handlungs¬
verlauf verlor dadurch an Uebersichtlichkeit, er greift Geschehnisse aus dem
Leben auf, spinnt die Fäden ein wenig weiter und läßt sie wieder
Wachchungase oiine Gewanf.
rätselvoll in das Leben verlaufen. Die Lebensanschauung, die der Arzt
Neue Züricher Zeitung
des Stückes verkündet, läßt sich mit den Worten des Grillparzerschen
Ausschnitt ausep 1910
Jaromir umschreiben: „Unsere Taten sind nur Würfe in des Zufalls
blinder Nacht — dunkle Nacht, du kannst es wagen, rufst mir: Vater¬
mörder! zu. Ich schlug den, der mich geschlagen, meinen Vater schlugest
vom:
du“, wobei denn der Dichter noch einen Schritt weiter geht und alle
Sünden für Worte erklärt, die im weitereilenden Leben verklingen.
Die Kammerspiele und das Schauspiel¬
Man darf in diesen Anschauungen, die freilich nicht so konsequent
haus eröffneten die Saison mit Arthur
formuliert werden, das destruktive nicht übersehen. Marie welkt an
Schnißler=AbendenWährend sich aber das
der Seite eines alten, kranken Vaters, der sie aus Egoismus von dem
Schauspielhaus mit einer Neueinstudierung der
Manne ihrer Liebe fernhält. Mittlerweile ist jedoch ihr Gefühl verblaßt
„Liebelei" begnügte, versuchten es die Kammerspiele
für den ersten, nachdem sie auf einem Balle einen Leutnant kennen gelernt
mit einem der neueren Schauspiele Schnitzlers, dem
hatte. Nun muß dieser in den Krieg ziehen, das ganze Regiment hat
„Ruf des Lebens“. Leider steht auch in diesem
geschworen, zu sterben, denn vor dreißig Jahren ist es geflohen und will nun
Stück wie in anderen, neueren des Wiener Dichters
die Schmach abwaschen. Wir erfahren, daß Mariens Vater es gewesen, der
damals jene feige Tat verschuldet. Alles drängt in Marie, den Geliebten
die Redseligkeit, mit der alles und jedes entzwei disk
nochmals zu sehen, und sie mischt dem Vater den todbringenden Schlaf¬
putiert wird, in keinem rechten Verhältnis mehr zu
trunk, auf den der Arzt in verbrecherischer Zweideutigkeit hingewiesen.
dem konkreten Inhalt der Akte. Und begegnete un
Im nächsten Akte muß Marie erkennen, daß ihre Liebe in den Augen
nicht sozusagen an jeder Wegbiegung ein pracht
des Mannes nur Spiel gewesen. Der Leutnant hat ein Verhältnis
volles, dichterisches Motiv oder ein abgrundtiefer Ge
mit der Frau seines Obersten, der die patriotische Geste des Opfertodes
danke, wir kämen wahrhaftig zuweilen in Gefahr
seines Regimentes nur ausgedacht, sich und den Schuldigen zu töten;
uns zu langweilen.
eine psychologisch nicht gerade leicht eingängige Entschließung. Während
Im 1154—
Marie sich versteckt hat, kommt die Frau Oberst und fleht.ihren Geliebten
vergebens an, mit ihr zu fliehen. Der Kommandeur überrascht beide
und schießt die Frau nieder. Marie reißt den Leutnant von der Leiche.
Es bleibt ihnen, wie wir später erfahren, nur eine kurze Zeit, dann
ruft die Ehre den Leutnant zu der Leiche zurück, zu deren Füßen er
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
sich tötet. Der letzte Aufa rcht s indenMauntlache-inshon ein
mnkfurter Nachrichten
gangs angedeuteten philosophischen Erörterungen. Der Mittelakt streift
usschnitt aus: und Inteligong H.4
fast an Kinodramatik, das ganze weiß wohl zu fesseln und zu spannen,
AötMls Prunkturt a. u.
aber es peinigt mehr, als es erschüttert. Ueber manchem läßt der
om:
Dichter mit Absicht Schleier; er läßt die eine Ansicht aussprechen.
und auch die andere und meint, vielleicht sind beide richtig oder auh
keine. Gespielt wurde das schwierige Stück in den Hauptrolley sehnffut.
Fund eutn-
Urasßführung am Gärtnerplatz. Cuvillier, der Komiponist der
Münchener Theater, Da¬¬
d t
— — Das Schauspielhaus und die
##rammerspiele gaben gestern Schitzl###ende.
020
K
Im ersteren wurde „Liebelei“ neueinstudiert, in
der Augustenstraße erscholl „Der Ruf des
[Lebens“. Das 1905 erschienene Schauspiel war
für München Novität. Der anwesende Dichter
konnte erscheinen, dennoch war es kein voller Er¬
folg. Schnitzler schlägt hier Motive an, die schon
in der „Liebelei“ erklangen. Die Sehnsucht aus
der Enge ins Freie, die sich mit Gewalt Buhn
bricht, die Frauenliebe, die erfahren muß, daß sie
im Leben des Mannes nur Episode war und ähn¬
liches wirken in der „Liebelei", dem Frühwerk des
Dichters, künstlerisch bezwingender wie hier, wo die
Häufung der Konflikte die Linien verwischt. Das
künstlerisch Stärkste dieser Woche bot das König¬
liche Residenztheater mit Tolstois
„Lebendem Leichnam“ unter Steinrücks fein¬
fühliger Regie, die das spezifisch Russische, wie das
allgemein Menschliche zu stärkster Wirkung brachte.
Die Fedja gestaltete Lützenkirchen mit erschüt¬
ternder Wirkung. Frau v. Hagen spielte eine
alte Dame mit feinster Charakteristik. Es war das
erste mal, daß die Künstlerin ihrer glänzenden Er¬
scheinung die Furchen des Alters anschminkte.“
Sentebar Onastellung in