II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 477

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Ausschnitt aus: de Neue Zeitung, Wien
130K1. 1911
vom:
Theater und Mndfin.
Deutsches Volkstheater.
Als Neueinstudierung bot diese Bühne Schuitlers¬
„Der Ruf des Lebens“. Der Inhalt des Stückes,
von früheren Aufführungen bekannt, sei kurz stizziert: Es
treten in dem Schauspiel Personen auf, denen der Ruf des
Lebens mehr gilt als Kindes= und Gattenpflicht, Ehre und
Gerechtigkeit. Sie werden zu Verbrechern an Menschen und
Menschenwürde: Marie, die Tochter des alten Mosers, die
um einer Leidenschaft willen ihren Vater vergistet, Irene,
des Obersten Frau, die Untreue um Untreue begeht,
Mariens Base, Katharine, die sich zur Dirne stempelt, und
wieder der alle Moser, der trotz seiner 79 Jahre sich selbst
leben will und seine junge blühende Tochter tyrannisch an
sich kettet. Diesen Gestalten stehen andere gegenüber, die
dem Ruf des Lebens ihr Ohr verschließen und den recht¬
lichen Weg gehen, durchwegs selbstlos, selbstvergessen. Einem
dioser Männer läßt Schnitzler das letzte Wort im Stücke.
Ueber die Darstellung ist nicht zu viel gesagt, wenn
man jede einzelne Leistung dem Geist des Stückes voll¬
kommen angepaßt bezeichnet, Charakteristische, künstlerisch
wertvolle Figuren bieten Lackner (alter Moser), Erika von
Wagner (Marie), Mary Bukovics (Katharine), Annemarie
Steinsieck (Irene), Onno (Mar), Kuischera (Dr. Schindler),
Edihofer (Forstadjunkt) und Kramer (Oberst); wir wollen
den Kreis nicht schließen, ohne Frau Thaller und Wilhelm
Klitsch miteinzubeziehen. Dem Stücke wurde vom Haus¬
eine herzliche Aufnahme bereitet.
(Vochellangape eüne Gewahr.)
Deutsches Tagblatt
Ausschnitt aus:
Ostdeutsche Rundschan
130K1 1974
vom:
Wiar
Deutsches Volkstheater. In einer guten Neu¬
inszenierung wurde Sonnabend Schnitzler4Schau¬
spiel „Der Ruf des Lebens“ vorgeführt. Zu
dieser literarischen Waffentat hat man sich sicher durch das
soldatische Milieu des Stückes verleiten lassen. Ob man
mit der Wiederbelegung dieses düsteren Schauspiels,
dessen konstruierter, ganz unwahrscheinlicher Konflikt
niederdrückend und entmutigend wirkt, der militärischen
Sache einen besonderen Gefallen erwiesen hat, sei in
diesen großen Kriegstagen nicht weiter untersucht. Die
Darstellung wurde den gestellten Aufgaben überall ge¬
recht. Sie meisterte mit Routine das Theatralische und
suchte die Stimmungen auszuschspfen. Gute Punkte sind
in die Führungslisten der Herren Lackner, Kutschera,
Klitsch, Edthofer und der Damen Wagner
und Bukovic einzutragen.
A. U.—
box 24/5
Ausschnitt aus: Wiener Mittags-Zeitung
130KT 1914
vom:
Fheater und Kunst.
(Deutsches Volkstheater.] „Der Ruf des
Jebens“, Schauspiel von Arthur Schn##er. Vielleicht
die denkbar aktuellste Reprise, wenn auch alle Stichworte der
Massenbegeisterung fehlen und ein dumpfer, herber Ernst
eher zu den Schattenseiten einer edel und selbstlos exaltierten¬
Zeit führt. Doch erblüht Geheimnis wie Reichtum der letzten
Anspannung schäumenden und ringenden Lebens hier in
überschwänglicher Vielfalt. Und Philosophie wie Reflexion
über äußerste und geheimnisvollste Menschlichkeiten sprechen
mit der unbedingten Gewalt des Mythischen. Diese Dichtung
rückt Tatsache und Geste des Krieges zurück, in allgemeinen,
in flüchtigen Umrissen zeichnet sich der große Hintergrund
von den stürmischen Fluten spezieller Schicksale ab. Und in¬
diesen Schicksalen mengt sich kalte dramatische Ironie mit,
fäst überspritzter leidenschaftlicher Lyrik, reiht sich barockes
Pathos an Sentenzen des kosmisch allgütigen Lebensver¬
ständnisses. Szenen, die man nicht missen möchte im Diarium
deutscher Theaterkunst, da sie voll sind von sanft elegischem
Verklingen und rein in dieser objektiven, aphorismenfreien
Wehmut, stehen neben Momenten, die blanke und unbeküm¬
merte Bravour geschmiedet hat oder in denen ein phantastisch
scharfer Geist Tragik und Dialektik boshaft mischt. Ganzsge¬
wiß wird hier des Oeftern experimentiert und getändelt mit
den Schleiern und Bedrückungen des Unabänderlichen. Wenn
auch dieses, Spieles Beweglichkeit in allen Farben tiefsinniger
Laune fazettiert. Doch hängt über jedem Wort dieser kühnen
Gaukelei die dunkle Kraft einer Stimmung der Ferne undder
ehrfürchtigen Ungewißheit. In der Fabel dieses Stückes mag
manches dem ekstatischen, auf die Konturen allgemeiner
großzügig popularer Schicksale eingestellten Blick jetzt unge¬
bärdig und allzu eng in seiner burlesken Manier erscheinen.
Seine innere Musik aber beschwingt und umleuchtet die
eherne Gegenwart. Das Deutsche Volkstheater hatte eine
Vorstellung aufgeboten, in der eine selten einhellige und ge¬
schlossene Frische und Präzision lag. Herr Onno spielt nun
den jungen totgeweihten Leutnant. Und hat sich vielleicht noch
nie zu solch beklemmend gedämpfter Schwungkraft und Be¬
feuerung des Tones erhoben. Herr Lackner ist in der Rolle.
des alten Moser von erfinderischer Realistik, Herr Kramer
ein Oberst, zwar ohne die letzte Härte dieser etwas
komödiantischen Dämonie, aber straff und kalt: in den
Frauenpartien war Frau Wagner neu als Marie und
ihre passive, heftig=stille Kraft fand hier schöne intensive Ge¬
legenheiten, während Fräulein Bukovics die Ophelia¬
Silhonette der Katharina zwar nicht mit der feinen Geistig¬
keit, wie einst Paula Müller, zu füllen vermochte, ihr aber
alle Klugheit der Auffassung und alle erforderliche anämische
Lieblichkeit des Spiels gab. Von der alten Besetzung waren
Frau Thaller, Herr Kutschera und Herr Edthofex.
geblieben. Erstere durch ihren herzlichen Ton ebenso er¬
freulich wie die beiden letzteren durch ihre vornehme und
überaus stilvolle Reserviertheit.
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