II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 483

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19. Der Ruf des Lebens
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Meen, unferer Landschaft adähnate Sil, den noch der
Josef Weilen. Der im Vormärz unfreiwillig unter
Dingelstedt der Makartzeit besaß. Jetzt, wo sich das
ener Theater und der Krieg.
die Soldaten gesteckte Dichter hat aus seiner ehrenvoll
ganze deutsche Volk auf seinen Eigenwert neu besinnt
beschlossenen militärischen Dienstzeit das Geschenk ehr¬
Von Dr. Mar Pirker.
und die fremden Schätze, die es nicht immer wählerisch
licher Begeisterung für #en wundervollen Nationen¬
uHerbstbeginn schüchtern im Dröhnen des
herbeigerafft, überprüft, wäre die Gelegenheit da, eine
organismus der österreichischen Armee mit in seine
die Frage aufflatterte: Sollen wir Theater
neue wienerische Theaterkultur zu schaffen und damit
weitere, so eng mit dem Burgtheater verknüpfte Lauf¬
gaten einsichtige Publizisten mit gewichtigen
auch der österreichischen Provinz einen festen Mittel¬
bahn bekommen: er macht den Prinzen Eugen zum;
nd mit einem resoluten Ja auf den Plan.
punkt zu geben. Das kann und darf aber nicht so
Verkünder der Größe Österreichs. „Am Tage von
te vor der lähmenden Massenpsychose, in
geschehen, daß man alte, brave Volksstücke, wie etwa
Oudenarde“ heißt das hübsche, kleine Stück, zum ersten
geistige und künstlerische Leben stockt, man
das Langersche „Zwei Mann von Heß“ neu adaptiert,
Male im Jahre 1865, anläßlich der Enthüllung des
sich an das im üppigen Alltag des Friedens
oder durch schreibsertige Stückefabrikanten das unge¬
Prinz Eugen=Denkmals, aufgeführt: und doch mehr
ne Dichterwort von der Schaubühne als
heure Ringen der Gegenwart zu Gelegenheitsstücken
als ein bloßes Gelegenheitsstück. Es geht eine hinreißende
lischen Anstalt, man sprach von ihrer er¬
„verarbeiten“ läßt, deren Titel von den Schlagworten
Wärme von der Rede des Prinzen aus, dessen gewaltige
geist= und herzerhebenden Kraft, von hundert
des Tages leben. Dazu ist das Erleben dieser Tage zu
geistige Bedeutung vielleicht noch manches, wohl nur
eellen und, was nicht weniger ins Gewicht
heilig, zu gewaltig: wir empfinden die Mache nicht
episch zu lösende Problem bieten dürfte: eine Wärme,
chaftlichen Gründen. Denn mit dem geistigen
nur als ausdringliche Störung, sondern als Sakrileg,
der sich keiner der im festlich beleuchteten Hause Ver¬
Der Nation, zu dessen Stützen das Theater
als Sünde nicht nur wider den Geschmack, sondern
sammelten entzog. Es sind vielleicht die großen Worte,
igt der schon in Friedenszeit oft genug von
wider den Geist dieser Zeit. Tritt diese Fabriks¬
die einfachen Linien Her Generation von gestern nötig,
gen bedrohte materielle Haushalt des Schau¬
ware im gesälligen Gewande guter Operetten¬
um die heterogene Masse des Theaterpublikums in
g zusammen und so wird, was vor wenigen
Musik auf, wie etwa Leon=Kalmans Singspiel „Gold
ein für den Moment einheitliches Gefühl ineinander¬
och eine rein künstlerische Frage war: der
gab ich für Eisen“, so gibt man sich eher zufrieden
zuschmelzen. Es war vielleicht nicht nur das spezifisch
rieb, eine der vielen sozialen Pflichten und
und erhofft für unsere schon an bebenklicher Stoff¬
Norddeutsche, das den „Prinzen von Homburg“, mit
n, die die große Zeit an den nicht unmittel¬
armut dahinsiechende Operette eine Neubelebung, ob¬
dem sich das Burgtheater=Ensemble im Theater an der
gten stellt. Wie haben sich nun die Erwar¬
wohl die ungeheuren äußeren und inneren Dimensionen
Wien dem Publikum vorstellte, in eine kühlere, mehr
ffnungen, im Theater Erhebung, Trost und
dieses Krieges keine so günstigen Bedingungen schaffen,
literarische, als menschliche Atmosphäre tauchte. Es ist die
zu finden, im ersten Theatermonat erfüllt,
wie die kriegerischen Harlekinaden der französischen Re¬
tragische Größe Kleists, sein an Kant genährter Relativis¬
wir für die nächste Zukunft zu erwarten?
volution für Goethes „Bürgergeneral“. Und auch die
mus, der seinen Helden der unbedenklich vorwärtsstürmen¬
Wiener Theater haben eine stolze Tradition
erhabenen Momente gehen heute unter in dem Brausen
den Schwungkraft, der Naivetät, die das Volk instinktiv
en: daß sie dieser großen Vergangenheit nicht
der in Bewegung gesetzten Massen: das alte Helden¬
verlangt, beraubt: ihn freilich dem Kenner des Lebens
echt wurden, ward in den letzten Jahren
ideal, wie Hindenburgs aufstrahlender Name zeigt, noch
nur noch näher aus Herz rückt. Daß aber auch wir
festgestellt. Es mangelte nicht am Glanz
immer lebendig, ist heute wie schon im Roman des
heute eingeordnet sind in ein großes Allgemein¬
n, die die „Burg“ einst zur ersten Bühne
neunzehnten Jahrhunderts demokratisiert, und so war es
gefühl, zeigt das fremde, abweisende Gefühl, mit
s machten, nicht am schauspielerischen
ganz natürlich, daß man bei der Eröffnungsvorstellung
dem wir Schnitzlers Der Ruf des Lebens“ auf der :
ber indem sich Wien wie jede andere Gro߬
des Burgtheaters neben Grillparzers zündendem
Bühn Volkskhraters begrüßten. Hier wird der
en internationalen Großbetrieb einordnete,
Radetzky=Prolog den hervorragendsten Festspieldichter der
Relativismus Methode und führt zu dem sehr unzeit¬
Eigengut verloren, vor allem der unserem „Laube= und Dingelstedtzeit zu Worte kommen ließ: gemäßen Räsonnement über den einzigen überlebenden;
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