II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 485

d
Leb
box 24/5
19. Der RufSens
absorbiert hat, hat uns Sudermanns Schauspiel „Der fakalem Konnex zu den reduzierten Schauspielergagen,
uen, todgeweihten Kürassiere, der sich, getreu
aber sie sind nicht nur eine wirtschaftliche Notwendigkeit,
gute Ruf“ gezeigt, vielleicht nur zu sehr. Er soll jetzt,
rte, selbst den Tod gab: „Er wird vielleicht der
dem vor nicht allzulanger Zeit der Spottname: Kotzebue
sondern auch ein Sinnbild. Ein Sinnbild dafür, daß
sein, dessen Name bleiben wird, weil er nicht
entgegengellte, Sardou entbehrlich machen, er wird zum
heute die Kunst Zuflucht sein muß für alle Mühseligen
Held, sondern auch eine Art von Narr gewesen
und Beladenen, daß heute auch der Mittelstand ins
modernen Juvenal von Groß=Berlin ausgerufen, zum
he Launen hat der Ruhm.“ Heute hat der Ruhm
Dichter der Plutokratie und ihrer fragwürdigen Ethik.
aunen, unsere Existenz hat das Spielerische,
Parkett gehört, weil seine Söhne auf dem großen
Wie harmlos und bieder ist noch etwa Fontanes „Frau
Schlachtentheater ebenso bluten, wie die eleganten
lative, zwischen Wahrheit und Täuschung
kende, worin ein wesentliches Moment der
Jenny Treibel“ gegen die Damen aus Berlin W., die Herren, denen vordem diese Plätze allein zugänglich
Sudermann uns vorstellt. Uns ist heute Berlinwaren. Und auf die Galerien rücken vielleicht Schichten
und beveutenden Kunst Schnitzlers liegt, ver¬
und das von Bernhard Shaw, dem Starnach, die früher grollend abseits standen, wenn von den
st ernst, absolut, wahrhaft geworden. Aus diesem
der vorjährigen Burgtheater=Saison, geschmähte
Gaben der Kunst die Rede war. So vollbringt die Er¬
heraus blieb auch dem kürzlich in Berlin zum
Potsdam etwas ganz anderes, als die Kreise aus „So¬
ineuerung unserer Nation ganz in der Stille, was die
il aufgeführten „jungen Medardus“ der volle
doms Ende“ zu vertreten imstande sind, deren Ahnen
flautesten internationalen Programme nicht vermochten.
versagt: ganz abgesehen davon, daß die bunte
Das Theater wird zum Treffpunkt, an dem die gesamte
kaum viel mit dem märkischen Sande zu tun haben.
ille dieses in Einzelheiten wundervollen Dramas
Wir brauchen keine Sudermann=Renaissance, mag uns
Bevölkerung Anteil gewinnt: hier werden die Extra¬
hmen der Bühne sprengt. Und es hätte ein
auch der geschickte Theatermann nicht unwillkommen
blätter, die schon der alte Schikaneber zu geschickten
ngsvoller Gruß Wiens, das ja die eigentliche
sein. Wir schauen sehnsüchtig nach dem großen Gestalter
Zwischenaktscoups auszunützen verstand und die heute in
des Dramas ist, an das brüderliche Berlin
aus, der uns alle die Sudermanns, das ganze Sardou¬
Berlin schon selbst auf die Bühne gekommen sind, zu
können: ein Symbol für das Wien von 1805
Ereignissen, die dem Stück auf der Bühne die ernste
Epigonentum, entbehrlich macht. Er reitet vielleicht,
809, da mitten im Banne der Fremdherrschaft
wie Lilieneron bei Gravelotte, gegen den Feind: Ich
Folie geben, ohne die wir uns heute kein noch so all¬
ens „Fidelio“ seine Uraufführung erlebt. Freilich
denke an Fritz von Unruh, dessen „Louis Ferdinand“
tägliches Ding mehr denken können. So wirb der Schau¬
„Konstellation“, wie ein Bericht meldet, recht
Zensurkonflikte, die unserem Repertoiredirektor sicher er¬
spieler zum Herold des Weltgeschehens, wie wir alle
ig, das Theater „gar nicht gefüllt“. Da war
spart bleiben, erfuhr, dessen Drama „Offiziere“ heute
heute Mitwirkende sind an dem großen Szenenwandel,
tgefüllte Hofoper, die nach dem Lohengrin den
auf dem Spielplan der Neuen Wiener Bühne steht.
der unseren Erdteil erschüttert. Es ziemt sich, daß wir
brachte, ein erfreulicherer Anblick. Aus dem
Oder an Karl Hauptmann, dessen grausiges „Kosaken“=
diese Herolde und Tröster nicht als lästige Spaßwacher
Florestans wehten uns die Schauer des Despotis¬
Momentbild im knappen Aufriß einer Szene das ver¬
r##i uns weisen, sondern weiterhin willig und freudig
tgegen, aber die ewigen Mächte der Menschen¬
wüstete Ostpreußen vors Auge rückt. Wie in der Lyrik,
ihrem Spiel lauschen. In dem Alt=Wiener Lied von
egen über die Dämonik der feindlichen Mächte,
Rochus Pumpernickel heißt es:
wird erst die Zukunft die Spreu des gutgemeinten oder
higeniens Seelenreinheit, durch die ausgezeichnete
schlau erfundenen Gelegenheitsstückes sondern von der
ung im Volkstheater uns neu vor die Seele
„Einmal därf es keinem kränken
köstlichen Frucht des echten, dem Geist der Epoche ent¬
über die Barbaren triumphiert. So werden
Dem Theater Zwölferl schenken,
sprungenen Kunstwerks.
ertrauten Stücke, die zu Rollenstücken oder zu
Zwölferl is ja so nit viel.“
Überblicken wir also die künstlerische Ernte dieses
xperimenten herabgesunken schienen, wieder neu¬
Wir sollen nicht nur einmal, sondern so oft als
ersten Theatermonats im großen Kriege, so können wir
g, entschleiern uns den Sinn der Gegenwart
nur möglich dem Theater „Zwölferl schenken“: dann erst
trotz allem und allem zufrieden sein. Diese Zufriedenheit
iseres Seins überhaupt, befestigen uns im Ver¬
haben wir unsere Publikumspflicht gegenüber unserer
steigert sich zum beglückenden Bewußtsein: wir stehen
auf unsere bedrohte, geschmähte, verleumdete
Theaterkultur erfüllt.
auch hier auf einem Posten, und auf keinem verlorenen.
Kultur. Wie sehr diese Kultur die tragfähigen
Gewiß stehen die angenehmen billigen Eintrittspreise in
rksamen Elemente der französischen Theaterkultur