C
1
19.
box 24/5
Der Ruf Leb..—
—Ait aus
Schaubühne, Berlin
vom:
n
Ausschnitt aus:
Troppaber Noitih
#* Als dritte Folge des zeitgerechten Bestrebens, Stücke zu
-7500 1974
vom:
bringen, in denen Uniformen vorkommen und der Krieg sich
thematisch bemerkbar macht: eine Neu=Inszenierung von
—
Sch#Lebens. Ein Schauspiel, in dem hinter
Todesverachtung, Heldenhaftigkeit und Kriegspathos, taktvoll,
aber immerhin, Fragezeichen gesetzt werden und die Ideologie
Cheater, Künst und Literatur
der Pflicht, taktvoll, aber immerhin, nicht unwidersprochen
bleibt. Also, wie man sieht, ein Stück, nur äußerlich zur“
1„Dir Ruf des Lebens“, Schauspiel in 3 Aktér
Stimmung dieser Tage passend, in denen der Ruf vom Leben
von Arthur Schnitzler.
weg laut und anhaltend über den Erdteil klingt. Das leicht
e
gekünstelte, mit Zurückhaltung bedeutsame Drama ist in die¬
Die Voranzeige der Theaterkanzlei bezeich
sen Blättern seinerzeit sorgfältig gewürdigt worden. Es zeigt in
#nete' Schnitzlers „Der Ruf des Lebens“ als
schöner Deutlichkeit alle Merkmale Schnitzlerscher Feinheit und
jaktuell. Das ist hoffentlich ein Irrtum, her¬
Schwäche: eine vielfach bestrebte, locker ausschwärmende Ge¬
vorgerufen durch den losen Zusammenhang, der¬
danklichkeit (um dem rohen Theater hinreichend Raum und
die gruselige Komödie mit den Kriegsereignissen
Weg freizugeben); ein ins Breite fehlschlagendes Bemühen, ins
des vorigen Jahrhunderts zu haben vorgibt. Wir
Tiefe zu motivieren; eine bis zur Unwahrscheinlichkeit noble
haben aber eine viel zu gute Meinung von der
Sprache; ein Versuch, Strenges mit Zartem zu paaren, als
Denkungsart unseres Volkes, als daß es in so
dessen züchterisches Ergebnis, leider, doch kein reinrassiges
ernster Zeit Geschmack an den perversen Ueber¬
Drama zu Tage kommt!
treibungen eines durch seine eigenen Erfolge über¬
spannt gewordenen sogenannten „Wiener Lieb¬
331
lings“ finden könnte. Ich bin ganz gewiß kein
Moralist, der die Unmoral und den Materialis¬
mus von der Bühne verbannen möchte, im Ge¬
genteil, wir sollen lernen, wie das Leben in
Wirklichkeit aussieht, aber es muß auch wirh¬
liches Leben sein, das uns vorgeführt wird.
Schnitzlers Figuren dagegen kranken fast aus¬
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
nahmslos an innerer Unwahrscheinlichkeit, sie
Oesterreichische Mer
sind psychologisch entartet, Typen, wie man sie
Ausschnitt aus:
auf der Beobachtungsabteilung findet oder in
und Hande
der Phantasie eines Dichters, der wie Schnitzler
-6NOV19 74
vom:
—
seine Richtung verloren hat in der Sucht, die
mondainen Nerven seiner Bewunderinnen zu
kitzeln. Er trug zu diesem Zwecke aus der Li¬
Vom Stadttheater in Troppan
teratur fast alles zusammen, was sie Gruseliges
Der Ruf des Lebens.
geschaffen hat. Er kopiert Dumas und Ibsen,
aber beide schlecht, und nur in den sinnlichen
Schauspiel in 4 Acten von Artur Schnitzler.
Szenen findet er sich selbst wieder. Das Ganze
(Erstaufführung am 5. November 1914 im Stadttheater)
ist nicht mehr und nicht weniger, als unerquick¬
in Troppau.)
lich. Nachdem in jedem Akt einer der Helden
Von der Menschheitstragödie bis zur Tra¬
mittels der verschiedensten Todesarten aus der
gödie der Menschlein — welch ein weiter Weg!
Welt geschafft wurde, wäre vielleicht der ver¬
und doch — wie spinnen sich die Fäden hin¬
söhnlichste Abschluß ein vierter Akt, in dem
über und herüber. Und am letzten Jude greift
der Autor gehängt wird
uns vielleicht doch das Geschick der blauen Kü¬
Auf die Darstellung war viel Fleiß und
raßiere tiefer ans Herz als der unsür
Eifer verwendet worden. Insbesondere Herr
mer den er aus dem Tantalusgeschlecht —
Direktor Dr. Schlismann=Brandt wußtes
denn hier ist Leben — Blut von unserem Blut.
mit dem Ibsen=Charakter des alten Moser zu¬
Der Erfolg des gestrigen Abends ist jedoch
packen. Irl. May lieh der Marie alle Vor¬
in erster Reihe der ausgezeichneten Aufführung
züge ihres jungen, frischen Talents, in die ver¬
zuzuschreiben. Abgesehen von der Intelligenz
schlungenen Irrwege der Schnitzlerschen Phantasiel
und der eigenen Gestaltungskraft der betreffen¬
aber vermochte sie naturgemäß nicht voll ein¬
den Künstler gebührt hierfür eine Anerkennung
zudringen. Gut für sie. Eine auffallend gute
der Regie, die auch die Vorstellung auf den rich¬
Leistung war die Katharina Fräulein Holms.
tigen Ton stimmte. Direktor Dr. Schlie߬
Auch Frl. Wilsen war als Irene voll und
mann=Brandt spielte den alten Moser
mit vollendeter Charakteristik, Adolf Mohr
ganz am Platze. Herr Mahr machte aus seiner
bot eine Leistung aus einem Guß, man kann
eigentlich wenig dankbaren Rolle, was sich eben
diese Rolle nicht besser darstellen. Die Herren
aus ihr machen läßt. Frl. Conrady wußten
Jensen, Moser, Lovrics, Wahsmut, die Damen
ebensowenig wie der Autor selbst, was ihre Frau
Conrady, Wilson, Holm taten vollauf ihre
Schuldigkeit. Frl. May spielte die Marie mit
noch die Herren Jensen, Waßmuth und
anerkennenswertem Fleiß und Studium. Heute
Lovric. Ueberhaupt ist sowohl an der Dar¬
ist sie noch nicht ganz der schwierigen Rolle ge¬
stellung, wie an der Regie nur wenig auszu¬
wachsen — immerhin zeigte sie schöne, begeh¬
setzen. Serviert wurde gut, nur die Kost konnte
renswerte Aufflüge zur Größe. — Jedes Ding
uns nicht recht behagen.
auf Erden, nun gar erst recht die Kunst braucht
C. L.
L. W.)
Zeit und Weile.
Aus der Theaterkanzlei wird uns geschrie¬
Er
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Der Ruf Leb..—
—Ait aus
Schaubühne, Berlin
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Ausschnitt aus:
Troppaber Noitih
#* Als dritte Folge des zeitgerechten Bestrebens, Stücke zu
-7500 1974
vom:
bringen, in denen Uniformen vorkommen und der Krieg sich
thematisch bemerkbar macht: eine Neu=Inszenierung von
—
Sch#Lebens. Ein Schauspiel, in dem hinter
Todesverachtung, Heldenhaftigkeit und Kriegspathos, taktvoll,
aber immerhin, Fragezeichen gesetzt werden und die Ideologie
Cheater, Künst und Literatur
der Pflicht, taktvoll, aber immerhin, nicht unwidersprochen
bleibt. Also, wie man sieht, ein Stück, nur äußerlich zur“
1„Dir Ruf des Lebens“, Schauspiel in 3 Aktér
Stimmung dieser Tage passend, in denen der Ruf vom Leben
von Arthur Schnitzler.
weg laut und anhaltend über den Erdteil klingt. Das leicht
e
gekünstelte, mit Zurückhaltung bedeutsame Drama ist in die¬
Die Voranzeige der Theaterkanzlei bezeich
sen Blättern seinerzeit sorgfältig gewürdigt worden. Es zeigt in
#nete' Schnitzlers „Der Ruf des Lebens“ als
schöner Deutlichkeit alle Merkmale Schnitzlerscher Feinheit und
jaktuell. Das ist hoffentlich ein Irrtum, her¬
Schwäche: eine vielfach bestrebte, locker ausschwärmende Ge¬
vorgerufen durch den losen Zusammenhang, der¬
danklichkeit (um dem rohen Theater hinreichend Raum und
die gruselige Komödie mit den Kriegsereignissen
Weg freizugeben); ein ins Breite fehlschlagendes Bemühen, ins
des vorigen Jahrhunderts zu haben vorgibt. Wir
Tiefe zu motivieren; eine bis zur Unwahrscheinlichkeit noble
haben aber eine viel zu gute Meinung von der
Sprache; ein Versuch, Strenges mit Zartem zu paaren, als
Denkungsart unseres Volkes, als daß es in so
dessen züchterisches Ergebnis, leider, doch kein reinrassiges
ernster Zeit Geschmack an den perversen Ueber¬
Drama zu Tage kommt!
treibungen eines durch seine eigenen Erfolge über¬
spannt gewordenen sogenannten „Wiener Lieb¬
331
lings“ finden könnte. Ich bin ganz gewiß kein
Moralist, der die Unmoral und den Materialis¬
mus von der Bühne verbannen möchte, im Ge¬
genteil, wir sollen lernen, wie das Leben in
Wirklichkeit aussieht, aber es muß auch wirh¬
liches Leben sein, das uns vorgeführt wird.
Schnitzlers Figuren dagegen kranken fast aus¬
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
nahmslos an innerer Unwahrscheinlichkeit, sie
Oesterreichische Mer
sind psychologisch entartet, Typen, wie man sie
Ausschnitt aus:
auf der Beobachtungsabteilung findet oder in
und Hande
der Phantasie eines Dichters, der wie Schnitzler
-6NOV19 74
vom:
—
seine Richtung verloren hat in der Sucht, die
mondainen Nerven seiner Bewunderinnen zu
kitzeln. Er trug zu diesem Zwecke aus der Li¬
Vom Stadttheater in Troppan
teratur fast alles zusammen, was sie Gruseliges
Der Ruf des Lebens.
geschaffen hat. Er kopiert Dumas und Ibsen,
aber beide schlecht, und nur in den sinnlichen
Schauspiel in 4 Acten von Artur Schnitzler.
Szenen findet er sich selbst wieder. Das Ganze
(Erstaufführung am 5. November 1914 im Stadttheater)
ist nicht mehr und nicht weniger, als unerquick¬
in Troppau.)
lich. Nachdem in jedem Akt einer der Helden
Von der Menschheitstragödie bis zur Tra¬
mittels der verschiedensten Todesarten aus der
gödie der Menschlein — welch ein weiter Weg!
Welt geschafft wurde, wäre vielleicht der ver¬
und doch — wie spinnen sich die Fäden hin¬
söhnlichste Abschluß ein vierter Akt, in dem
über und herüber. Und am letzten Jude greift
der Autor gehängt wird
uns vielleicht doch das Geschick der blauen Kü¬
Auf die Darstellung war viel Fleiß und
raßiere tiefer ans Herz als der unsür
Eifer verwendet worden. Insbesondere Herr
mer den er aus dem Tantalusgeschlecht —
Direktor Dr. Schlismann=Brandt wußtes
denn hier ist Leben — Blut von unserem Blut.
mit dem Ibsen=Charakter des alten Moser zu¬
Der Erfolg des gestrigen Abends ist jedoch
packen. Irl. May lieh der Marie alle Vor¬
in erster Reihe der ausgezeichneten Aufführung
züge ihres jungen, frischen Talents, in die ver¬
zuzuschreiben. Abgesehen von der Intelligenz
schlungenen Irrwege der Schnitzlerschen Phantasiel
und der eigenen Gestaltungskraft der betreffen¬
aber vermochte sie naturgemäß nicht voll ein¬
den Künstler gebührt hierfür eine Anerkennung
zudringen. Gut für sie. Eine auffallend gute
der Regie, die auch die Vorstellung auf den rich¬
Leistung war die Katharina Fräulein Holms.
tigen Ton stimmte. Direktor Dr. Schlie߬
Auch Frl. Wilsen war als Irene voll und
mann=Brandt spielte den alten Moser
mit vollendeter Charakteristik, Adolf Mohr
ganz am Platze. Herr Mahr machte aus seiner
bot eine Leistung aus einem Guß, man kann
eigentlich wenig dankbaren Rolle, was sich eben
diese Rolle nicht besser darstellen. Die Herren
aus ihr machen läßt. Frl. Conrady wußten
Jensen, Moser, Lovrics, Wahsmut, die Damen
ebensowenig wie der Autor selbst, was ihre Frau
Conrady, Wilson, Holm taten vollauf ihre
Schuldigkeit. Frl. May spielte die Marie mit
noch die Herren Jensen, Waßmuth und
anerkennenswertem Fleiß und Studium. Heute
Lovric. Ueberhaupt ist sowohl an der Dar¬
ist sie noch nicht ganz der schwierigen Rolle ge¬
stellung, wie an der Regie nur wenig auszu¬
wachsen — immerhin zeigte sie schöne, begeh¬
setzen. Serviert wurde gut, nur die Kost konnte
renswerte Aufflüge zur Größe. — Jedes Ding
uns nicht recht behagen.
auf Erden, nun gar erst recht die Kunst braucht
C. L.
L. W.)
Zeit und Weile.
Aus der Theaterkanzlei wird uns geschrie¬
Er