II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 526

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Leh
19. Der Ruf des Ledens

S
durst treibt ihre unrettbar verlorene schwindsüchtige! Kürassiere, von dem oben die Rede war, nach Friedrich (Leutnant Max). Hans Peppler
Cousine Katharina, in noch viel schrankenloserer außen hin so bezeichnend drapiert mit der Not= (Oberst), vor allem Fritz Gildemeistor ge¬
nannt sein, der den alten Moser vortrefflich charak¬
wendigkeit, die „Schmach“ abwaschen zu müssen, die
terisierte und Ernst L. Franken, der mit der
Weise die wenigen Jahre, die ihr noch zu leben
vor 30 Jahren dieses Regiment durch seine Flucht
vergönnt sind, zu genießen, ja in leichtfertigen
Selbstzerstörung die Frist durch Ausschweifung ne auf sich geladen hat, dahin aber auch der ganze allerdings prachivollen und dankbaren Rolle de¬
#Arztes nach unserem Empfinden die beste Leistung
des Abends bot. Die Dekoration des dritten Aktes.
ens.“
rtstages von zu verkürzen, Lebensdurst spricht aus den Worten übrigc militärische Ehrenkoder, den Schnitzler hier
entsprach nicht den Vorschriften des Dichters.
feierten und des jungen Kürassieroffiziers Albrecht von Holz=rückhaltlos an den Pranger gestellt hat: Der von
dem ihn „verehrenden“ Helden=Leutnant betrogene
sieht's doch nicht in den niederösterreichischen Aspen
“.Prozeß zu warth, der sich nicht finden kann in den unsienigen
und kelogene Oberst, der seine Frau, als er sie
aus! Um so stimmungsvoller wirkte das Zimmer
nlichkeit ge= und egoistischen Entschluß seines Obersten, eines
beim belauschten Rendezvous ertappt, selbst nieder¬
des ersten Aktes, nur von dem Geräusch der unter
führte unser Typs jenes hochherrlichen Militarismus, dem Men¬
dem Fenster vorbeiziehenden Truppen war nichts
nats der Lei schenleben nur Nummern sind, sein ganzes Regi= schießt, aber den Leutnant zwingt, den Mord auf
Dr. E,
sich zu nehmen und sich eine Kugel vor den Kopf
„Der Rufsment einem sicheren Tode zu weihen, um heraus¬
zu schießen! Und ebenso jener andere Leutnant, iszu hören.
der durch einen Zufall tatsächlich als einziger aus¬##
gedichtet ist. zubekommen, ob seine Frau einen anderen liebt.
#ches Offizier= Levensdurst hat eben diese jungee Frau in die Arme
jener unsinnigen Menschenschlächterei entkommt,
des 19. Jahr= des jungen Leutnants Max getrieben und veran¬
aber eben deshalb sich seibst totschießen muß, demf
katischer Span= laßt sie, ihn noch in letzter Stunde anzuflehen, sich
in dritten fast und ihr ein „neues“ freieres Leben zu erhalten. geltenden militärischen „Ehrbegriffen“, zufolge,
Hauptpersonen Lebensdurst liegt hinter den Träumen des Forst= auf die er als vernünftiger Mensch pfeift und die
er für verrückt hält, denen er sich aber doch als
en
tnis= und ein adjunkten, der sich in der idyllisch schön gel
Offizier sklavisch beugt. Wer Schnitzlers Werke
nur dieser Oberförsterei in der grünen Steiermark ein reiches,
kennt, der weiß, daß dieser Dichter stets schonungs¬
ksem Milieu wonniges Leben an der Seite des geliebten Mäd¬
los Menschen und Zustände geschildert hat, so wie
kenntnis oder,schens erhofft hatte; und die Anerkennung dieses
Stückes liegt Prinzipes des Lebenwollens und Lebensollens für sie tatsächlich waren, und unter diesem Gesichts¬
punkte gewinnt das vorliegende Stück heute, wo
er Ruf des Le= alles was jung und schön und kräftig ist, treibt
wir den kläglichen Zusammenbruch des inner¬
Fliches und un= den Arzt, in dem Schnitzler, selbst von Beruf Medi¬
lich eben schon längst verrotteien k k. Heeres
ziner, sich wohl porträtiert hat, bedenkenlos dem
und Staates miterlebi haben, ein höchst aktuelles
— das spricht
jungen Mädchen den Gifttrank gleichsam in die
Interesse. Im Ganzen aber wird man doch auch
ieses Dramas!
in ihnen allen Hand zu drücken, der nicht nur einen alten bösen
hier wieder die Empfindung haben, daß der feine
der stärkste Mann von einem weiteren unheilbaren und qual¬
Aesthet Schnitzler der großen Masse des Publikums,
vollen Leiden erlöst, sondern auch der Tochter, die
die ins Theater geht, um sich zu „amüsieren“, wenig
iebe ist, der
er peinigt, den Weg zum Lebensglück öffnen soll.
zu sagen hat, um so mehr aber Menschen die ernst¬
ngen und alle
haft zu den großen sittlichen Problemen der Gegen¬
Aber der Auswirkung dieses Verlangens nach
ishunger trieb
wart Stellung nehmen wollen.
st den jetzt alt= Leben, das mit so elementarer Wucht bei so ver¬
r, der plötzlich schiedenen Menschen sich bemerkbar macht stellen
Die Aufführung litt, wie auch sonst häufig in
sich die gesellschaftlichen Zustände einer Welt, die
anik nicht Ein¬
letzter Zeit, darunter, daß besonders die Träge¬
der Dichter nicht billigt, hindernd entgegen, und
hir sein Leben
rinnen der weiblichen Rollen durchweg viel zu
dadurch wird der „Ruf des Lebens“ zugleich zum
unheilbar dem
[leise sprachen. Auch die genialste und feelisch
sozialen Drama, in welchem schonungslos dem schon
sich an das
zart=diskreteste Darstellung nützt dem Zuschauer
in der Mitte des 19. Jahrhunderts in vollster Deka¬¬
kalten Egoisten
nichts, wenn er schon von der 10. Reihe des Zu¬
die ihm durch denz befindlichen Oesterreich ein Spiegel vor Augen
schauerraumes nichts mehr verstehen kann.
ll: Lebensdurst gehalten wird. Auf Schritt und. Tritt stoßen sich
Im übrigen bewährten sich Grete Holz¬
ein 26jähriges, die Menschen in ihrem berechtigten Lebensdrang
[Walleck (eine ausgezeichnet den unwidersteh¬
it, zu der ent= an den Schranken, welche die verkehrten gesellschaft¬
lichen Lebensdrang verkörpernde Marie), Ruthl
er, der sie mit lichen Zustände und Sitten aufgerichetet haben.
Baldor (eine verführerische Katharina), Helene
en, sodann sich Durch sie wird entweder ihr Leben in sinnwidriger
hn es auch nur Weise vernichtet, oder aber eben ihr Lebensdrang Sauer (rassig als Oberstfrau Irene), Tessa
eine Nacht ist, auf falsche, unnatürliche Bahnen gelenkt. Dahin! Wolter=Felder (Tante Toni), nicht minder
kann; Lebens=gehört der edle Plan des Obersten der blauen wie die männlichen Kräfte, unter denen neben Max)