II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 525

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19. Der Ruf Lebens
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Homigebeigel Veins-Antlung
Königsberg i. Pr.
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durst treibt ihre unrettbar verlorene schwindsüchtige! Kürgssiere, von dem oben die Rede war, nach] Fi
außen hin so bezeichnend drapiert mit der Not= (D
Cousine Katharina, in noch viel schrankenloserer
wendigkeit, die „Schmach“ abwaschen zu müssen, die na#
Kunst und Wissen
Weise die wenigen Jahre, die ihr noch zu leben
vor 30 Jahren dieses Regiment durch seine Flucht ter
vergönnt sind, zu genießen, ja in leichtfertiger
Neues Schauspielhaus.
auf sich geladen hat, dahin aber auch der ganze all
Selbstzerstörung die Frist durch Ausschweifung noch
Schnitzler: „Der Ruf des Lebens.“
zu verkürzen Lebensdurst spricht aus den Worten übrigs militärische Ehrenkodex, den Schnitzler hier Au
des jungen Kürassieroffiziers Albrecht von Holz=rückhaltlos an den Pranger gestellt hat: Der von de
Zur Feier des 60jährigen Geburtstages von
dem Ihn „verehrenden“ Helden=Leutnant betrogenee
Arthur Schnitzler, dem viel gefeierten und
viel geschmähten, durch den „Reigen“=Prozeß zu warth, der sich nicht finden kann in den unsinnigen
und Felogene Oberst, der seine Frau, als er sie
und egoistischen Entschluß seines Obersten, eines
beim elauschten Rendezvous ertappt, selbst nieder= at
einer nie gewollten Sensationspersönlichkeit ge¬
Typs jenes hochherrlichen Militarismus, dem Men¬
schießt aber den Leutnant zwingt, den Mord auf
wordenen österreichischen Dichter, führte unser
schenleben nur Nummern sind, sein ganzes Regi¬
sich zu nehmen und sich eine Kugel vor den Kopf
Schauspielhaus im Rahmen des „Monats der Le¬
bendigen“ sein dreiaktiges Schauspiel: „Der Ruffment einem sicheren Tode zu weihen, um heraus¬
zu schießen! Und ebenso jener andere Leutnant, 3#
des Lebens“ auf, das 1905 gedichtet ist. zubekommen ob seine Frau einen anderen liebt.
Aeußerlich betrachtet, ein österreichisches Offizier= Lebensdurst hat eben diese jungee Frau in die Arme der durch einen Zufall tatsächlich als einziger aus
und Militärstück, das um die Mitte des 19. Jahr= des jungen Leutnants Max getrieben und veran= jener unsinnigen Menschenschlächterei entkommt,
hunderts spielt und nach starker dramatischer Span= laßt sie, ihn noch in letzter Stunde anzuflehen, sich aber eben deshalb sich selbst tolschießen muß, demte
und ihr ein „neues“, freieres Leben zu erhalten. geltenden militärischen „Ehrbegriffen“ zufolgs,
nung im ersten und zweiten Akte im dritten fast
Lebensdurst liegt hinter den Träumen des Forst= auf die er als vermünftiger Mensch pfeift und dle
er für verrückt häit, denen er sich aber doch als
episch ausklingt, soweit es sich um die Hauptpersonen
adjunkten, der sich in der idyllisch schön gelegenen
Offizier sklavisch bengt. Wer Schnitzlers Werke
handelt, tiefer betrachtet, ein Bekenntnis= und ein
Oberförsterei in der grünen Steiermark ein reiches,
Gesellschaftsdrama, wie es so eben nur dieser
wonniges Leben an der Seite des geliebten Mäd= kennt, der weiß, daß dieser Dichter stets schonungs¬
los Menschen und Zustände geschildert hat, so wie
Dichter aus dieser Zeit und diesem Milieu
chens erhofft hatte; und die Anerkennung dieses
sie tatsächlich waren, und unter diesem Gesichts¬
heraus schreiben konnte. Das Bekenntnis oder,
Prinzipes des Lebenwollens und Lebensollens für
punkte gewinnt das vorliegende Stück heute, wo#
wenn man will, die „Tendenz“ des Stückes liegt
alles, was jung und schön und kräftig ist, treibt
wir den kläglichen Zusammenbruch des inner¬
bereits in seinem Titel angedeutet: „Der Ruf des Le¬
den Arzt, in dem Schnitzler, selbst von Beruf Medi¬
bens!“ Durst, heister Durst, unerschöpfliches und un¬
ziner, sich wohl porträtiert hat, bedenkenlos dem lich eben schon längst verrotteien k. k. Heeres
bezwingliches Verlangen nach Leben — das spricht
jungen Mädchen den Gifttrank gleichsam in die und Skaates miterlebt haben, ein höchst aktuelles
aus jeder Zeile, aus jeder Gestalt dieses Dramas!
Hand zu drücken, der nicht nur einen alten bösen Interesse. Im Ganzen aber wird man doch auch
Es ist so, als we#e Schnitzler an ihnen allen
Mann von einem weiteren unheilbaren und qual= hier wieder die Empfindung haben, daß der feine
zeigen, daß dieser Lebenshunger der stärkste
vollen Leiden erlöst, sondern auch der Tochter, die Aesthet Schnitzler der großen Masse des Publikums,
und elementarste aller Triebe ist, der
er peinigt, den Weg zum Lebensglück öffnen soll. die ins Theater geht, um sich zu „amüsieren“, wenig
zu sagen hat, um so mehr aber Menschen, die ernst¬
die Menschen sich über alle Hemmungen und alle
Aber der Auswirkung dieses Verlangens nach
haft zu den großen sittlichen Problemen der Gegen¬
Rücksichten hinwegsetzen läßt. Lebenshunger trieb
Leben, das mit so elementarer Wucht bei so ver¬
wart Stellung nehmen wollen.
seinerzeit in der Stunde der Schlacht den jetzt alt¬
schiedenen Menschen sich bemerkbar macht, stellen
gewordenen Rittmeister a. D. Moser, der plötzlich
Die Aufführung litt, wie auch sonst häufig in
sich die gesellschaftlichen Zustände einer Welt, die
ihn und seiner Eskadron fassenden Panik nicht Ein¬
letzter Zeit, darunter, daß besonders die Träge¬
der Dichter nicht billigt, hindernd entgegen, und
halt zu gebieten und durch die Fluchtn sein Leben
rinnen der weiblichen Rollen durchweg viel zu
dadurch wird der „Ruf des Lebens“ zugleich zum
zu retten, Lebensdurst läßt noch den unheilbar dem
leise sprachen. Auch die genialste und seelisch
sozialen Drama, in welchem schonungslos dem schon
Tode verfallenen 79jährigen Greis sich an das
zart=diskreteste Darstellung nützt dem Zuschauer
in der Mitte des 19. Jahrhunderts in vollster Deka¬¬
Leben klamnnern und macht den kalten Egoisten
nichts, wenn er schon von der 10. Reihe des Zu¬
denz befindlichen Oesterreich ein Spiegel vor Augen
zum brutalen Peiniger seiner Tochter, die ihm durch
schauerraumes nichts mehr verstehen kann.
gehalten wird. Auf Schritt und. Tritt stoßen sich
ihre Pflege sein Leben verlängern soll; Lebensdurst
die Menschen in ihrem berechtigten Lebensdrang
Im übrigen bewährten sich Grete Holz=
aber treibt eben dieses Mädchen ein 26jähriges,
an den Schranken, welche die verkehrten gesellschaft¬
Walleck (eine ausgezeichnet den unwidersteh¬
blühendes Geschöpf mit heißem Blut, zu der ent¬
lichen Lebensdrang verkörpernde Marie), Ruthss
scheidenden Doppeltat, erst den Vater, der sie mit lichen Zustände und Sitten aufgerichetet haben.
Baldor (eine verführerische Katharina), Helene
sich einsperren will, durch Gift zu töten, sodann sich Durch sie wird entweder ihr Leben in sinnwidriger
Sauer (rassig als Oberstfrau Irene), Tessa
dem Geliebten hinzugeben und wenn es auch nur Weise vernichtet, oder aber eben ihr Lebensdrang
noch auf ein paar Stunden, auf eine Nacht ist, auf falsche, unnatürliche Bahnen gelenkt. Dahin] Wolter=Felder (Tante Toni), nicht minder
in der sie das Leben voll auskosten kann; Lebens= gehört der edle Plan des Obersten der blauen wie die männlichen Kräfte, unter denen neben Max