II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 562

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19. Der Ruf des Lebens
die verstimmende Absicht, liegt in einer leid

hat beim An¬
erkennbaren Anspielung zu Tage
bruche eines Krieges beschlossen, mit feinem ganze
Regiment in den Tod zu gehen, weil an dessen Fahne
aus einew früheren Feldzuge her die Schuld eine
großen F#heit als Makel haftet. Aber natürlich gib
Erklärung
Herr Schnützler die modern psychologische
der Oberst will diese Regimentsschmach nur zun
den
sein Regiment
um
Vorwande nehmen,
Tod zu führen und sich einen geschichtlichen Heldenruhm als
theatralischen Abgang zu sichern, während er in Wirklich¬
keit den Tod wegen der Untreue seiner Gattin sucht.
Eine geradezu klassisch=jüdische Eitelkeitsspielerei! Ihrer
Schilderung der übrigen Per¬
gleichwertig
sonen. Die ehebrecherische Gattin erfährt die Absicht des
ihrem Geliebten, um diesen zu
Obersten und eilt zu
feiger Flucht zu überreden, wird vom Gatten über¬
rascht und erschossen. Zeugin dieser Szene aber wird die Tochter
jenes alten Rittmeisters a. D., der in Wirtlichkeit Schuld an der
Feigheit trägt, die dem Regimente zur Schande gereicht. Die
Tochter vergiftet ihn, um die eine letzte Nacht, die ihrem
Geliebten, dem jungen Leutnant, verblieben ist, in dessen
Armen zu verbringen. In einen Mantel gehüllt verläßt
mit ihm die Stube, auf deren Fußboden der
mnam der erschossenen Frau allein zurückbleibt.
uß: Erzählung von dem Untergange des Regimentes,
Erzählung von dem, was man sich über den Obersten und
den Leutnant erzählt habe und der mehr als dunkle Hinweis
auf einen Ruf des Lebens, den Marie in der Erinnerung
an den um einer Liebesnacht willen ermordeten Vater er¬
wartet, derweilen sie ihrem Oberförster lange Jagdstrümpfe strickt.
Um was in aller Welt ist es dem Dichter bei diesem Mach¬
werke gegangen? Schnitzler hat früher mit Vorliebe die an¬
mütig herausgeputzte „Liebelei“ der Wiener Wäschermädeln
behandelt. Aber schon in „Der einsame Weg“ trat das Grob¬
knige seiner Entartung stark hervor, im „Ruf des Lebens“
feiert jene Perversität ihren Triumph, die sich als Veits¬
kanz eines untergehenden ganzen Zeitalters
ibt. Daneben leitet ihn, der wegen einer das österreichische
Heer beleidigenden Novelle den Charakter eines Militärarztes
durch ehrengerichtlichen Spruch verlor, der Haß des Ausge¬
stößenen gegen die gute Gesellschaft und den ehrenhaften Geist
des Heeres. Grund genug, ihn zu feiern — — im Schatten
des Schillerjahres!
Freie Freude.
Nicht an die Gunst der sonnigen Stunden
ist unsre freie Freude gebunden,
ihre weißen Flügel schwellt
ewiger Wind der ewigen Welt.
Huschende Schatten sind ihr die Sorgen,
und sie tanzt zwischen heute und morgen;
wenn ein leiser Wunsch gebeut,
wird ihr gestern wieder heut.
Ueber die Wolken mit leichten Füßen
(chreitet sie, ewige Sterne zu grüßen,
und sie taucht wie Sonnenschein
tief in Rosenkelche ein.
Selbst, wo die Schatten des Todes weben,
lebt sie ihr freies, ewiges Leben -
lächelnd spielt sie mit Schatten und Licht,
und der Wandel berührt sie nicht.
Nicht an die Gunst der sonnigen Stunden
ist unsre freie Freude gebunden,
ihre weißen Flügel schwellt
ewiger Wind der ewigen Welt.