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S am
18. Der einsade Neg
em Nachrichtendienst durch
eisene Korrespondenten.
Telephon: III, 3051.
Berlin N. 24.
—
Ausschnitt aus
sie in seine Villa und genießt heimliche Wonnen. Zuweilen steigt
Neues Wiener Journal
der Wunsch in ihrer Seele auf, dem geliebten Manne mehr zu
sein als eine „Geliebte“, aber dies nur für einen Augenblick.
TAFEB. 1904
Dann schilt sie sich selbst. Nicht als ein verliebtes Ding will sie
an ihm hängen und ihm, dem hochfliegenden Geiste, Fesseln an¬
legen, die ihm über kurz oder lang lästig werden müßten, wie
ihm die der ersten Ehe lästig geworden waren, und da er ihr,
Theater und Kunst.
einer Laune nachgebend, den Antrag stellt, als seine Frau mit
ihm die Reise zu machen, da willigt sie nicht ein und verspricht
„Der einsame
Weg.
die Antwort für morgen. Doch diesen Morgen, weiß sie, wird sie
nicht erleben. Sie hat mit dem Leben abgeschlossen. Das kurze
Schauspiel in fünf Acten von Dr. Arthur Schnitzler. Erst¬
aufführung im Deutschen Theu
Glück, das sie verstohlen genossen, war Alles, was ihr das
(Telegramm unseres Correspondenten.)
Leben zu geben vermochte und sie ertränkt sich im Teiche der
Berlin, 13. Februar.
Villa des Geliebten.
Wieder mußte Arthur Schnitzler mit seinem jüngsten Werke
Fichtner hat Felir ein volles Geständniß abgelegt. Ohne
nach Berlin auswandern, wo sich ihm willig die Bühnen¬
etwas zu beschönigen, ohne sich zu ntschuldigen hat er ihm die
pforten öffnen.
Geschichte seines Doppelverrathes an dem Freunde und an der
Der „einsame Weg“, das ist der Weg hinab, den alle
Geliebten erzählt. Wenn er die Verzeihung des Sohnes erhofft
Jene allein gehen, die Niemandem gehört haben. Das Altern,
hatte, sah er sich getäuscht. Alle Sympathien, die Felix für
sagt der Dichter, ist nun einmal eine einsame Beschäftigung in¬
Fichtner hatte, ehe er die Wahrheit kannte, sind mit einem Male
sonderheit für Menschen, die allezeit nur sich selbst gelebt haben, verflogen. Er muß erkennen, daß er die Liebe seines Sohnes,
die nie im Leben ein Stück ihrer Behaglichkeit Anderen geopfert,
an der sich der Alternde aufzurichten gehofft hatte, nie erringen
die nie wirklich geliebt, sondern immer nur zu lieben geglaubt
wird, muß die Wahrheit des Satzes erkennen, daß mun verflucht
haben, denn lieben heißt, für jemand Anderen auf der Welt sein.
wenig für einen Menschen gethan hat, wenn man nichts that, als
Was die Menschen gewöhnlich für Liebe ausgeben, ist allerlei
ihn die Welt zu setzen. Ja er muß Zeuge sein, wie der
Lustiges, Verlogenes, Zärtliches, Leidenschaftliches, aber Liebe ist
gemeinsame Schmerz über den Tod Johannas Felix in die Arme
es nicht.
Wegraths führt, der ihm wohl nicht das Leben geschenkt hat,
Um die Handlung zu erzählen, müssen wir dreiundzwanzig
aber ihm trotzdem allezeit ein Vater war.
Jahre zurückgreifen. Da kamen eines Tages auf ihrer Künstler¬
Der „Einsame Weg“ stellt sich als ein Abschied des
fahrt zwei junge Maler, der allezeit correcte Wegrath (Oskar
Dichters von seinem „Anatol“ dar, als eine Absage an die Ver¬
Sauer) und der kraftgenialische Julian Fichtner (Rudolf Rittner)
gangenheit der tändelnden Liebelei und als ein Abschied von
in ein Alpendorf und lernten Gabriele, die liebreizende Tochter
seiner Jugend. Der Reiz des Werkes liegt nicht in der Handlung,
einfacher Leute kennen. Wegrath verlor sein Herz an das Mädchen
sondern in dem unendlich feinen Dialog und in der Stimmungs¬
und ward als Werber von den Eltern gut aufgenommen.
malerei.
Gabriele aber fühlte sich mehr zu Fichtner hingezogen,
Die Aufnahme war eine getheilte. Das Publicum ging nicht
der alle Eigenschaften besaß, die ein Mädchenherz gewinnen können,
immer mit dem Dichter, schien ihn nicht immer zu verstehen,
auch jene Frechheit, die kühn zugreift und sich auch kein Gewissen
Doch überwog der Beifall nach einigen Actschlüssen so sehr, daß
daraus macht, die Braut des Freundes zu nehmen. Gabriele
Schnitzler wiederholt dankend erscheinen konnte, und im Ganzen
aber dachte über diesen Punkt anders und ließ sich von dem Ge¬
und Großen darf man wohl von einem Erfolg sprechen. Die Auf¬
liebten versprechen, sie mit sich zu nehmen, um unangenehmen
führung war eine der besten, die das Dentsche Theater in der
Auseinandersetzungen mit dem Bräutigam und den Eltern aus¬
letzten Zeit geboten hat. Bassermann, Sauer, Rittner
zuweichen. Julian ist auch willens gewesen, mit dem Mädchen,
und die Triesch boten hervorragende Schauspielkunst.
das er auf seine Weise liebte, zu fliehen, aber im letzten Moment
scheut er davor zurück, sich eine Last fürs ganze Leben auf¬
zubürden, er reist allein ab, das Mädchen, das sich ihm hin¬
gegeben hatte, zurücklassend. Der Verrath am Freunde bedrückt
ihn nicht. Der Mann ist geradezu geschaffen, um hintergangen zu
werden, damit rechtfertigt er seine That bei sich, also ist es nur
recht und billig, daß er hintergangen wird. Und Gabriele denkt
zwar nicht so niedrig, wie der Geliebte, aber sie wird die Gattin
Wegrath's, die Frucht des Geliebten unterm Herzen.
Zu Beginn des Stückes thun wir einen Blick in die Familie
Wegrath's. Er ist Professor und Director der Akademie der
Künste geworden, ein „Kunstbeamter“, wie er sich selbst nennt,
der alljährlich sein Bild für die Ausstellung malt, correct ohne
nach einer Richtung hin aufzuregen. Frau Gabriele (Hedwig
Pauly) hat ihm zwei Kinder geboren, den Reiterofficier Felix
(Herr Stieler) und Johanna (Irene Triesch), und hat ihm ein un¬
getrübtes Glück bereitet, da sie ihn ahnungslos darüber gelasseni¬
hat, daß er nicht der Vater seines Sohnes ist. Die Lüge, mit
der Gabriele in die Ehe getreten, hat sich als stark genug er¬
wiesen, den Frieden des Hauses zu tragen. Frau Wegrath ist
schwer krank, sie fühlt, daß es mit ihr zu Ende geht und es
drängt sie, ihrem Sohne zu gestehen, wem er sein Dasein ver¬
dankt, aber daran hindert sie ihr kluger Hausarzt, dem sie die
S am
18. Der einsade Neg
em Nachrichtendienst durch
eisene Korrespondenten.
Telephon: III, 3051.
Berlin N. 24.
—
Ausschnitt aus
sie in seine Villa und genießt heimliche Wonnen. Zuweilen steigt
Neues Wiener Journal
der Wunsch in ihrer Seele auf, dem geliebten Manne mehr zu
sein als eine „Geliebte“, aber dies nur für einen Augenblick.
TAFEB. 1904
Dann schilt sie sich selbst. Nicht als ein verliebtes Ding will sie
an ihm hängen und ihm, dem hochfliegenden Geiste, Fesseln an¬
legen, die ihm über kurz oder lang lästig werden müßten, wie
ihm die der ersten Ehe lästig geworden waren, und da er ihr,
Theater und Kunst.
einer Laune nachgebend, den Antrag stellt, als seine Frau mit
ihm die Reise zu machen, da willigt sie nicht ein und verspricht
„Der einsame
Weg.
die Antwort für morgen. Doch diesen Morgen, weiß sie, wird sie
nicht erleben. Sie hat mit dem Leben abgeschlossen. Das kurze
Schauspiel in fünf Acten von Dr. Arthur Schnitzler. Erst¬
aufführung im Deutschen Theu
Glück, das sie verstohlen genossen, war Alles, was ihr das
(Telegramm unseres Correspondenten.)
Leben zu geben vermochte und sie ertränkt sich im Teiche der
Berlin, 13. Februar.
Villa des Geliebten.
Wieder mußte Arthur Schnitzler mit seinem jüngsten Werke
Fichtner hat Felir ein volles Geständniß abgelegt. Ohne
nach Berlin auswandern, wo sich ihm willig die Bühnen¬
etwas zu beschönigen, ohne sich zu ntschuldigen hat er ihm die
pforten öffnen.
Geschichte seines Doppelverrathes an dem Freunde und an der
Der „einsame Weg“, das ist der Weg hinab, den alle
Geliebten erzählt. Wenn er die Verzeihung des Sohnes erhofft
Jene allein gehen, die Niemandem gehört haben. Das Altern,
hatte, sah er sich getäuscht. Alle Sympathien, die Felix für
sagt der Dichter, ist nun einmal eine einsame Beschäftigung in¬
Fichtner hatte, ehe er die Wahrheit kannte, sind mit einem Male
sonderheit für Menschen, die allezeit nur sich selbst gelebt haben, verflogen. Er muß erkennen, daß er die Liebe seines Sohnes,
die nie im Leben ein Stück ihrer Behaglichkeit Anderen geopfert,
an der sich der Alternde aufzurichten gehofft hatte, nie erringen
die nie wirklich geliebt, sondern immer nur zu lieben geglaubt
wird, muß die Wahrheit des Satzes erkennen, daß mun verflucht
haben, denn lieben heißt, für jemand Anderen auf der Welt sein.
wenig für einen Menschen gethan hat, wenn man nichts that, als
Was die Menschen gewöhnlich für Liebe ausgeben, ist allerlei
ihn die Welt zu setzen. Ja er muß Zeuge sein, wie der
Lustiges, Verlogenes, Zärtliches, Leidenschaftliches, aber Liebe ist
gemeinsame Schmerz über den Tod Johannas Felix in die Arme
es nicht.
Wegraths führt, der ihm wohl nicht das Leben geschenkt hat,
Um die Handlung zu erzählen, müssen wir dreiundzwanzig
aber ihm trotzdem allezeit ein Vater war.
Jahre zurückgreifen. Da kamen eines Tages auf ihrer Künstler¬
Der „Einsame Weg“ stellt sich als ein Abschied des
fahrt zwei junge Maler, der allezeit correcte Wegrath (Oskar
Dichters von seinem „Anatol“ dar, als eine Absage an die Ver¬
Sauer) und der kraftgenialische Julian Fichtner (Rudolf Rittner)
gangenheit der tändelnden Liebelei und als ein Abschied von
in ein Alpendorf und lernten Gabriele, die liebreizende Tochter
seiner Jugend. Der Reiz des Werkes liegt nicht in der Handlung,
einfacher Leute kennen. Wegrath verlor sein Herz an das Mädchen
sondern in dem unendlich feinen Dialog und in der Stimmungs¬
und ward als Werber von den Eltern gut aufgenommen.
malerei.
Gabriele aber fühlte sich mehr zu Fichtner hingezogen,
Die Aufnahme war eine getheilte. Das Publicum ging nicht
der alle Eigenschaften besaß, die ein Mädchenherz gewinnen können,
immer mit dem Dichter, schien ihn nicht immer zu verstehen,
auch jene Frechheit, die kühn zugreift und sich auch kein Gewissen
Doch überwog der Beifall nach einigen Actschlüssen so sehr, daß
daraus macht, die Braut des Freundes zu nehmen. Gabriele
Schnitzler wiederholt dankend erscheinen konnte, und im Ganzen
aber dachte über diesen Punkt anders und ließ sich von dem Ge¬
und Großen darf man wohl von einem Erfolg sprechen. Die Auf¬
liebten versprechen, sie mit sich zu nehmen, um unangenehmen
führung war eine der besten, die das Dentsche Theater in der
Auseinandersetzungen mit dem Bräutigam und den Eltern aus¬
letzten Zeit geboten hat. Bassermann, Sauer, Rittner
zuweichen. Julian ist auch willens gewesen, mit dem Mädchen,
und die Triesch boten hervorragende Schauspielkunst.
das er auf seine Weise liebte, zu fliehen, aber im letzten Moment
scheut er davor zurück, sich eine Last fürs ganze Leben auf¬
zubürden, er reist allein ab, das Mädchen, das sich ihm hin¬
gegeben hatte, zurücklassend. Der Verrath am Freunde bedrückt
ihn nicht. Der Mann ist geradezu geschaffen, um hintergangen zu
werden, damit rechtfertigt er seine That bei sich, also ist es nur
recht und billig, daß er hintergangen wird. Und Gabriele denkt
zwar nicht so niedrig, wie der Geliebte, aber sie wird die Gattin
Wegrath's, die Frucht des Geliebten unterm Herzen.
Zu Beginn des Stückes thun wir einen Blick in die Familie
Wegrath's. Er ist Professor und Director der Akademie der
Künste geworden, ein „Kunstbeamter“, wie er sich selbst nennt,
der alljährlich sein Bild für die Ausstellung malt, correct ohne
nach einer Richtung hin aufzuregen. Frau Gabriele (Hedwig
Pauly) hat ihm zwei Kinder geboren, den Reiterofficier Felix
(Herr Stieler) und Johanna (Irene Triesch), und hat ihm ein un¬
getrübtes Glück bereitet, da sie ihn ahnungslos darüber gelasseni¬
hat, daß er nicht der Vater seines Sohnes ist. Die Lüge, mit
der Gabriele in die Ehe getreten, hat sich als stark genug er¬
wiesen, den Frieden des Hauses zu tragen. Frau Wegrath ist
schwer krank, sie fühlt, daß es mit ihr zu Ende geht und es
drängt sie, ihrem Sohne zu gestehen, wem er sein Dasein ver¬
dankt, aber daran hindert sie ihr kluger Hausarzt, dem sie die