II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 26

und ward als Werber von den Eltern gut aufgenommen.
malerei.
Die Aufnahme war eine getheilte. Das Publicum ging nicht
Gabriele aber fühlte sich mehr zu Fichtner hingezogen,
der alle Eigenschaften besaß, die ein Mädchenherz gewinnen können,
immer mit dem Dichter, schien ihn nicht immer zu verstehen.
auch jene Frechheit, die kühn zugreift und sich auch kein Gewissen
Doch überwog der Beifall nach einigen Actschlüssen so sehr, daß
daraus macht, die Braut des Freundes zu nehmen. Gabriele
Schnitzler wiederholt dankend erscheinen konnte, und im Ganzen
aber dachte über diesen Punkt anders und ließ sich von dem Ge¬
und Großen darf man wohl von einem Erfolg sprechen. Die Auf¬
liebten versprechen, sie mit sich zu nehmen, um unangenehmen
führung war eine der besten, die das Deutsche Theater in der
Auseinandersetzungen mit dem Bräutigam und den Eltern aus¬
letzten Zeit geboten hat. Bassermann, Sauer, Rittner
zuweichen. Julian ist auch willens gewesen, mit dem Mädchen, und die Triesch boten hervorragende Schauspielkunst.
das er auf seine Weise liebte, zu fliehen, aber im letzten Moment

scheut er davor zurück, sich eine Last fürs ganze Leben auf¬
zubürden, er reist allein ab, das Mädchen, das sich ihm hin¬
gegeben hatte, zurücklassend. Der Verrath am Freunde bedrückt
ihn nicht. Der Mann ist geradezu geschaffen, um hintergangen zu
werden, damit rechtfertigt er seine That bei sich, also ist es nur
recht und billig, daß er hintergangen wird. Und Gabriele denkt
zwar nicht so niedrig, wie der Geliebte, aber sie wird die Gattin
Wegrath's, die Frucht des Geliebten unterm Herzen.
Zu Beginn des Stückes thun wir einen Blick in die Familie
Wegrath's. Er ist Professor und Director der Akademie der
Künste geworden, ein „Kunstbeamter“, wie er sich selbst nennt,
der alljährlich sein Bild für die Ausstellung malt, correct ohne
nach einer Richtung hin aufzuregen. Frau Gabriele (Hedwig
Pauly) hat ihm zwei Kinder geboren, den Reiterofficier Felix
(Herr Stieler) und Johanna (Irene Triesch). und hat ihm ein un¬
getrübtes Glück bereitet, da sie ihn ahnungslos darüber gelassen
hat, daß er nich der Vater seines Sohnes ist. Die Lüge, mit
der Gabriele in die Ehe getreten, hat sich als stark genug er¬
wiesen, den Frieden des Hauses zu tragen. Frau Wegrath ist
schwer krank, sie fühlt, daß es mit ihr zu Ende geht und es
drängt sie, ihrem Sohne zu gestehen, wem er sein Dasein ver¬
dankt, aber daran hindert sie ihr kluger Hausarzt, dem sie die
sie denn aus der Welt,
Wahrheit gebeichtet hatte. So scheidet
ohne ein Geständniß abgelegt zu haben.
sich in der Welt herum¬
Julian Fichtner, der lange Zeit
getrieben hat, kehrt nach Wien zurück. Seine Hoffnungen als
Künstler haben sich nicht erfüllt. Er blieb immer das große Talent,
von dem noch Herrliches zu erwarten sein wird. Aber das
Herrliche wollte sich nicht einstellen, denn, wie zu den Menschen
fand er auch zu seiner Kunst kein dauerndes Verhältniß. Sein
Leben ist wie in einem Rausch von Zärlichkeit und Leidenschaft
dahingeflossen. Damit aber geht es zu Ende. Er hat zu altern
begonnen. Nur mehr erbetteln oder gar erkaufen muß er sich
Lügen von schöner Frauen Mund. Ihm ekelt vor
Da
der Vergangenheit und graut vor der Zukunft.
Es
erwachen Vatergefühle in ihm.
Felix nicht offen als seinen Sohn anerkennen zu dürfen, und er
möchte wenigstens in seiner Nähe sein. Seine Jugendgeliebte
Gabriele trifft er nicht mehr an. Zufällig erfährt er von ihrem
In einer Scene voll Poesie und Stimmungsreiz, wie sie
nur einem echten Dichter gelingt, erräth Felix die Wahrheit. Er
besucht Fichtner, um sich ein Jugendporträt der Mutter zeigen
zu lassen, das Fichtner gemalt hatte. Dieser sucht das Bild,
das er selbst im Taumel seines ungezügelten Lebens vergessen
hatte, hervor, und während Beide das Bildniß betrachten, steigen
Jugenderinnerungen in Fichtner auf und Felix erräth, daß sein
Vater vor ihm steht.
Es erübrigt, bevor man in der Erzählung der Handlung
fortfährt, etwas von Johanna. der Tochte Wegrath's, zu sagen.
Diese Gestalt hat Schnitzler besonders vertieft. Sie erinnert an
eine Beairice, mit der sie entfernt verwandte Züge hat. Auch sie
gehört in die Kategorie der gewissen kleinen süßen Mädel, die
Schnitzler in die Literatur eingeführt hat, doch bringt er wie bei
Beatrice eine Nuance des Somnambulen hinzn. Es ist nicht
leicht, den Charakter zu erfassen, denn Johanna ist ein ganz
eigenartiges Wesen; ein starker Zug von Hysterie, der sie selbst
ihrer nächsten Umgebung stets fremd erscheinen läßt; eine
die
sich aber ihrer Gedanken und
Nachtwandlernatur,
Handlungen selbst nicht immer Rechenschaft zu geben weiß, ist
sie fest durchdrungen davon, ein zweites Leben zu führen, über¬
zeugt davon, daß sie Erinnerungen an das erste Leben bewahrt,
das sie vor tausend und mehr Jahren auf einer griechischen Insel
als lydische Sclavin durchlebte. Im Hause des Professors ver¬
kehrt Herr v. Sala (Albert Bassermann), ein Schriftsteller, dem
Gattin und Tochter vor Jahren gestorben sind. Er ist schwer
krank, dem nahen Tode verfallen, ohne aber über die Natur
seines Leidens im Klaren zu sein, denn weitgreifende Pläne
beschäftigen ihn. Einer Expedition nach Asien will er sich an¬
schließen, um an den Ausgrabungen des alten Ekbatana theil¬
daß Sala sterbenskrank ist,
zunehmen. Johanna weiß,
Glück an seiner Seite
weiß, daß ein dauerndes
erstohlen schleicht
nicht zu finden ist, dessenungeachtet liebt sie-Ilrumm