II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 40

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18. Der einsane neg
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Tochter Johanna, ist ein hysterisches Mädchen, in der ein unruhiges, Herr Bassermann (von Sala) war nur im ersten Alb
zu sehr Biedermeier. Dann gab er den frostigen Spötterk
abenteuerndes Blut hämmert. Auch Fichtner selbst ist wieder ins
nièren.
ausgezeichnet. Rudolf Rittner (Fichtner), Oskar Sauer)
Haus gekommen, ein Mann von Welt, mit einer verfeinerten und kalt¬
(Wegrath), Irene Triesch (Johanna), Kurt Stieler (Felix), in
iestes Schauspiel, ein gedehnter
blütigen Genußsucht, erfüllt aber auch von Bitterkeit, weil sein Traum
der Schwermut besser als im Pathos, gaben ein überaus fein
hatte gestern im Deutschen
von großem Künstlertum keine Erfüllung gefunden hat. Noch ein
getöntes Gesamtspiel. Und wieder — schon zum zweiten Male in
am kamen einige Hervorrufe zu
anderer Mann, Fichtner ähnlich in den Regungen einer rücksichts¬
diesem Jahr! — zeigte die Ausstattung, daß man sich im Deutschen
kem Häuflein, das in Schnitzler,
losen Ichanbetung, nur eisiger noch, ist in diesen Kreis getreten. Es
Theater die „Errungenschaften der Neuzeit“ anzueignen beginnt.
geschrieben, noch immer einen
ist Herr v. Sala, Globetrotter und geistreicher Räsonneur.
Fichtner und dieser Herr v. Sala werden allmählich — ach wie
Stück ülerhaupt? Schon „Der
allmählich! — die traurigen Helden des Schauspiels. Nach dem Tode der
Neigung des Dichters, mit
se
Frau Gabriele bricht der auf Unwahrheit gegründete Familienverbang#
gehaltenen Absichtlichkeit klare
auseinander. Alle Beteiligten, nur der Pfeudovater Wegrat,
Buhüllen Man glaubt ein Ibsen
wissen nicht, daß Felix in Fichtner seinen Erzenger zu sehen #it.
Einnt und nur durch dicke Wolken¬
Fichtner umschwärmt nun das Herz des Sohnes. Alterno, an Ent#u¬
n verändern, zum gemeinen Volke
schungen reich, sehnt er sich nach Stab und Stütze. Zu spät. Dem junhen
kur ein starker Empfinder, sondern
Lentnant scheint Blut nicht dicker als Wasser. Mit dem feinen Insthikt
tte nicht auf diesen Weg ge¬
des anständigen Charakters sieht er in Fichtner nur den Mann, Der
auch nicht in dem ehrlichen
das ahnungslose Herz der Mutter verraten hat.
über sich selbst hinauszukommen

indessen, nicht minder ergraut, aber noch voll von
ersteigen. Seine Persönlichkeit,
kunftsplänen, auch Sala sieht seine Gottähnlichkeit in Trümmer
g von weltkundigem Cynismus,
gehen. Drohende Todeskrankheit läßt ihn von seinen großen Ent¬
elt durch sich selbst zu wirken.
würfen abstehen. Und noch mehr. Johanna Wegrath, die ihn liebt,
etiefste Tiefe steigen und geriet in
nimmt sich selbst das Leben. Die Tochter jener Frau, die nicht den
n wollte er letzte psychologische
Mut zum Sterben hatte, als sie in Schande geriet, eilt, wie dem Hörer
die schaulustige Menge unver¬
scheinen muß, ohne ersichtlichen Grund, in einer krankhaften Begierde
t Mühe nur entziffert sich die
nach Schmerz, aus dem Ringe der Lebendigen. Nun geht auch Sala
Faktere beschreibt; mit Mühe nur
und tötet sich. So stiebt alles auseinander, in den Tod oder
der Kern des Schauspiels; mit
in ein friedloses Leben. Jeder geht den „einsamen Weg“, jeder in
d eines Dichters immer würdige
keiner Art. Mit Untreue, Lüge und Selbstsucht sind die Alten vor
fet einander. Verstehet einander.
jenen zwei Jahrzehnten einander begegnet. Nun rächt es sich an
ihnen und an ihrer Brut.
hin Ibsens Spuren, daß er die
In so furchtbarem Ernst löst sich zuletzt Schnitzlers Schauspiel.
einer weit zurückliegenden Vor¬
Das ist nicht mehr die sanfte Melancholie, die der Wiener sonst
bielen das Leben,“ wie er selbst in
aus den Volksliedern seiner Heimat auf die Bühne zu
agt hat. Vor zwanzig und mehr
bringen wußte. Das ist völlige Verzweiflung und absolute
Dorfe zwei junge Maler kennen
Verneinung. Eine Verneinung, an die uns glauben zu machen, dem
braver junger Mann, der sie zur
Stück die großgestaltende, menschenschöpferische, wahrhaft künstlerische
k andere, ein Feuerkopf mit ein¬
Natur nicht minder fehlt wie die Klarheit. Miserere! Miserere!
e. Mit Fichtner wollte sie fliehen,
In Sterbeseufzer und Selbstzerfleischung klingt mit dem frischen Ruf
er Fichtner selbst war es, der
gesünderen Lebens nur eine einzige Stimme hinein. Sie gehört einer
Enns seiner Künstlernatur schreckte
Frau, die einst von Fichtner geliebt, aber schnell mit Paschalanne bei¬
Prtungen zurück. Gabrikle ging
seite geschoben war, einer Frau mit dem Scheine der Verderbtheit,
biederen Wegrath. Sie schenkte
aber rührend in der Stärke ihrer unbefriedigten Muttersehnsucht.
n nannte. Schenkte ihm später
Diese Figur ist bester Schnitzler. Und uns lieber noch, als die vielen
geistreichen Sentiments, die wir uns an den langen Wegstrecken des
vorüber — ich sagte es schon.
Schauspiels pflücken dürfen, und die uns dann auf Minuten die
ele, seine Frau, ist eine Sterbende,
Schwäche des Ganzen vergessen lassen.
ch hebt. All die Zeit hat sie mit
Es war Else Lehmann, die eben dieser Frau ihr ganzes prächtiges
hat. wie nun das Leben so ist. ihm
Lebendigsein gab. Auch sonst kam das Stück mit seiner Fülle verhaltener!
aufgebaut. Der Sohn, Fichtners
Offizier; die Tochter, Wegraths! Stimmungen der Spielweise Brahms auf halbem Wege eutgegen.!