II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 39

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18. Der einaune neg
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Tochter Johanna, ist ein hysterisches Mädchen, in der ein unruhiges
abenteuerndes Blut hämmert. Auch Fichtner selbst ist wieder ins
Drei Premièren.
Haus gekommen, ein Mann von Welt, mit einer verfeinerten und kalt¬
F. E. Arthur Schnitzlers neuestes Schauspiel, ein gebehnter
blütigen Genußsucht, erfüllt aber auch von Bitterkeit, weil sein Traum
Fünfakter: „Der einsame Weg“ hatte gestern im Deutschen
von großem Künstlertum keine Erfüllung gefunden hat. Noch ein
Theater keinen Erfolg. Nur mühsam kamen einige Hervorrufe zu
kanderer Mann, Fichtner ähnlich in den Regungen einer rücksichts¬
stande, warm befürwortet von einem Häuflein, das in Schnitzler,
losen Ichanbetung, nur eisiger noch, ist in diesen Kreis getreten. Es
auch wenn er ein mißglücktes Stück geschrieben, noch immer einen
ist Herr v. Sala, Globetrotter und geistreicher Räsonneur.
liebenswerten Poeten sah.
Fichtner und dieser Herr v. Sala werden allmählich — ach wie
Ein mißglücktes Stück? Ein Stück überhaupt? Schon „Der
allmählich! — die traurigen Helden des Schauspiels. Nach dem Tode der
Schleier der Beatrice“ zeigte diese Neigung des Dichters, mit
Frau Gabriele bricht der auf Unwahrheit gegründete Familienverban#
jener hier und da für genial gehaltenen Absichtlichkeit klare
auseinander. Alle Beteiligten, nur der Pseudovater Wegrats,
Gedanken bis zur Unkenntlichkeit einzuhüllen. Man glaubt ein Ibsen
wissen nicht, daß Felix in Fichtner seinen Erzeuger zu sehen hit.
zu sein, indem man sich in Nebel einspinnt und nur durch dicke Wolken¬
Fichtner umschwärmt nun das Herz des Sohnes. Alternd, an Ent##u¬
wände, die jeden Schall und jeden Sinn verändern, zum gemeinen Volke
schungen reich, sehnt er sich nach Stab und Stütze. Zu spät. Dem jungen
spricht. Gerade Schnitzler, der nicht nur ein starker Empfinder, sondern
Lentuant scheint Blut nicht dicker als Wasser. Mit dem feinen Insthikt
auch eine große Intelligenz ist, hätte nicht auf diesen Weg ge¬
des anständigen Charakters sieht er in Fichtner nur den Mann, Der
raten sollen, nicht aus Modesucht, auch nicht in dem ehrlichen
das ahnungslose Herz der Mutter verraten hat. S
Streben, an das gern geglaubt sei, über sich selbst hinauszukommen
indessen, nicht minder ergraut, aber noch voll von
und die letzten Firnen der Kunst zu ersteigen. Seine Persönlichkeit,
kunftsplänen, auch Sala sieht seine Gottähnlichkeit in Trümmer
mit ihrer Weichheit und dem Auflug von wektkundigem Cynismus,
gehen. Drohende Todeskrankheit läßt ihn von seinen großen Ent¬
war bedeutend genug, um unverkünstelt durch sich selbst zu wirken.
würfen abstehen. Und noch mehr. Johanna Wegrath, die ihn liebt,
Nun wollte er wieder einmal in die tiefste Tiefe steigen und geriet in
nimmt sich selbst das Leben. Die Tochter jener Frau, die nicht den
die breiteste Breite des Epos. Nun wollte er letzte psychologische
Mut zum Sterben hatte, als sie in Schande geriet, eilt, wie dem Hörer!
Finessen geben und wurde für die schaulustige Menge unver¬
scheinen muß, ohne ersichtlichen Grund, in einer krankhaften Begierde
ständlich, ganz oder beinahe. Mit Mühe nur entziffert sich die
nach Schmerz, aus dem Ringe der Lebendigen. Nun geht auch Sala
Nunenschrift, in der er seine Charaktere beschreibt; mit Mühe nur
und tötet sich. So stiebt alles auseinander, in den Tod oder!
löst sich aus langen Reflexionen der Kern des Schauspiels; mit
in ein friedloses Leben. Jeder geht den „einsamen Weg“, jeder in
Mühe nur hören wir das schöne und eines Dichters immer würdige
keiner Art. Mit Untreue, Lüge und Selbstsucht sind die Alten vor
Leitmotiv heraus, das heißt: „Liebet einander. Verstehet einander.
jenen zwei Jahrzehnten einander begegnet. Nun rächt es sich an
Mensch sein, heißt sich opfern.“
ihnen und an ihrer Brut.
Auch darin zwingt Schnitzler sich in Ibsens Spuren, daß er die
In so furchtbarem Ernst löst sich zuletzt Schnitzlers Schauspiel.
knappen Ereignisse des Stückes aus einer weit zurückliegenden Vor¬
Das ist nicht mehr die sanfte Melancholie, die der Wiener sonst ##
geschichte entwickelt. „Tote Dinge spielen das Leben,“ wie er selbst in
aus den Volksliedern seiner Heimat auf die Bühne zu §
einer seiner Erzählungen einmal gesagt hat. Vor zwanzig und mehr
bringen wußte. Das ist völlige Verzweiflung und absolute!
Jahren hat Gabriele auf dem stillen Dorfe zwei junge Maler kennen
Verneinung. Eine Verneinung, an die uns glauben zu machen, dem ##
gelernt. Wegrath hieß der eine, ein braver junger Mann, der sie zur
Stück die großgestaltende, menschenschöpferische, wahrhaft künstlerische
Frau begehrte, Julian Fichtner der andere, ein Feuerkopf mit ein¬
Natur nicht minder fehlt wie die Klarheit. Miserere! Miserere!
geborener Macht über alles Weibliche. Mit Fichtner wollte sie fliehen,
In Sterbeseufzer und Selbstzerfleischung klingt mit dem frischen Ruf
als sie sich ihm gegeben hatte. Aber Fichtner selbst war es, der
gesünderen Lebens nur eine einzige Stimme hinein. Sie gehört einer ##
flüchtete. Mit dem hestigen Egoismus seiner Künstlernatur schreckte
Frau, die einst von Fichtner geliebt, aber schnell mit Paschalaune bei¬
er vor allen Fesseln und Verantwortungen zurück. Gabriele ging
seite geschoben war, einer Frau mit dem Scheine der Verderbtheit,
nicht in den Tod. Sie heiratete den biederen Wegrath. Sie schenkte
aber rührend in der Stärke ihrer unbefriedigten Muttersehnsucht.
ihm einen Sohn, den er den seinen nannte. Schenkte ihm später
Diese Figur ist bester Schnitzler. Und uns lieber noch, als die vielen
auch eine Tochter, die die seine war.
geistreichen Sentiments, die wir uns an den langen Wegstrecken des
Zwanzig und mehr Jahre sind vorüber — ich sagte es schon.
Schauspiels pflücken dürfen, und die uns dann auf Minuten die
Wegrath ist Akademiedirektor, Gabriele, seine Frau, ist eine Sterbende,
Schwäche des Ganzen vergessen lassen.
als der Vorhang zum ersten Mal sich hebt. All die Zeit hat sie mit
Es war Else Lehmann, die eben dieser Frau ihr ganzes prächtiges
der Lüge an seiner Seite gelebt und hat, wie nun das Leben so ist, ihm
Lebendigsein gab. Auch sonst kam das Stück mit seiner Fülle verhaltener
doch ein behagliches Familienglück aufgebaut. Der Sohn, Fichtners
Sohn Felix, ist nun schon junger Offizier; die Tochter, Wegraths Stimmungen der Spielweise Brahms auf halbem Wege eutgegen.
Herr Bassermann
zu sehr Biedermeier.
ausgezeichnet. Rudolf
(Wegrath), Irene Trig
der Schwermut besser
getöntes Gesamtspiel. Un
diesem Jahr! — zeigte d
Theater die „Errungensch