II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 52

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18. Der einsane Neg
emendienst durch
eisene Korrespondenten.
Telephon: III, 3051.

Berlin N. 24.


Ausschnitt aus
Khntgsberger Hartungsche Zeitung
15 FEB.1904

S a
Mitleid angewiesen ist; sie gibt sich an Sala hin, nachdem ihr sein naher
Tod durch den Hausarzt gewiß geworden — und sie ertränkt sich im
Berliner Theater.
Bach seines Landhauses. Sala macht am Morgen darauf mit eisiger
Artur Schnitzler: Der einsame Weg. Sch##viel in fünf
Klarheit gleichfalls den Strich unter sein Leben, da er weiß, daß er durch
Akten=ter, Erstaufführung: Se##nd den
sein Herzleiden ein Todgeweihter ist.
Den beiden Egoisten steht ein Altruist gegenüber. Professor Weg¬
13. Februar.
rath ist in den Verwickelungen des Lebens ein hilfloses Kind, aber sein
Die Tragödie des Egoisten, der seine Kräfte und Mittel ein Leben
Herz gehört seiner Familie, den Freunden, den Menschen. Er weiß nichts
lang nur für seinen Genuß verwendet hat, und dem das Alter die Quit¬
von Gabrieles Fehltritt, er glaubt sich als seines Sohnes Vater, er ver¬
tung der Einsamkeit und der Unbefriedigung präsentiert, bis er im Ekel
traut dem Maler und dem Dichter. Er muß viele blühende Hoffnungen,
sich selbst beseitigt. An zwei Spielarten hat der Wiener Dichter diesen
die er einst gehegt, begraben, auch sein Alter wird einsam sein — doch
Typus des Egoismus als Lebenszweck charakterisiert. Stefan von Sala
er hat sich einen Freund erworben in dem Sohne, der nicht der seine ist:
und Julian Fichtner sind die Träger. Sala, der reiche Dichter und
Felix tritt an seine Seite, und in aller seelischen Erschütterung legt sich
Kosmopolit, erklärt dem Kameraden, der Maler ist, mit rückhaltlosem
die verehrende Liebe des Sohnes wie Balsam auf seine Wunde: „Müssen
Cynismus: „Wir haben niemandem gehört. Lieben heißt für jemand
solche Dinge geschehen, daß mir dieses Wort: Vater! klingt, als hört
andern auf der Welt sein. Ich sage nicht, daß es ein wünschenswerter
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ich's zum ersten Male?“
Zustand sei, aber wir waren beide sehr fern davon. Es mag allerlei
Schnitzlers Dichtung ist ein seines Geflecht, reich an poctischen Tref¬
Lustiges, Verlogenes, Zärtliches, Gemeines, Leidenschaftliches sein, das
fern, ebenso reich an geistvollen Epigrammen. Aber es wird einen dor¬
unsereiner als Liebe ausgibt, aber Liebe ist es doch nicht. Haben wir
nigen Bühnenweg haben; vieles ist für das Theater zu zarte Pastell¬
jemals ein Opser gebracht, von dem nicht unsere Sinnlichkeit oder unsere
tönung, manche tatsächliche Unklarheit der Linie kommt dazu, und minde¬
Eitelkeit ihren Vorteil gehabt hätte? Haben wir je gezögert, anständige
stens zwei recht ungeschickte Aktschlüsse. So war der Erfolg im Deutschen
Menschen zu betrügen oder zu belügen, wenn wir dadurch um eine
Theater ein magerer, die Arbeit des durch die „Liebelei“, die „Lebendigen
Stunde des Glücks oder der Lust reicher werden konnten? Haben wir
Stunden" und „Der Schleier der Beatrice“ anerkannten Dramatikers,
je unsere Ruhe oder unser Leben aufs Spiel gesetzt, nicht aus Laune oder
der zu unseren tüchtigsten zählt, hatte eigentlich ein besseres Los ver¬
Leichtsinn, nein, um das Wohlergehen eines Wesens zu fördern, das sich
dient. Die Aufführung war sorgsam vorbereitet; Albert Basser¬
uns gegeben hatte? Und glauben Sie, daß wir von einem Menschen
mann holte sich den ersten Preis als Sala, er schuf eine Figur, die
irgend etwas zurückfordern dürften, ein Stück von unserem Wesen, das
sich so wenig wird vergessen lassen, wie sein Isidor Lechat dieser Saison.
wir wirklich an ihn verloren hätten, ohne uns gleich dafür bezahlt zu
[Else Lehmann war prachtvoll in ihrer goldenen Laune als Irene,
machen? Wir haben die Türen offen stehen und unsere Schätze sehen
Oskar Sauer gewissenhaft, aber zu nüchtern als Wegrath; Hed¬
lassen — aber Verschwender sind wir nicht gewesen. Ich bin etwas weni¬
ger wehleidig als Sie, das ist der ganze Unterschied. In unserer tief=swig Pauly brachte das Kranke im Wesen Gabrieles wirksam heraus.
[Rudolf Rittner, dem die Rolle des Fichtner nicht recht „lag“,
sten Seele wissen wir immer, woran wir mit uns sind.“ Fichtner, dessen
kämpfte nicht immer erfolglos gegen seine Natur an, Kurt Stieler
Konto zunächst am schwersten belastet erscheint, hat in jungen Tagen
(Felix) tat in den letzten Akten manchen glücklichen Fang, und Irene
Gabriele geliebt; aus Egoismus, um sein Leben nicht festzulegen, hat er
[Triesch, die keinen guten Abend hatte, mühte sich redlich an der
sie sitzen lassen, sie wurde seines Freundes Gattin. Felix, das älteste der
visionären, der Idee der Seelenwanderung huldigenden Johanna, deren
beiden Kinder des Kunstakademiedirektors Wegrath, ist Fichtners Sohn.
Frau Gabriele hat das Geheimnis ihres Lebens dem Gatten niemals rätselvolle Gestalt sie uns so wenig nahe zu bringen vermochte, wie
Theodor Kappstein.
dies dem Dichter gelungen war.
geoffenbart, nur ihren Hausarzt weiht sie ein, bevor sie ihrem organi¬
schen Leiden erliegt, auch Felix hat sie am letzten Abend ihres Lebens
eine Andeutung gemacht. Denn Fichtner erfaßt nach Jahren ruhelosen;
Wanderns die Sehnsucht nach einem Glück, das er ohne Pein sein eigen
nennen könnte. Er eröffnet Felix, daß er sein Vater ist, um den jungen
Offizier, den er liebt, an sich heranzuziehen, und empfängt die Antwort:
„Ihr Sohn — es ist nichts als ein Wort. Es klingt ins Leere. Sie sind
mir fremder geworden, seit ich es weiß.“ Auch seine spätere Geliebte
eine von vielen —, die temperamentvolle ehemalige Schauspielerin
Irene Herms, die sich in die Stille des Landlebens zurückgezogen hat,
trägt diese ungestillte Sehnsucht nach dem eigenen Kinde. An seinem
bequemen Egoismus hat sie sich, unheilbar für beide, tiefer verloren.
Sein Widerspiel ist Stefan von Sala, der Frau und Kind begraben hat.
Er ist ein überlegener Europäer, klug, unabhängig und kühl. Er will mit
einer Expedition nach Asien gehen, um sich an den baktrischen und medi¬
schen Ausgrabungen zu beteiligen; da die Gegenwart immer wieder Ver¬
gangenheit wird, will er, ein Lebekünstler, die Vergangenheit sich ver¬
gegenwärtigen und aus der Tiefe aus Licht rufen, seine Zeit voll aus¬
genießend bis auf den Rest. Felix soll ihn begleiten als militärischer Bei¬
stand der Truppe, und Johanna Wegrath bietet er an, als seine Frau
ihm gleichfalls nach Baktrien zu folgen. Johanna ist eine Ibsensche Figur
in dem Stück; sie hat einen hellseherischen Blick, der sie an das künftige
Aahel bannt; sie haßt die kranke Mutter, wie sie jeden haßt, der auf ihr