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18. DerIS
Theater und Musik. /%
1
Berliner Theaterbrief.
0
Aus Berlin, 14. Februar, wird uns geschrieben:
Die gestrige Erstaufführung von Arthur Schnitz¬
lers fünfaktigem Schauspiel „Der einsame Weg"*) hat
dem Deutschen Theater keinen Erfolg gebracht. Es
kam zwar nicht zu einer entschiedenen Ablehnung, aber dem
lauen Beifall begegnete eine starke Minorität von Zischern und
der technisch ungeschickte Schluß des vierten Aktes entfesselte
sogar ein demonstratives Hohngelächter. Das Stück macht
fast den Eindruck eines dramatisierten Romanes. Ein buntes
Gelirr von Haupt= und Nebenhandlungen läuft durcheinander,
der Mittelpunkt fehlt, das Interesse des Zuschauers konzentriert
sich bald auf diese, bald auf jene Figur, Episoden werden an¬
gesponnen und wieder fallen gelassen, Katastrophen treten ein,
deren Notwendigkeit man nicht begreift, da die zwingende Mo¬
tivierung mangelt. Julian Fichtner, der geniale Künstler, der
in der Jugend die Braut Gabriele seines Freundes Wegrath heim¬
lich verführt und verlassen hat, sucht jetzt, da er das Alter nahen
fühlt, seinen mit Gabriele gezeugten Sohn, den jungen Leut¬
nant Felix, der bisher als Wegraths Kind gegolten hat, als
Gefährten seiner Einsamkeit zu gewinnen. Felix aber schließt
sich dem Manne an, in dessen Haus er aufgewachsen ist und
den er so lange für seinen Vater gehalten hat. Ja, das gemein¬
same Unglück führt ihn seinem Herzen noch näher. Denn auch
Wegrath hat seinen Lebenspfand in Einsamkeit zurücklegen
müssen. Die Gattin, die soeben verstorbene, und die Freunde
haben ihn betrogen. Die Kinder blieben ihm fremd. Felix
fühlte sich mehr zu der lebensfrischen, imponierenden Künstler¬
natur Fichtners, als zu dem stillen, opferfreudigen Wegrath
hingezogen, und Johanna, die Tochter, krankt an einer hysteri¬
schen Sehnsucht nach fernen, märchenhaften Gefilden des
Glückes. Sie wirft sich schließlich dem kühlen, egoistischen
Lebenskünstler Stephan von Salta in die Arme und endet
durch Selbstmord, den Geliebten in den Tod nach sich ziehend.
Alle haben sie ihr Glück verscherzt, indem sie sich in törichter
Vermessenheit allein auf sich selbst zu stellen suchten und zu
spät erkannten, wie sehr sie der anderen bedurften. Nur der
arme Wegrath, den das Schicksal mitten unter die Einsamen
verbannt hatte, findet schließlich in dem, den er für seinen
Sohn hält, einen mitfühlenden Freund und Gefährten. Die
sympathischste und von dem Dichter mit den feinsten und ori¬
ginellsten Zügen ausgestattete Gestalt des Stückes ist die der
Schauspielerin Irene Herms. Für die eigentliche Handlung
erscheint sie fast ohne Belang, sie zeigt nur, welche Glücksmög¬
lichkeiten der vom Schicksal so verschwenderisch bedachte Egoist
Fichtner leichtsinnig verscherzen konnte. Irene hat ihn ge¬
*) Erschien soeben im Verlage von S. Fischer in Berlin.
box 23/1
liebt, und den Mittelpunkt ihres Lebens, ihre Mutterhoffnung,
in ihn gesetzt. Er wies sie von der Tür, und auch sie mußte
eine Einsame werden. — Die Darstellung der Novität gehörte
zu den vortrefflichsten Leistungen, die das Deutsche Theater
seit langer Zeit aufzuweisen gehabt hat. Rittner stattete
den Julian Fichtner mit dem ganzen Charme seiner frischen,
sympathischen Persönlichkeit aus, und nur selten störte die allzu
merkbare Jugendlichkeit des Wortes und der Gebärde;
Bassermann schuf mit dem Stephan von Salta ein neues
Kabinettstück seiner virtnosen Charakterisierungskunst; Oskar
Sauer als Wegrath, Irene Triesch als Johanna, Hedwig
Pauly als Gabriele, und vor allem Else Lehmann in
der sehr schwierigen Rolle der Irene Herms waren durchweg
ohne Tadel; und wenn Kurt Stieler (Felix) ein wenig
mehr Temperament besäße, so hätte er sich dem glänzenden
J. S.
Ensemble als Ebenbürtiger eingereiht.
Telephon 12801.
Alex. Weigl's Unternehmen für Zeitungs-Aussehnitte
Oee Auschnltt
N 105
„OBSENVEN
Nr. 64
I. österr. behördl. oonc. Bureau für Zeitungsberichte u. Porsenalnachrichten
Wien, I., Concondiaplarz 4.
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, l’aris, Rom.
Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
Aussehn: Menc huor
vom:
SE140
„Der, einsame Weg“, ein fünfaktiges Drama von Artür
(Schnitzer, brachte es im Deutschen Theater zu Berlin zu einem
Erfolg. Die Tragödie eines Geschwisterpaares bildet den Faden
der Handlung. Die Grundstimmung des Stückes ist sehr düster.
Seine Reize liegen besonders in dem feinen Dialog, dessen Länge)
Ifreilich die äußere Wirkung des Stückes zu gefährden imstande ist,
Bezugs-Bedingungen:
15.—
Für 50 Zeitungsausschnitte (Artikel oder Notizen) Kr.
28.— Indlusive
Porto.
100
50.—
Zahlbar
200
110.—
500
im Voraus.
200.—
1000
*
Im Gegensatze zu anderen Bureaux für Zeitungsausschnitte ist das
— auch stcht es den
Abonnement durch seine bestimmte Zeitdauer begrenzt;
Abonnenten frei die aufgegebenen Themen zu ergänzen oder zu ändern.
Der „OBSERVER“ veranstaltet täglich einen Auszug enthaltend die
Inhaltsangabe aller wichtigen Mittheilungen der Wiener Morgen¬
blätter (Tagesjournale ausser „Neue Freie Presse“ und „Wiener Zeitung")
wodurch eine Uebersicht über das gesammte politische und wirthschaftliche
Leben des In- und Auslandes in drastischer Kürze geboten wird. Diese Mit¬
sbeilungen werden in Wien um 9 Uhr Früh verschickt.
Prospecte gratis und fanco.
Quellenangabe ohne Gewähr.
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Aus Berlin, 14. Februar, wird uns geschrieben:
Die gestrige Erstaufführung von Arthur Schnitz¬
lers fünfaktigem Schauspiel „Der einsame Weg"*) hat
dem Deutschen Theater keinen Erfolg gebracht. Es
kam zwar nicht zu einer entschiedenen Ablehnung, aber dem
lauen Beifall begegnete eine starke Minorität von Zischern und
der technisch ungeschickte Schluß des vierten Aktes entfesselte
sogar ein demonstratives Hohngelächter. Das Stück macht
fast den Eindruck eines dramatisierten Romanes. Ein buntes
Gelirr von Haupt= und Nebenhandlungen läuft durcheinander,
der Mittelpunkt fehlt, das Interesse des Zuschauers konzentriert
sich bald auf diese, bald auf jene Figur, Episoden werden an¬
gesponnen und wieder fallen gelassen, Katastrophen treten ein,
deren Notwendigkeit man nicht begreift, da die zwingende Mo¬
tivierung mangelt. Julian Fichtner, der geniale Künstler, der
in der Jugend die Braut Gabriele seines Freundes Wegrath heim¬
lich verführt und verlassen hat, sucht jetzt, da er das Alter nahen
fühlt, seinen mit Gabriele gezeugten Sohn, den jungen Leut¬
nant Felix, der bisher als Wegraths Kind gegolten hat, als
Gefährten seiner Einsamkeit zu gewinnen. Felix aber schließt
sich dem Manne an, in dessen Haus er aufgewachsen ist und
den er so lange für seinen Vater gehalten hat. Ja, das gemein¬
same Unglück führt ihn seinem Herzen noch näher. Denn auch
Wegrath hat seinen Lebenspfand in Einsamkeit zurücklegen
müssen. Die Gattin, die soeben verstorbene, und die Freunde
haben ihn betrogen. Die Kinder blieben ihm fremd. Felix
fühlte sich mehr zu der lebensfrischen, imponierenden Künstler¬
natur Fichtners, als zu dem stillen, opferfreudigen Wegrath
hingezogen, und Johanna, die Tochter, krankt an einer hysteri¬
schen Sehnsucht nach fernen, märchenhaften Gefilden des
Glückes. Sie wirft sich schließlich dem kühlen, egoistischen
Lebenskünstler Stephan von Salta in die Arme und endet
durch Selbstmord, den Geliebten in den Tod nach sich ziehend.
Alle haben sie ihr Glück verscherzt, indem sie sich in törichter
Vermessenheit allein auf sich selbst zu stellen suchten und zu
spät erkannten, wie sehr sie der anderen bedurften. Nur der
arme Wegrath, den das Schicksal mitten unter die Einsamen
verbannt hatte, findet schließlich in dem, den er für seinen
Sohn hält, einen mitfühlenden Freund und Gefährten. Die
sympathischste und von dem Dichter mit den feinsten und ori¬
ginellsten Zügen ausgestattete Gestalt des Stückes ist die der
Schauspielerin Irene Herms. Für die eigentliche Handlung
erscheint sie fast ohne Belang, sie zeigt nur, welche Glücksmög¬
lichkeiten der vom Schicksal so verschwenderisch bedachte Egoist
Fichtner leichtsinnig verscherzen konnte. Irene hat ihn ge¬
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liebt, und den Mittelpunkt ihres Lebens, ihre Mutterhoffnung,
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eine Einsame werden. — Die Darstellung der Novität gehörte
zu den vortrefflichsten Leistungen, die das Deutsche Theater
seit langer Zeit aufzuweisen gehabt hat. Rittner stattete
den Julian Fichtner mit dem ganzen Charme seiner frischen,
sympathischen Persönlichkeit aus, und nur selten störte die allzu
merkbare Jugendlichkeit des Wortes und der Gebärde;
Bassermann schuf mit dem Stephan von Salta ein neues
Kabinettstück seiner virtnosen Charakterisierungskunst; Oskar
Sauer als Wegrath, Irene Triesch als Johanna, Hedwig
Pauly als Gabriele, und vor allem Else Lehmann in
der sehr schwierigen Rolle der Irene Herms waren durchweg
ohne Tadel; und wenn Kurt Stieler (Felix) ein wenig
mehr Temperament besäße, so hätte er sich dem glänzenden
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Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
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SE140
„Der, einsame Weg“, ein fünfaktiges Drama von Artür
(Schnitzer, brachte es im Deutschen Theater zu Berlin zu einem
Erfolg. Die Tragödie eines Geschwisterpaares bildet den Faden
der Handlung. Die Grundstimmung des Stückes ist sehr düster.
Seine Reize liegen besonders in dem feinen Dialog, dessen Länge)
Ifreilich die äußere Wirkung des Stückes zu gefährden imstande ist,
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