II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 59

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18. Der einsane Neg
vergänglicher Schatz die Lieve, die er durch Selbstaufopferung im
digte, wird
Herzen seines Nächsten aufgespeichert hat.
n, wo er
Es ist also die alte messianische Lehre von der Nächstenliebe,
zu spät
die Schnitzler in dem Einsamen Weg“ predigt. Und er tut dies
8Philister,
in eindringlicher, auf tiefgreifenden Beobachtungen gegründeter
lichere ist;
Schilderung. Speziell die Figur des resignierten Skeptikers Sala
melte die
ist eine Meisterleistung ersten Ranges. Von allen Seiten beleuchtet
in seine
hebt sich der Charakter plastisch und überzeugend hervor. Auch die
übrigen Gestalten des interessanten Stückes sind mit sicherer
PPalast des
Künstlerhand entworfen: Professor Wegrath, der dem Glück der
end in sich
geliebten Frau und dem Glück seiner Kinder das eigene Künstler¬
m sicheren
streben geopfert hat; Felix, das Kind der heimlichen Sünde, ein
sich selbst
sich eben zu ernster Lebensauffassung durcharbeitender Jüngling;
Julian Fichtner und Stephan Sala, die beiden Genüßlinge, die in
r einzigen
der Bankrotterklärung des Schlusses die Bilanz eines verfehlten,
rLeichen;
zwecklosen Lebens ziehen.
zurück, sich
Trotzdem vermochte das Stück nur mit Not einen Achtungs¬
slos führt
erfolg zu erzielen; ja beim vierten Aktschluß, der ein tief tragisch
er Anderen
und durch
gedachtes Stimmungsbild bringt, fehlte nicht viel, daß das
Publikum sich zu einer jener furchtbaren Ulkstimmungen hinreißen
Nach dem
ließ, die auf die zart organisierte Psyche des wirklichen Poeren oft
ck, ein ein¬
zerstörend wirken können. Man ließ die großen, durch das ganze
nt. Einen
Stück in verschwenderischer Fülle verstreuten Schönheiten völlig
seines ab¬
außer Acht, man ignorierte den echt dichterischen Geist, der aus
Sohn für
dem Ganzen spricht, und war nahe daran, den Mahner, da er mit
ale in das
leiser Hand an geheime Wunden zu tasten schien, mit Keulen zu
Natur“ in
ix Wegrath
erschlagen. Und warum das?
In meinen früheren Besprechungen habe ich auf den Kardinal¬
Vater, der
fehler unserer meisten Dramatiker hingewiesen, auf die Vernach¬
sohne Rück¬
lässigung der Forderungen der dramatischen Form. Auch Schnitzler
t Professor
ist in „Der einsame Weg“ in densolben Fehler verfallen. Auf der
tes unter¬
Bühne gilt nur das Wirkliche, sich vor unseren Augen organisch
nd zu spät
nziger un= Entwickelnde. Nichts darf aus sprunghaften Stimmungen motiviert
werden; einmal läßt man es sich wohl gefallen, wenn Jemand] in diese
Bei Sch
aus einer Art von hellseherischer Gedankenleserei die Absichten eines
hätte
Anderen errät. Aber wenn dies fortwährend geschieht, ohne aus
einer dunklen Seelenkraft überzeugend nachgewiesen zu werden,
werden,
wenn alle handelnden Personen fortwährend die Gedanken aller
Der po
übrigen Personen um sie herum mal aus einem Blick, mal aus
bedeuten
einem Händedruck, mal so, mal so erraten, wenn, wie es z. B.
ihm dur
Felix in der sonst so wirkungsvollen Szene der Erkenntnis seiner
wahren Herkunft eine lange, ihm bisher geflissentlich versteckte Ge¬
schichte aus dem bloßen Betrachten des Bildes seiner Mutter errät
NB! seiner Mutter, ehe sie ihm das Leben gab! — dann wirkt
das alles verstimmend und fast komisch.
Und daß das einem sonst so überlegenden Künstler wie
Schnitzler passieren konnte, führt uns zu dem weiteren, um¬
fassenderen Fehler in der Technik des Stückes. Schnitzler hat zug
viel geben wollen und hat infolgedessen zu wenig gegeben. Anstarte
sich auf den Konflikt zwischen dem Sohne mit seinen — beideng
Vätern (sit venia vorbo!) zu beschränken, baut er, wohl in der Ab¬
sicht, eine zu auffallende Aehnlichkeit mit Ibsen'scher, nur die
Katastrophe schildernder „Gespenster“=Technik zu vermeiden, eine
zweite, sich vor unseren Augen abspielende und dadurch den Vorzug
größerer Frische versprechende Handlung in den Rahmen des
Stückes. Die Folge davon: hart im Raume stoßen sich die Ding“;
da der Sohnes=Konflikt der stärkere und ursprüngliche ist,
mußte ihm gegenüber der Tochter=Konflikt in den Schatten
treten. Auf der anderen Seite aber war dem Dichter
die Tigur des Stephan Sala an's Herz gewachsen; auf ihn
konzentrierte er alles Licht seiner großen Schilderungskunst. So
rückte diese eigentlich nur als Episode berechtigte Gestalt in den
Mittelpunkt des Interesses und mußte durch ihr Hervortreten not¬
wendigerweise die Oekonomie des Stückes verwirren und die
Perspektive in der Gruppierung der Personen verrücken. Hätte
Shakespeare in seinem „König Lear“ die Parallelfigur des Gloster