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18. Der einsane Meg
Echwungtre verloren ging, möchtel den Hintergrund und den Kontraft, die zuviel sagen wollen und
ngenheit ein letztes Glück ergreifen, darum irritieren. Das hat eine gewisse Unklarheit der Worte und
i Sohn ein Vater sein. Er muß es leine Verschwommenheit der Physiognomien zur Folge, die gemein¬
seiner Vaterschaft ihm den Sohn, sam mit einem Mangel an zielsicherer Entwicklungkraft dazu bei¬
kentfremdet, welcher fühlt, daß man tragen, daß dies und das nicht zeitig und nicht deutlich genug in
seinen menschlichen Gründen faßbar wird. Wie Ibsen hat
etan hat, wenn man nichts tat, als
Schnitzler in den engen Grenzen räumlicher und zeitlicher Einheit
lian wird den Weg hinab so allein
n, die „niemandem gehört haben“. aus Längstvergangenem nur die letzten Schlüsse ziehen wollen.
st, der in eine erklärende Reflexion Aber wem das gelingen soll, der muß auch über die Kunst verfügen,
", d. h. in Handlung oder Char.k= mit der bei Ibsen die Vergangenheit und der Augenblick sich gegen¬
stephan von Sala, dessen Niederlage seitig durchleuchten. Und wer menschliche Konflikte intimster Art
kein die zweite Hälfte der Dichtung zum Austrag bringen will, der muß auch wirkliche Menschen gegen
list sich selbst zeitlebens ein schönes einander führen. Bei Schnitzler sehen wir Menschenschicksale, aber
keine Menschenkinder. Feine, bleiche Geister, schiermütige Schatten
Sein Leben hat ihn niemals fort¬
mit zarten Konturen wallen den einsamen Weg zu ihrem Schicksal.
gehabt und ängstlich betastet und mit
hen Antithesen und Nuancen aus. Das Schicksal, das sich jedesmal erfüllt, ist wie ein Aetherstäub¬
kgeben. Ihm hat alle Naivetät, alle lchen unter vielen, auf das nur ein stärkerer Sonnenstrahl fällt.
fehlt, und die Kühle seines Naturells Und hier ist der Punkt, wo Schnitzler allerdings von Ibsen so
haffen, in dem er am Ende versinkt. weit abrückt, wie seine sentimentale, nervös einseitige Lebens¬
auffassung weitab von der Größe und Ganzheit einer umfassenden
h des Schnitzlerschen Problems, das
Weltanschauun, liegt; wo sich dem Wiener kaum etwas von der
auf die Frage hinausläuft: wie ver¬
grandiosen Kraft des Skandinaven und aller wahren Dramatiker
heration, meiner Kultur und meines
mitgeteilt hat, der Kraft, jedes Menschenschicksal mit dem Weltlauf
der sensitive Dilettant mit über¬
zu verknüpfen, in jedem einen Sinn zu finden, der Ewigkeitperspek¬
gen, mit wenig Willen und einem
tiven eröffnet . . ... Und dennoch! Es gibt Dichtungen, die auf
und Naivetät, wie verhält sich dieser
uns wirken, nicht durch künstlerische Wucht, nicht durch die Gestal¬
ist einfach: eigentlich hat er zwischen
tungstärke ihres Autors, sondern durch das reine, warme Wesen
atz und kann mit dem Leben nichts
#nchmal sterben. Oder er stellt sich dessen, der sie schuf. Und das erstreckt sich soweit, daß wir den
Iin nur der Starke ist am mächtigsten Inhalt des Buches eher vergessen als den Widerhall, den es in uns
weckte, als die Fülle seelischer Beziehungen, die wir von ihm in
it hochmütiger Resignation ein zer¬
unser Leben strömen ließen. So wird es glaub' ich, mit dem „Ein¬
einsam mitten unter den Menschen
samen Weg“ gehen, der an Fülle der seelischen Beziehungen alle
tionen ihr heimlicher Herr wie der
# erke seines Dichters übertrifft.
Die Aufführung des Deutschen Theaters bewies, mit
Schnitzlers vorletztes — einaktiges welcher Vornehmheit Schnitzler jeder Theatralik aus dem Wege
Ton schon das letzte — fünfaktige — gegangen ist, aber sie lewies auch, bis zu welchem Grade diese
der Dichter analytisch vorgegangen. Glücksucher, diese Mimosennaturen und Autopsychologen in der Idee
stecken geblieben sind. Nir ihr Schicksal im allgemeinen ist hand¬
wie im kleinen Rahmen, hat er ge¬
in nicht so geläufig ist wie die greiflich geworden, nicht ilr Leben im einzelnen. So konnten aus¬
wi gelt im „Einsamen Weg“ von gesprochene Wirklichkeitgestalter wie Rittner und die Lehmann
Lundlung noch der weniger plasti=nichts tun als ihre eigene herzhafte Menschlichkeit ins Spiel stellen.
dienen; von Zügen, die man mehr Besser war Bassermann dran, der sich als Sala von seiner geist¬
n; von flüchtigen Farbenflecken für reichsten Seite zeigen durfte, der diesen sehr modernen Typus, wenn
er auch mit dem Dialekt nicht ins Reine kam, mit der edelsten
Kulturfinesse und etwas Poesie des Krankseins ugab und dabei
so sublime Verbindungen walten ließ, daß der Typus Individuali¬
tät, der Begriff Leben erhielt.
Siegfried Jacobsohn
18. Der einsane Meg
Echwungtre verloren ging, möchtel den Hintergrund und den Kontraft, die zuviel sagen wollen und
ngenheit ein letztes Glück ergreifen, darum irritieren. Das hat eine gewisse Unklarheit der Worte und
i Sohn ein Vater sein. Er muß es leine Verschwommenheit der Physiognomien zur Folge, die gemein¬
seiner Vaterschaft ihm den Sohn, sam mit einem Mangel an zielsicherer Entwicklungkraft dazu bei¬
kentfremdet, welcher fühlt, daß man tragen, daß dies und das nicht zeitig und nicht deutlich genug in
seinen menschlichen Gründen faßbar wird. Wie Ibsen hat
etan hat, wenn man nichts tat, als
Schnitzler in den engen Grenzen räumlicher und zeitlicher Einheit
lian wird den Weg hinab so allein
n, die „niemandem gehört haben“. aus Längstvergangenem nur die letzten Schlüsse ziehen wollen.
st, der in eine erklärende Reflexion Aber wem das gelingen soll, der muß auch über die Kunst verfügen,
", d. h. in Handlung oder Char.k= mit der bei Ibsen die Vergangenheit und der Augenblick sich gegen¬
stephan von Sala, dessen Niederlage seitig durchleuchten. Und wer menschliche Konflikte intimster Art
kein die zweite Hälfte der Dichtung zum Austrag bringen will, der muß auch wirkliche Menschen gegen
list sich selbst zeitlebens ein schönes einander führen. Bei Schnitzler sehen wir Menschenschicksale, aber
keine Menschenkinder. Feine, bleiche Geister, schiermütige Schatten
Sein Leben hat ihn niemals fort¬
mit zarten Konturen wallen den einsamen Weg zu ihrem Schicksal.
gehabt und ängstlich betastet und mit
hen Antithesen und Nuancen aus. Das Schicksal, das sich jedesmal erfüllt, ist wie ein Aetherstäub¬
kgeben. Ihm hat alle Naivetät, alle lchen unter vielen, auf das nur ein stärkerer Sonnenstrahl fällt.
fehlt, und die Kühle seines Naturells Und hier ist der Punkt, wo Schnitzler allerdings von Ibsen so
haffen, in dem er am Ende versinkt. weit abrückt, wie seine sentimentale, nervös einseitige Lebens¬
auffassung weitab von der Größe und Ganzheit einer umfassenden
h des Schnitzlerschen Problems, das
Weltanschauun, liegt; wo sich dem Wiener kaum etwas von der
auf die Frage hinausläuft: wie ver¬
grandiosen Kraft des Skandinaven und aller wahren Dramatiker
heration, meiner Kultur und meines
mitgeteilt hat, der Kraft, jedes Menschenschicksal mit dem Weltlauf
der sensitive Dilettant mit über¬
zu verknüpfen, in jedem einen Sinn zu finden, der Ewigkeitperspek¬
gen, mit wenig Willen und einem
tiven eröffnet . . ... Und dennoch! Es gibt Dichtungen, die auf
und Naivetät, wie verhält sich dieser
uns wirken, nicht durch künstlerische Wucht, nicht durch die Gestal¬
ist einfach: eigentlich hat er zwischen
tungstärke ihres Autors, sondern durch das reine, warme Wesen
atz und kann mit dem Leben nichts
#nchmal sterben. Oder er stellt sich dessen, der sie schuf. Und das erstreckt sich soweit, daß wir den
Iin nur der Starke ist am mächtigsten Inhalt des Buches eher vergessen als den Widerhall, den es in uns
weckte, als die Fülle seelischer Beziehungen, die wir von ihm in
it hochmütiger Resignation ein zer¬
unser Leben strömen ließen. So wird es glaub' ich, mit dem „Ein¬
einsam mitten unter den Menschen
samen Weg“ gehen, der an Fülle der seelischen Beziehungen alle
tionen ihr heimlicher Herr wie der
# erke seines Dichters übertrifft.
Die Aufführung des Deutschen Theaters bewies, mit
Schnitzlers vorletztes — einaktiges welcher Vornehmheit Schnitzler jeder Theatralik aus dem Wege
Ton schon das letzte — fünfaktige — gegangen ist, aber sie lewies auch, bis zu welchem Grade diese
der Dichter analytisch vorgegangen. Glücksucher, diese Mimosennaturen und Autopsychologen in der Idee
stecken geblieben sind. Nir ihr Schicksal im allgemeinen ist hand¬
wie im kleinen Rahmen, hat er ge¬
in nicht so geläufig ist wie die greiflich geworden, nicht ilr Leben im einzelnen. So konnten aus¬
wi gelt im „Einsamen Weg“ von gesprochene Wirklichkeitgestalter wie Rittner und die Lehmann
Lundlung noch der weniger plasti=nichts tun als ihre eigene herzhafte Menschlichkeit ins Spiel stellen.
dienen; von Zügen, die man mehr Besser war Bassermann dran, der sich als Sala von seiner geist¬
n; von flüchtigen Farbenflecken für reichsten Seite zeigen durfte, der diesen sehr modernen Typus, wenn
er auch mit dem Dialekt nicht ins Reine kam, mit der edelsten
Kulturfinesse und etwas Poesie des Krankseins ugab und dabei
so sublime Verbindungen walten ließ, daß der Typus Individuali¬
tät, der Begriff Leben erhielt.
Siegfried Jacobsohn