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18. Der einsane Neg
Dr. Max Goldschmidt
. Bureau für.
Zeitungsausschnitte
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
eigene Korrespondenten.
Telephon: III, 3051.
Berlin N. 24.
—
Ausschnitt aus
Deutsche Tageszeitung, Berlin
J5 FEB. 1004
S
malt. Daß Felix, der Uanenleutnant, nicht sein Sohn ist,
ahnt der Betrogene so wenig wie jener, obwohl Stephan von
Theater.
Sala und der Arzt Doktor Franz Reumann, die beide im
Hause Wegraths tagtäglich verkehlen, das Geheinmis der
E. B. Deutsches Theater. Zum ersten Male: Der
Mutter kennen. Als Gabriele stirbt, wird die Wahrheit auch
einsame Weg“. Schauspiel in fünf Akten von Arthur
Felix offenbar. Julian, dessen Leben wie in einem Rausch
Schnitzler. Das neue Schauspiel Schnitzlers hat seine
von Zärtlichkeit und Leidenschaft, ja von Macht, dahingeflossen
Bühnenprobe am Sonnavend nicht eben glücklich bestanden.
ist fühlt sein Alter nahe. Er hofft, sich an Felix aufzu¬
Es war günstigsten Falles ein Halberfolg, der auf Rechnung
raffen, wieder zu finden zu neuer Arbeit. Felix aber fühlt
der beachtenswerten litterarischen Qualitäten zu setzen ist, die
das Unrecht, das an dem Gatten seiner Mutter verübt wor¬
auch diese neueste Schöpfung des Wiener Autors wieder in
Julian ist ihm
als alles andere.
reicher Fülle birgt, nicht aber dem Stück als Drama galt.
ist, stärker
den
fremder geworden, seit er weiß, daß jener sein leiblicher Vater
Schnitzler läßt in seinem Schauspiel nach einander eine Reihe
Was hilft es jetzt Julian, daß er die Leere des Alters
interessanter psychologischer Motive anklingen, aber ihre künst¬
fürchtet und vor der Einsamkeit zurückschreckt. „Das Altern ist
lerische Verknüpfung mit dem Hauptthema ist ihm nicht mehr
nun einmal eine einsame Beschäftigung für unsereinen“ meint
gelungen. Es kommt hinzu, daß Schnitzler diesmal nach
tröstend Stephan von Sala, der ihm Geistesverwandte.
Ibsenschen Muster stark mit Andeutungen arbeitet. Aber
bleibt hier bei der bloß äußerlichen Nachahmung dieser Tech¬
Man wird nicht fehl gehen, wenn man in den eben ge¬
nif die innere, die tieferen seelischen Beziehungen, die
schilderten Vorgängen den wesentlichsten Kern des Dramas
o wunderbar
Ibsen gelingt mit Hilfe dieses Kunstmittels
sieht. Indessen hat sich Schnitzler mit diesem einen Motiv nicht
lebensvoll aufzuhellen, sie werden durch eine solche dramatische
begnügt. Es spinnen sich zwischen den Personen des Schau¬
Stilart bei Schnitzler nur noch dunkler und verschwonnnener.
spiels noch andere Fäden, so vor allem zwischen Sala von
Julian und Sala, die beiden rücksichtslesen Genußmenschen,
Stephan und Johanna der Tochter Wegraths: Mit Johanna
die mit im Mittelpunkte des Schnitzlerschen Stückes stehen,
hat es überhaupt ein seltsam Bewenden. Sie ist ein wunder¬
Vor
haben nie ein Pflichtgefühl gegen andete gekannt.
lich krankhaftes Geschöpf das an Seelenwanderung und ähn¬
langen Jahren ist Julian, der „geniale" Maler, mit Gabriele,
liches glaubt. Sie empfindet etwas wie Feindschaft gegen
der Braut seines Freundes und Studiengenossen Wegrath zu¬
Menschen, die auf ihr Mitleid angewiesen sind. Darum kann
sammengetroffen. In leidenschaftlicher Liebe fanden sich die
sie die Mutter nicht mehr so recht lieben, seit sie krank
jungen Herzen. Beide wollten mit einander fliehen. Alle Vor¬
und darum will sie auch nach deren Tode weg vom Vaker,
bereitungen zur heimlichen Abreise waren getroffen. Da machte
fort in die weite Welt. Daß sie Stephan liebt, gesteht sie ihm
sich Julian nächlicherweile aus dem Staube, weil er es als
selbst in einem leidenschaftlichen Augenblick im Garten seiner
Torheit erkannte, die „Fülle seines Daseins“ die Unbeküm¬
Villa. Sala, der sich auch in der Liebe stets den kühlen
mertheit seiner Jugend einer flüchtigen Liebesneigung zu
Ent¬
Kopf bewahrt hat und immer für „gemessene
Gabriele zu opfern. Acht Tage später heiratete Gabriele Weg¬
nicht
ist, kann sich doch ihrer
fernungen“ gewesen
rath. Mit einer Lüge erkaufte sie in ihrer Ehe Ruhe und
entziehen. Johanna soll ihm nach Bakterien
Zufriedenheit. Wegrath ist kein Genie wie Julian, immerhin,
gleiten auf seiner archäologischen Expedition, an der auch
ist Akademiedirektor und auch als Künstler der gewissen¬
hafte „Beanue“, der jedes Jahr sein braves Ausstellungsbild 1 Felix teilnehmen will. Sie soll es tun als seine angetraute?
Frau. Nicht für immer soll darun
sein. Wenn sie wieder zurückkomme
wohl sagen — ohne weiteres.
Sache.“ Johanna aber weiß, wie
es von Dr. Reumann erfahren, di
kranken gezählt sind. Ueber Nacht
Hause verschwunden und man find
Stephans Garten
Noch eine dritte und vierte 9
Handlung hinein. Aber die dran
sind noch lockerer. Da ist vor alle
spielerin, eine frisch und lebensvo
sie hat ihren Herzensroman mit
gehabt. Ihre große Szene im zu
zu einem seiner wirkungsvollsten
sehen ist schließlich die Figur des
besonders unverkennbar Pate gestat
ständige Mensch aus Temperament
stille Herzensneigung zu Johan
manches sonstige Beiwerk ersch
Was an Schnitzlers Stück vorzug
scharfsinnige Dialektik und d
reicher Lebenserfahrung erwachsen
danken. Diese unbestreitbaren rein
gen sich besonders deutlich bei ein
auf. Von der lebendigen Szene
fremdlichen Mangel an dramatische
schädigen. Ihm vielleicht allein
ben haben, wenn seinem jüngsten
nenleben nicht beschieden sein wird.
18. Der einsane Neg
Dr. Max Goldschmidt
. Bureau für.
Zeitungsausschnitte
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
eigene Korrespondenten.
Telephon: III, 3051.
Berlin N. 24.
—
Ausschnitt aus
Deutsche Tageszeitung, Berlin
J5 FEB. 1004
S
malt. Daß Felix, der Uanenleutnant, nicht sein Sohn ist,
ahnt der Betrogene so wenig wie jener, obwohl Stephan von
Theater.
Sala und der Arzt Doktor Franz Reumann, die beide im
Hause Wegraths tagtäglich verkehlen, das Geheinmis der
E. B. Deutsches Theater. Zum ersten Male: Der
Mutter kennen. Als Gabriele stirbt, wird die Wahrheit auch
einsame Weg“. Schauspiel in fünf Akten von Arthur
Felix offenbar. Julian, dessen Leben wie in einem Rausch
Schnitzler. Das neue Schauspiel Schnitzlers hat seine
von Zärtlichkeit und Leidenschaft, ja von Macht, dahingeflossen
Bühnenprobe am Sonnavend nicht eben glücklich bestanden.
ist fühlt sein Alter nahe. Er hofft, sich an Felix aufzu¬
Es war günstigsten Falles ein Halberfolg, der auf Rechnung
raffen, wieder zu finden zu neuer Arbeit. Felix aber fühlt
der beachtenswerten litterarischen Qualitäten zu setzen ist, die
das Unrecht, das an dem Gatten seiner Mutter verübt wor¬
auch diese neueste Schöpfung des Wiener Autors wieder in
Julian ist ihm
als alles andere.
reicher Fülle birgt, nicht aber dem Stück als Drama galt.
ist, stärker
den
fremder geworden, seit er weiß, daß jener sein leiblicher Vater
Schnitzler läßt in seinem Schauspiel nach einander eine Reihe
Was hilft es jetzt Julian, daß er die Leere des Alters
interessanter psychologischer Motive anklingen, aber ihre künst¬
fürchtet und vor der Einsamkeit zurückschreckt. „Das Altern ist
lerische Verknüpfung mit dem Hauptthema ist ihm nicht mehr
nun einmal eine einsame Beschäftigung für unsereinen“ meint
gelungen. Es kommt hinzu, daß Schnitzler diesmal nach
tröstend Stephan von Sala, der ihm Geistesverwandte.
Ibsenschen Muster stark mit Andeutungen arbeitet. Aber
bleibt hier bei der bloß äußerlichen Nachahmung dieser Tech¬
Man wird nicht fehl gehen, wenn man in den eben ge¬
nif die innere, die tieferen seelischen Beziehungen, die
schilderten Vorgängen den wesentlichsten Kern des Dramas
o wunderbar
Ibsen gelingt mit Hilfe dieses Kunstmittels
sieht. Indessen hat sich Schnitzler mit diesem einen Motiv nicht
lebensvoll aufzuhellen, sie werden durch eine solche dramatische
begnügt. Es spinnen sich zwischen den Personen des Schau¬
Stilart bei Schnitzler nur noch dunkler und verschwonnnener.
spiels noch andere Fäden, so vor allem zwischen Sala von
Julian und Sala, die beiden rücksichtslesen Genußmenschen,
Stephan und Johanna der Tochter Wegraths: Mit Johanna
die mit im Mittelpunkte des Schnitzlerschen Stückes stehen,
hat es überhaupt ein seltsam Bewenden. Sie ist ein wunder¬
Vor
haben nie ein Pflichtgefühl gegen andete gekannt.
lich krankhaftes Geschöpf das an Seelenwanderung und ähn¬
langen Jahren ist Julian, der „geniale" Maler, mit Gabriele,
liches glaubt. Sie empfindet etwas wie Feindschaft gegen
der Braut seines Freundes und Studiengenossen Wegrath zu¬
Menschen, die auf ihr Mitleid angewiesen sind. Darum kann
sammengetroffen. In leidenschaftlicher Liebe fanden sich die
sie die Mutter nicht mehr so recht lieben, seit sie krank
jungen Herzen. Beide wollten mit einander fliehen. Alle Vor¬
und darum will sie auch nach deren Tode weg vom Vaker,
bereitungen zur heimlichen Abreise waren getroffen. Da machte
fort in die weite Welt. Daß sie Stephan liebt, gesteht sie ihm
sich Julian nächlicherweile aus dem Staube, weil er es als
selbst in einem leidenschaftlichen Augenblick im Garten seiner
Torheit erkannte, die „Fülle seines Daseins“ die Unbeküm¬
Villa. Sala, der sich auch in der Liebe stets den kühlen
mertheit seiner Jugend einer flüchtigen Liebesneigung zu
Ent¬
Kopf bewahrt hat und immer für „gemessene
Gabriele zu opfern. Acht Tage später heiratete Gabriele Weg¬
nicht
ist, kann sich doch ihrer
fernungen“ gewesen
rath. Mit einer Lüge erkaufte sie in ihrer Ehe Ruhe und
entziehen. Johanna soll ihm nach Bakterien
Zufriedenheit. Wegrath ist kein Genie wie Julian, immerhin,
gleiten auf seiner archäologischen Expedition, an der auch
ist Akademiedirektor und auch als Künstler der gewissen¬
hafte „Beanue“, der jedes Jahr sein braves Ausstellungsbild 1 Felix teilnehmen will. Sie soll es tun als seine angetraute?
Frau. Nicht für immer soll darun
sein. Wenn sie wieder zurückkomme
wohl sagen — ohne weiteres.
Sache.“ Johanna aber weiß, wie
es von Dr. Reumann erfahren, di
kranken gezählt sind. Ueber Nacht
Hause verschwunden und man find
Stephans Garten
Noch eine dritte und vierte 9
Handlung hinein. Aber die dran
sind noch lockerer. Da ist vor alle
spielerin, eine frisch und lebensvo
sie hat ihren Herzensroman mit
gehabt. Ihre große Szene im zu
zu einem seiner wirkungsvollsten
sehen ist schließlich die Figur des
besonders unverkennbar Pate gestat
ständige Mensch aus Temperament
stille Herzensneigung zu Johan
manches sonstige Beiwerk ersch
Was an Schnitzlers Stück vorzug
scharfsinnige Dialektik und d
reicher Lebenserfahrung erwachsen
danken. Diese unbestreitbaren rein
gen sich besonders deutlich bei ein
auf. Von der lebendigen Szene
fremdlichen Mangel an dramatische
schädigen. Ihm vielleicht allein
ben haben, wenn seinem jüngsten
nenleben nicht beschieden sein wird.