II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 75

N
insan
18. Der
ihm nunmehr wertlos erscheint, daß aber
nach demjenigen, was auf dem regelmäßigen,
sozusagen bürgerlich pflichtgemäßen Wege mut¬
maßlich auch für ihn gelegen hätte, sein Sehnen
steht. Er will ein persönliches Glück, einen
rein menschlichen Anteil am Leben. Außerlich
Er
ist ihm auch das beschieden worden.
hat einen Sohn, aber er besitzt ihn nicht.
Der Sohn gilt für den Abkömmling eines andern.
Er ist von einer Frau geboren worden, die jener, der
Lebensstürmer, kaum, daß er entschlossen war, mit
ihr den Lauf durchs Dasein zu wagen, verlassen
von einer
hat, um nicht gekettet zu sein,
Frau, die dann in Scham und Verzweiflung
den Freund des Verführers heiratete, mit dem sie
bereits verlobt war. Sein Sehnen, sein Verlangen läßt
dem Treulosen auch jetzt noch als möglich erscheinen, daß
dieser Sohn wenigstens innerlich ihm gehören werde,
sobald er seinen wahren Vater in ihm erkennt. Die
Erkennungsstunde kommt. Aber gerade von diesem
d.i Erzeeigen
Augenblick rückt der Sohn
Er kann niht verwinden
ferner als je.
daß dieser Mann, den er bisher fast unbewußt liebte,
derjenige war, der seine Mutter zu einer Ungetreuen
machte, der der Anlaß war, daß er sich jetzt in seinem
Sohnesgefühl aufs tiefste verwundet fühlen muß.
Und er empfindet stärker als je, ja, eigentlich zum
ersten Male, seine Verpflichtung gegen den anderen,
den getäuschten Mann, der ihn auferzogen,
der alles für ihn getan hat und den gerade in
diesem Augenblick, da er sich zu jenem anderen,
seinem natürlichen Vater, bekennen soll, ein schwerer
Schlag, der Selbstmord seiner Tochter, getroffen hat.
Das entscheidet. Das wirkliche, das echte Kind ver¬
läßt jenen getäuschten Mann; das nur namentliche,
das nur gesetzliche Kind wird in der Stunde der
Not unlöslicher, denn je, sein eigen. Das aber
darum, weil er an dieses Kind ein Dosein der Treue
und des Opfers gewandt hat, weil er der Sache nach
sein Vater war. Die „Wahrheit“, die Tatsache der
Vaterschaft des anderen, bleibt dem Sprößling ein
leerer Schall. Er fühlt es tief innerlich, daß der¬
jenige verzweifelt wenig an ihm getan hat, der sich
nur die Mühe gab, ihn in die Welt zu setzen — es
wird ihm eine Ehrenschuld, eine Gemütspflicht, an
demjenigen einen Teil des ungewollten Unrechts zu
fühnen, der sich durch seine Taten, durch seine Per¬
sönlichkeit ihn erworben hat.
Um diese drei Personen sammelt sich das Haupt¬
interesse. Eine Anzahl anderer, oft sehr fein ge¬
zeichnet, besonders der geistreiche „Lebenskünstler“
und „Kunstdilettant“ Sala, der in Wahrheit ein
Lebensdilettant und vielleicht ein echter Künstler
hätte sein müssen gesellt sich zu ihnen. Alle haben
durchweg ihren Sprung im Leben, an fast allen
bringt sich die Absicht, das dichterische Endurteil
Schnitzlers durch das zur Geltung, was sie selbst in ihrem
Leben vermissen, was sie verpaßt und versäumt
haben. Manche Linien in diesem Stücke bleiben ein
wenig ungewiß gehalten, mit leichten Retouchen
könnte der Dichter sie bestimmter gestalten, ohne in
banale Deutlichkeit zu verfallen. Zu den Dunkel¬
Menschen
heiten gehört auch der Selbstmord des einzigen
er alle
jungen Mädchens im Stück. Sie ist die Geliebte
n wie
des zuletzt erwähnten Skeptikers Sala geworden,
Dichtung
den ein schwerer Herzfehler schnell auf der
über die
Bahn des Lebens hinableitet. Gerade an dem Tage,
brau
da er sie bittet, seine Frau zu werden, geht sie in
, erhebt
den Tod. Warum? Wollte sie ihm in das dunkle Reich
tten er¬
voranleuchten? Wollte sie ihn ohne Fesseln selbst noch
er vollen
den kärglichen Rest seines Daseins ausleben lassen?
ehnsucht.
Vermuten kann man allerlei. Sache des Dichters
eborenen
aber war es, wenigstens die Richtung klarzulegen,
So bleibt dieser Tod
ler besitzt
nach der seine Absicht ging.
er guten
für den Leser etwas gänzlich Gleichgültiges, etwas,
an diesem
das ihn gar nicht berührt.
hier dem
aus un¬
Es ist ein Werk zum Lesen, dies neue „Stück“
as not ist.
von Schnitzler, zum beschaulichen Genießen, zum
i gegen¬
Verweilen. Es ist ein Werk, das durch die Bühne
s Geistes
vichts geminnen kann, das mit der Verkörperung
box 23/1
Selbstgewißheit des Tons beim Verfasser zu verspüren,
der nicht um eine leise Nüance in falsche Spielarten
hineinschillert. Sehr im Unterschiede z. B. von
Sudermannschen Unterhaltungen, deren weltmännische
„Haltung“, deren „Bildung“ gerade durch ihre
forcierte Bewußtheit so oft ins Parvenühafte verfällt.
Paul Mahn.
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vom: A#
„Der einsame Weg.“
Berlin, 12. Februar: Schnitzlers jüngstes Drama:
„Der einsame Weg“ fand bei seiner Erstaufführung
geteilte Aufnahme.
Berlin, 20. Februar: Der gestrigen dritten Auf¬
führung von Schnitzlers „Der einsame Weg“ wohnte“
nur ein Zuhörer an. Nach dem zweiten Akt war auch
der Einsame — weg.
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