bereits verlobt war. Sein Sehnen, sein Verlatgen läht
dem Treulosen auch jetzt noch als möglich erscheinen, daß
dieser Sohn wenigstens innerlich ihm gehören werde,
nsane
box 23/1
sobald er seinen wahren Vater in ihm erkennt. Die
18. Der einses, Neg
Erkennungsstunde kommt. Aber gerade von diesem
der Sohn dem Erzeuger
Augenblick rückt
ferner als je. Er kann nicht verwinden,
daß dieser Mann, den er bisher fast unbewußt liebte,
derjenige war, der seine Mutter zu einer Ungetreuen
machte, der der Anlaß war, daß er sich jetzt in seinem
Sohnesgefühl aufs tiefste verwundet fühlen muß.
Und er empfindet stärker als je, ja, eigentlich zum
ersten Male, seine Verpflichtung gegen den anderen,
den getäuschten Mann, der ihn auferzogen,
der alles für ihn getan hat und den gerade in
diesem Augenblick, da er sich zu jenem anderen,
seinem natürlichen Vater, bekennen soll, ein schwerer
Schlag, der Selbstmord seiner Tochter, getroffen hat.
Das entscheidet. Das wirkliche, das echte Kind ver¬
Dr. Max Goldschmidt
läßt jenen getäuschten Mann; das nur namentliche,
Bureau für
das nur gesetzliche Kind wird in der Stunde der
Not unlöslicher, denn je, sein eigen. Das aber
Zeitungsausschnitte
darum, weil er an dieses Kind ein Dasein der Treue
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
und des Opfers gewandt hat, weil er der Sache nach
eigene Korrespondenten.
sein Vater war. Die „Wahrheit“, die Tatsache der
Vaterschaft des anderen, bleibt dem Sprößling ein
Telephon: III. 3051
Berlin N. 24.
leerer Schall. Er fühlt es tief innerlich, daß der¬
— —
jenige verzweifelt wenig an ihm getan hat, der sich
nur die Mühe gab, ihn in die Welt zu setzen — es
Ausschnitt aus
wird ihm eine Ehrenschuld, eine Gemütspflicht, an
demjenigen einen Teil des ungewollten Unrechts zu
fühnen, der sich durch seine Taten, durch seine Per¬
sönlichkeit ihn erworben hat.
Tägliche Rungschau, Berüin
Um diese drei Personen sammelt sich das Haupt¬
interesse. Eine Anzahl anderer, oft sehr fein ge¬
zeichnet, besonders der geistreiche „Lebenskünstler“
und „Kunstdilettant“ Sala, der in Wahrheit ein
d5 FEB. 190.
Lebensdilettant und vielleicht ein echter Künstler
hätte sein müssen gesellt sich zu ihnen. Alle haben
durchweg ihren Sprung im Leben, an fast allen
bringt sich die Absicht, das dichterische Endurteil
Schnitzlers durch das zur Geltung, was sie selbst in ihrem
Leben vermissen, was sie verpaßt und versäumt
haben. Manche Linien in diesem Stücke bleiben ein
Theater und Musik.
wenig ungewiß gehalten, mit leichten Retouchen
Arthur Schnitzler: „Der einsame Mleg“.
könnte der Dichter sie bestimmter gestalten, ohne in
Das ist das Erstebige an diesem Stück, daß e
bauale Deutlichkeit zu verfallen. Zu den Dunkel¬
selber seinen Glauben hat, während die Menschen
heiten gehört auch der Selbstmord des einzigen
Über alle
jungen Mädchens im Stück. Sie ist die Geliebte
in ihm zu verzweifeln scheinen.
fein wie
still und
des zuletzt erwähnten Skeptikers Sala geworden,
Melanchole, die sich
ein zartes Gespinst über diese Dichtung
den ein schwerer Herzfehler schnell auf der
breitet, über den Niedergang der Personen, über die
Bahn des Lebens hinableitet. Gerade an dem Tage,
Zerbröckelung des meisten von dem worau sie
da er sie bittet, seine Frau zu werden, geht sie in
gehange was sie geliebt und verehrt haben, erhebt
den Tod. Warum? Wollte sie ihm in das dunkle Reich
sich laube an ein Eiwas, das sie hätten er¬
voranleuchten? Wollte sie ihn ohne Fesseln selbst noch
reichen können, wenn sie selbst die Kraft einer vollen
den tärglichen Rest seines Daseins ausleben lassen?
Menschlichkeit, den Willen zu ihrer Sehnsucht.
Vermuten kann man allerlei. Sache des Dichters
die opfermutige Bereitschaft zu ihrem eingeborenen
aber war es, wenigstens die Richtung klarzulegen,
So bleibt dieser Tod
Vollendungsdrange eingesetzt hätten. Schnitzler besitzt
nach der seine Absicht ging.
im Grunde das Zutrauen zur Wirksamkeit der guten
für den Leser etwas gänzlich Gleichgültiges, etwas,
Taten, zur Fruchtbarkeit reinen Wollens — in diesem
das ihn gar nicht berührt.
Stücke wenigstens. Seine Liebe gehört hier dem
*
einfältigen Herzen, der schlichten Güte, die aus un¬
Es ist ein Werk zum Lesen, dies neue „Stück“
bestochenem, unbeirrbarem Gefühle das tut was not ist.
von Schnitzler, zum beschaulichen Genießen, zum
Man hat häufiger die Empfindung, jemandem gegen¬
Verweilen. Es ist ein Werk, das durch die Bühne
überzustehen, der zu lange in der Walt des Geistes
nichts gewinnen kann, das mit der Verkörperung
gelebt hat, und plötzlich, wie mit einem inneren
durch handelnde Menschen fast in eine falsche Be¬
Fluche, aufsteht und voll Widerwillen die Flucht ergreift.
leuchtung gerückt wird. Man möchte beim Lesen
Zum Teufel aller Esprit, alle Feinheit und Erlesenheit
kaum eine Zeile missen, während man bei der
— was nutzen sie mir, wenn es gilt, ein Leid in
sind
Es
Darstellungnicht selten ermüdet.
der Welt zu stillen, einen tiefen Schmerz? Was
Dialoge, die verschiedenen Aufzüge, in denen hoch¬
nutzt mir meine ganze geistige Großmannsart, die
gebildete Menschen sich Resultate ihrer Lebensführung
sich so zärtlich in diesem kostbar aufgepäppelten,
geben, meistens in der Vergangenheit weilen, Bilder
stets in den Mittelpunkt der Welt gestellten Ich
aus ihr heraufbeschwören, nebenbei auch einiges
heraufgebildet hat, wenn es darauf ankommt,
in der Gegenwart erleben, aber selbst das
ein wahres Glück herbeizuführen? So etwa könnte
nur in wenigen Szenen derartig, daß Zug um Zu#
der Fliehende gesprochen haben.
die psychologische Entwicklung sich vor unseren Angen
Darum erhebt sich der Verfasser über das Stück
absetzt. Leichte Eindrücke, Erinnerungen, Hoffnungen
hinaus. Er bleibt nicht in seinen Grenzen stecken.
und Entsagungen ziehen vorüber — ein feinsinniges,
Er identifiziert sich nicht mit den Personen, er läßt
immer von allseitiger Bildung, von reifer, alter
ihr Geschick über sie selbst und über ihre individuellen
Kultur überglänztes Plandern, das die Asthetik
Ansichten hinausweisen. Gerade derjenige, der sein
schätzen weiß,
der Formen fast instinktv zu
Dasein in diesem Stück ganz gemäß seiner Persönlichkeit
sie mit einer selbstverständlichen Sicherheit
ausleben wollte, der alles niederzutreten oder fort¬
im persönlichen Verkehr zur Geltung bringt.
zuschaffen trachtete, was ihn hindern konnte, muß
gegen den Abend seines Lebens finden, daß das¬ Es ist während des Lesens vielleicht der persönlichste
jenige, was er auf seiner Fahrt erreichte, Reiz, der stilistisch feinste Genuß — diese abselute