II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 113

ei
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18. Der einsane Neg
Max Goldschmidt
„ Bureau für.
Zeitungsausschnitte
it direktem Nachrichtendienst durch
eigene Korrespondenten.
Telephon: III, 3051.
l. 24.

Ausschnitt aus
er Tag, Beriin
drei Fragen in Anspruch genomment die mandschürische,
mazedonische und malokkanische. Im vergangenen Jahre
schien es so, als ob diese Prooleme von ihrer früheren
Gefährlichkeit für den europäischen Frieden wenig
46.2.24
übrigbehalten haben, indem die Hauptgegner sich zu
friedlichem Ausgleich zusammengefunden haben und
einzige Tätigkeit, bei der man ihn sieht, ist: alte
chnitzler: Der einsame Weg.
Papiere in Ordnung zu bringen. (Nähl)
Beide räubern; der eine verläßt die geschwängerte
fführung im Deutschen Theater.
Braut seines Freundes. Der andere verführt (mit
So mancher steigt herum,
fünfundvierzig Jahren) die blutjunge Tochter dieses
Der Hochmut bringt ihn um...
Wie lang stehl's denn noch an,
Freundes. — Sonst nichts. —
Bist auch ein Aschenmann.
Beide grasen die Welt als seelenfeine, halb schwer¬
Emn Aschen! Ein Aschen!
mütige Vergnüglinge und Auskoster ab. Der Ober¬
Raimund.
kenner dieses Fachs (muß wieder einen Gallier
heranziehen), nämlich P. Bourget, Sachverständiger,
hat zwei Handlungen. (Und zwei Helden.)
nennt das einen dilettante. In der ursprünglichen Be¬
jemand entdeckt einem Familiensohn,
deutung des Worts: einen, der sich ergötzt. Schnitzler
sein Vater ist. Folge: der Jüngling
zeigt zwei dilettantes. Sie haben niemals jemandem
ab von ihm. Zweitens: jemand verführt
angehört — wie auch der Künstler Rubek nicht, der
entochter. Folge: das Mädchen bringt
Irene künstlerisch ausbeutet, ohne sich ihr zu geben;
das sind die zwei Handlungen.)
rebelle à l'abandon nennt das Bourget (von dem hier
Helden, die sie tun, sind alleinstehend.
der große Ibsen zweifellos gelernt hat).
bnderen Selbstsucht dieses Familienstandes.
Bei Schnitzler wird die Frau nicht als Modell be¬
piel könnte auch heißen: Les garçons. Die
nutzt (wie bei Bourget und Ibsen); sondern bloß als
Esellen sind nur Genießer. Darum wird
Genußding ausgekostet. Beide traurige, überführte,
hlimm; sie bleiben verlassen. Das Stück
beschämte Helden sind Künstler; der eine dichterisch
heißen: Comme ils vieillissent. Der eine
wie Bourgets Helden, der andre bildnerisch wie
ist härter, der andre weicher; der eine
Rubek. Aber sie können nicht einmal dichten oder
der andre traurig. Sala genießt noch am
malen; sie sind eigentlich nur Lebemänner, mit
was zu genießen ist. Hält Menschen
Melancholie, weicherer Eitelkeit, Skepsis, lauem
nndungen) in gemessener Entfernung. Er
Galgenhumor.
ironiebegabt; etwas falich (und manches
Ich liebe sie nicht. Es wohnt kein Schrei in ihnen.
sehr, sehr fein gezeichnet). Der andre ist
Sie sind keine Flieger. Sie haben nie jauchzend ge¬
splittert; meidet das Unschöne; Sinn für
sündigt, die Welt durcheilend — sondern geschmäck¬
ohne Zweck herumtaumelnd in der Welt;
ein Kind machend und wegeilend. Die lerisch und oft um der Gebärde willen. Und sie stehn
tunn Engenne Lünsunge unge#
geschlossen mit Ländern, die ihm am Eingang und
am Ende seines Weltreiches eine strategische Flotten¬
basis bieten können: mit Portugal und Japan.
Sonst ist das offizielle Bild der Koalitionen ge¬
I blieben, wie es war: der Dreibund ist erneuert
(literarisch) an der dritten Stelle. Das vertrag ich
nicht; man muß es einem Dichter wie diesem, der in
Deutschland seinen ziemlichen Ehrenplatz noch nicht
gefunden hat, mit dreifachem Nachdruck sagen. Diese
Anatols ... solange sie lustig=traurig und hold¬
mittendrin sind, hat man so vieles für sie. Aber eine
volle Menschentragik geben sie nicht her. Wenn so
einer aschgrau wird und allgemeine Sentenzen hin¬
stellt, ruft man: „Sie vielleicht! Ich nicht! Wie können
Sie Ihre ... beginnende Abnahme der Kraft zu einer
allgemeinen Trauer emporbauschen?“ Man spräche zu
Herrn von Sala oder zu Julian Fichtner etwan: „Sie
elender Schuft haben niemals Weißkäse mit Schnitt¬
lauch, sondern immer bloß Camembert gegessen —
und sich dabei was gedünkt“ (weil er vom Ausland
kam). Man muß aber beide Seiten haben; darauf
kommt es an. Das Feinste, Gesichtetste in sich tragen,
die letzten Regungen fühlen — und mit rücksichtsloser
Erdsucht das Derbe durchschmarutzen können. (Man
stirbt vielleicht daran, aber was schadet es?) Und
besser als diese Trauer, besser als ein cochon cynique
und ein cochon triste ist das Gefühl:
„Ich komm', ich weiß nicht woher; ich geh', ich weiß
nicht wohin; was ist's, daß ich so fröhlich bin?“
II.
Nein! Ueber diesem Stück liegt ein Katzenjammer.
Ein Aschen, ein Aschen! Entsagen; Altern; Schuld¬
gefühl; Einsamkeit; Lebenswende. Und Sterben.
Schnitzler hat auf einen guten Witz seiner Gegner
sehr treffend hier erwidert: „Warum reden Sie denn #
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18am
18. Der einsane Neg
Shu
der abgestuftesten Regungen,
drei oder vier Akte lang ein andres und dann eine
flüchtigen — zu einer großen
vom Sterben?“ „Gibt es einen anständigen Menschen,
Attrappe? Was soll die Polemik gegen die Jung¬
hundert malerischen Lichtflecke
der in irgend einer guten Stunde in tiefster Seele
gesellen, wenn es eigentlich eine Polemik gegen die
sonderen Linien. Ein Denkmal
an etwas anderes denkt?“ Das ist wahr.
Welt ist...?
Spieler für den letzten Ibsen.
Eine Schauspielerin vertritt die gesunden Ansichten
Ich kann keine Auskunft geben. Ich finde, das
Bei alledem blieb das Haupt
in dem Stück. Man sehnt sich schon nach etwas
Stück ist zerfließend, nicht genügend durchgearbeitet,
gab furchtbar tonlose Strecken
Liselotte; nach Frau Rat; da ist sie. Sehr schön bleibt
nicht zusammengedrängt. Erst jedes dreihundertste
Schuld des Dichters, zugleich
diese Gestalt. Die schönste des Werks. (Wenn auch
Wort sagt etwas, erst jedes sechstausendste bringt die
Regie. Die Regie des Deutsch
die tiefste schließlich Stephan von Sala ist.) Die
Handlung vorwärts. Breite; Zwecklosigkeit. Die Fehler
sehr geringem Maße die Kraf
Schauspielerin hätte ein Kind von dem weicheren
des Stückes sind erstens: daß es so zerfließt; zweitens:
Fähigkeit, Akzente zu verteilen;
Helden haben können; sie hat es nicht zur Welt
daß es die Dinge aus dritter Hand gibt. Schnitzler
verschiedene Tempi zu machen
gebracht. Sie spricht dann von dem, was ihr „im
kennt meine Quellen vielleicht gar nicht; er hat das
der Seele zu sorgen.
Engagement passiert“ ist. Es wird ihr oft. .. und
erlebt, empfunden. Aber ich kenne sie doch. (Es wird
. Sie müßte hier von den jü
in jedem Engagement passiert sein. (Und sie würde
immerhin das Beste dieser Art in deutscher Sprache sein.)
lernen.
weit überholt haben,
wahrscheinlich noch im Angesicht des Todes es ab¬
Am Ende weiß der Betrachter nicht: ob er sich mehr
den Florian Geyer.
leugnen. Das unter der Hand.) Sie bleibt ein
freuen soll, daß ein so unbeholfenes Werk doch innerlich
Lichtblick.
so wertvoll ist; oder mehr ärgern, daß ein innerlich
III.
wertvolles Werk so unbeholfen ist.
Also ein Stück gegen die Junggesellen.
„Waterka
Aber siehe da, plötzlich wird es ein anderes Stück.
IV.
Schauspiel in 3 Aufzügen von
Auch die Nichtgenießer sind unglücklich? auch die Ver¬
Die Darstellung ist mit einem Wort nicht zu kenn¬
heirateten haben den Katzenjammer? Ein Aschen!
Aufführung im Berli
zeichnen. Was auf der Bühne völlig herauskam, war
Ein Aschen! Wer sind die Idealmenschen, die korrekten
der Autor an den Aktschlüssen ... Rittner gab den
in Huhn und ein Hahn, di
Leute? Es sind zwei Simpel. Ein Nichtskönner (der
Weicheren. Er ist für solche Rollen zu positiv; zu
C. Draußen tollt Prinz K
vermeintliche Vater) und ein Temperamentloser, der
gedrungen. Er war nicht ein irrender Mann der
klatscht, die Radauflöte gellt,
Hausarzt. Der eine wird von allen Seiten betrogen;
einsamen Trauer; sondern ein muskulöser Bösewicht
lombine, geschminkte Narren krei
der andere nicht geliebt und kriegt einen Korb. Plötzlich
im grauen Haar. Die Lehmann (prachtvoll, wenn sie
Narr aller Narren aber bin ich
sieht man: auch wenn die Junggesellen sich verheiratet
überhaupt auftritt) war mehr rechtlich und grad als
hofft, die Welt mit guten #
hätten, wären sie einsam ... Es liegt also nicht an der
mit dem Schuß österreichischen Humortemperaments,
Und dieserhalb, geliebte Zuh
Verheiratung und am kategorischen Imperativ; es
den sie haben muß. Die Schauspielerin, das Zigeuner¬
unsrer heutigen Predigt zunäch
liegt am Menschentum. An der allgemeinen Lage der
hafte a. D., brachte sie nicht. Die Triesch als ver¬
behandeln, daß alles Predige
Dinge. An der Welt.
schwärmtes, tänzerisches, hellseherisches Geschöpf ver¬
es ist alles eitel, spricht d#
Diese Wendung macht dem Menschengeist, dem Er¬
sagte diesmal. Bassermann ...
„alles was Gott tut, das
kennen Artur Schnitzlers alle Ehre — dem dramatischen
Bassermann sang in mannheimischer Sprache wie
kann nichts dazu tun, noch
Schaffen aber einen Strich durch die Rechnung. Das
ein Vogel, wie ein heiserer... doch er wuchs, ge¬
richtet ein Weiser mehr aus
Stück schwankt, taumelt, es ist plötzlich das meiste un¬
staltend, gradenwegs zu einer Mythe; zu einem
wesentlich geworden. Und man fragt sich: Warum
hat er nicht dieses Stück gleich geschrieben? Sondern wundersam denkmalhaften Gesäß des geistig Feinsten, „viel Predigen macht den Leib