II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 127

18. Der einsane Neg box 23/1
Dr. Max Goldschmidt
. Bureau für
Zeitungsausschnitte
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
eigene Korrespondenten.
Telephon: II, 3051.
Berlin N. 24.
———

Ausschnitt aus
Mlinchener Neueste Nachrichten
19 2.04
. Nachbrng matt. Die Hörer gingen nicht mit. Das Schicksal Stück mit jenem liebevollen Fleiße gezimmert, der No
Neues Berliner Thenter. unden dieser beiden Genießlinge, die bettelarm sind, weil ihn bislang immer ausgezeichnet hat. Jede Szene, vor
jeder Satz ist klug bedacht und auf seine Festigkeit ge= zau
prüft worden. Jeder Satz und jede Szene, für sich nie
* Die strenge Form des mehraktigen Dramas ver=ee Menschenseele ihnen gehört, löste keine Teil¬
nahme aus. Da wendet der Sohn sich vom Vater,
von
der ihm das Geheimnis seiner Geburt offenbart und betrachtet, bestehen auch: aber an das Gerüst, an das
mag Artur Schnitzler nicht zu meistern. Er
zu spät erkennen muß, daß schrankenlose Selbstsucht Skelett der Handlung sind sie nur leicht ange= tar
gießt zu viel, undgtegte#tzu hohem Druck in das
schraubt. Hier wollte der Künstler zu sehr Künstler nen
dünnwandige Gefäß, das ihm dann unter den fleißi= uns sogar die Liebsten entfremdet, sogar die Stimme
sein; hier glaubte er, der Idee seiner Arbeit zuliebe, rech
gen Händen rissig wird oder knallend zerspringt. des Blutes — diese auf dem Theater immer noch so
wirkungsvolle Stimme — zum Schweigen bringt. die altmodischen Bauregeln beiseite schieben, sich den
So beim „Vermächtnis“ einem von Ludwig Bauer
Da läuft die Erkorene des alternden Junggesellen eine neue eigene Technik schaffen zu dürfen. Und des
mit Fug gering eingeschätzten, wohlgemeinten, aber
ins Wasser, weil sie dem unheilbar Kranken nicht das Gerüst brach zusammen. Bierbaum gibt im soll
in seinen Voraussetzungen zu unklaren Gesell¬
angehören mag. Ihr Selbstmord verblüffte die ersten Akt seiner „Stella und Antonie“ ein Him
schaftsstücke. So im „Freiwild“, dem allerdings die
Menge, und einzelne belachten den Entschluß. Was wildes Opernlibretto Stoff genug für zwei Akte, me
Tendenz zu Hilfe kam; so im „Schleier der Bea¬
sterl
das Schlimme ist: beide Handlungen sind nicht fest und darum darf er es sich leisten, zwei und dreiviertel
trice". Gleich anderen modernen Theaterdichtern
genug miteinander verkettet, durchkreuzen sich, zer= Akte hindurch lustig zu dilettieren. Erst dann er¬
hat auch Schnitzler versucht, sich von scheinbar ver¬
wacht die Opposition der Aufmerksamen.
stören sich gegenseitig die Perspektiven. Mühsam
alteten Handwerksregeln zu befreien. Er tastete
Der dramatische Erstling des fröhlichen Lyrikers J#
nur, ruckweise gehres vorwärts. Schnitzler hat sein
nach der neuen, seiner Persönlichkeit angemessenen
rüch
ist hier so eingehend besprochen worden, daß mir zu
Werk so reich ausgestattet, so viel dichterisches Emp¬
Technik. Bedeutsames kunstvoll und künstlerisch zu
au
finden, so viel vornehme Feinheiten darüber ausge= tun fast nichts mehr übrig bleibt. Wie unbekümmert
sagen, Poet und Menschenkünder zu sein, dessen Ar¬
zer
gossen, daß er dieser Fülle nicht Herr wird. Sie um alles Wenn und Aber Herr Otto Julius diesmal
beit nicht vom klopfenden Räderwerk der Kulissen¬
en
lastet wie rosiges Morgengewölk auf dem Drama, gedichtet hat, und mit welcher Seelenruhe er an gäh¬
maschine abhängt — das reizte den klugen und fei¬
sie überflutet die Szenen, drängt die Begebenheit zu= nenden Abgründen hintänzelte, das zeigt die fidele
nen Wiener. Doch wer die Bühne erobern will, darf
fu
rück. Die Begebenheit, um derentwillen wir voch Tatsache, daß er für die Berliner Aufführung der
uns nicht zu klug und zu fein kommen. Sie schreit
„Stella“ einen neuen Schlußakt verfaßte, ohne auch we
vor der Schaubühne sitzen! Ein paar von den An¬
nach klarer Einsachheit; Schnitzler gibt die Vielge¬
nur eine Silbe in den vorangegangenen drei Auf= sag
wesenden lauschen mit freudiger Andacht der Weis¬
staltigkeit, die dunkel und verworren ist wie das
zügen zu ändern. Antonie kämpft in Berlin keinen ges
Leben. „Der Schleier der Beatrice“ war den Leuten heit, der ziselierten Sprache des Dichters; die Masse
zu bunt und reich, verdeckte ihnen aber auch zu viel. starrt raklos nach Handlungen aus. Sie starrt und zweiten Kampf mit Stella um Johann Christian; und
harrt, zuerst geduldig und ein bißchen geniert, weil Antonie fällt in Berlin nicht vom Dolche der erbitter= ihn
Sobald der Mensch im Parkett nicht ganz klar sieht,
in
sie weiß, daß der alte Ibsen ia ähnlich arbeitet wie ten Nebenbuhlerin. Sie wendet sich vielmehr, ganz
wird er unruhig. Er will, daß der Verfasser ihn
tat
vom Anfang an zum Vertrauten mache — wehe, dieser Schnitzler, und weil sie sich nicht bloßstellen durchlauchtigste Komtesse mit Ekel“ von dem be¬
möchte. Sobald aber ein Unverblüffter mitten in trunkenen Schmierenkomödianten, dem sie auf ihrer Ra
wenn man statt dessen mit ihm Versteck spielt! Ich
die breite Szene hineinlacht, faßt auch sie Mut und Hochzeitsreise „zufällig" begegnet. Naiver als Bier¬
fürchte sehr, Schnitzler scheitert mit seinen Be¬
baum kann man den Forderungen des modernen kö
rächt sich für die ausgestandene Marter.
mühungen, wie hundert vor ihm. Er glaubt, es
Dramas kaum gegenüberstehen. Gefällt die eine Be
Ich habe oft darauf hingewiesen, daß
zwingen zu können, und verwechselt dabei die unbe¬
der Dramatiker so lange Knecht und Sklave Lösung des Konfliktes nicht, so pappt man halt einesche
grensten Machtmittel des Epikers mit denen des
der Handwerksregeln ist, als er sie nicht andere an. Bedingung ist dann freilich, daß im rie
eingeengten Dramatikers. Seine Stoffe sino für
ganzen Stück kein Funke wirklichen Lebens auf¬ M
souverän meistert. Diese Meisterschaft besitzt
das Buch, nicht für die Bretter geeignet; nur wenn
sprüht, daß nirgends auch nur der Versuch einer
Schnitzler noch nicht. In seinen Einaktern
er sie in knappe Dialoge in seine rühmlichen Ein¬
Charakteristik gemacht wird. Denn sonst ließe sich der
zeigte er dafür gesunden Bühneninstinkt,
alter, zusammenpreßt, lächelt ihm das Theaterglück.
im
natürlich nicht so harmlos Verwechsel=verwechsel¬
drängte vorwärts, illuminierte hell für Hans Jeder¬
O
Nun ist auch „Der einsame Weg“*),
das Bäumchen, kling, klang, gloribusch spielen. —
mann seine Absichten oder verstand ihn in Stim¬
Schnitzlers neueste Gabe, eindruckslos am Publikum
Maeterlincks Bewunderer sind übrigens
mungszauber einzuhüllen. Doch solcher Zauber
des Deutschen Theaters vorübergegangen. Und
heuer nicht minder enttäuscht worden als die von S
zwar nicht nur am Premierenpublikum. Bei der reicht immer nur für einen kurzen Akt aus. Dann

Schnitzler und Bierbaum. Seine „Schwester
ersten Wiederholung klang der Beifall gleichfalls lempört sich der sanft vergewaltigte, eingelullte
Beatrix“ ist ein hübsches Bilderstück, ein präch¬
Schausinn. Es ist interessant, zu sehen, wie sich zum
tig ausgestattetes Märchen, bei dem man aber In¬
Beispiel ein Ahnungsloser von der Art Vier¬
*) Artur Schnitzler: Der einsame Weg.
Schauspiel in fünf Akten. (S. Fischer, Verlag, Berlin.) [baums dem grübelnden Künstler Schnitzler über=nerlichkeit und in die Tiefen des Herzens steigendeske
legen zeigen kann. Zweifellos hat der Wiener sein Dichterkraft umsonst suchen würde. Die holdselige B#
Geh. # Mark.