II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 132

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18. Der einsane Nex
#nstocker Zeitung
Z1FER 1904
ldrapierte sich. Er wollte zeigen, daß in ihm auch eine ssamose Art, wie ihr Eheherr sein Credo ##
Aus Berlin.
tiefe, scheuende, schauernde Seele neben der anmutigen gefreut haben. Aber mich dünkt, daß der alte
Von unserem Berliner Korrespondenten.
lustigen wohnt. In einen großen Versdrama lieferte jder überhaupt manches konnte, was unser
niemals erreichen werden, auch wenn sie sich
(Nachdruck verboten.)
er den Beweis, daß er sich zum großen Dramatiker
spreizen, in seinen „Vieux garçons“
absolut nicht eignet. Alles zerrann in diesem „Schleier
Draußen in der Welt der Fröhlichen, am blauen
Tinge schon viel geistreicher und sprühend
Meer der Riviera und an den Ufern des Rheins be¬
der Beatriee“, bis schließlich nur ein formloses Nichts,
auch ohne Geheimnistuerei und gemachten
das sich aus lanter Episödchen zusammensetzte, übrig
deutet die Faschingswoche einen immer erneuten
lismus, ausgesprochen hat. Wenn Arthur
Flieb.
Kampf des Heiteren und Lustigen gegen den Gries¬
wieder er selbst, der frische, natürliche Wie
□ Nun hat Schnitzler ein großes modernes Trauer¬
gram des Alltags. An der Spree merkt man von
mit dem Einschuß von weicher Anmut un
irgend welcher Karnevalslaune nichts. Fastnachts=spiel in 5 Aleni. Deutschen Theater auf¬
doch nicht unangenehmer Sinnlichkeit gewo
bälle sind in unzähligen Arten und Formen ange=führen lassen. Er nennt es: „Der einsame
wird, dann werden seine Erfolge sich wieder
[Weg“, und mag wirklich das Bestreben gehabt haben,
kündigt. Aber auf ihnen produziert sich nicht der
Die Hamletlocke kleidet ihn nicht.
Gott des Humors und sein freundliches Gefolge; ganz fernst, groß und ergreifend zu sein. An Studien hat
Von den Darstellern sei der junge Kurte
andere Gottheiten von minder vornehmer Art und ser es nicht fehlen lassen; er hat sich sorgfältig in der
hervorgehoben. Er war nicht nur warm, f
wenig gewähltem Geschmack treiben da ihr Wesen. [modernen Literatur umgetan, und überall an frem¬
Das einzige Produkt, welches Berlin gerade zur jden Altären geopfert. In dem Drama finden sich lergreifend, sondern zeigte auch gute Mau
ige Leute, die alles ahnen, wie die Figurinen die Formen der besten Gesellschaft, die man
Karnevalszeit in besonders reichem Maße hervor¬
Im Februar strön aeterliucks. Dann geht ein junges Mädchen darin französischen Dutzend=Schauspieler, aber kau
bringt, ist die Premier e.
ersten Größen unter deutschen Mimen fins
die Quelle der Erstaufführungen sogar besonderssum, das sich aus seinen Kreisen heraussehnt, wie die
stark. Denn die Autoren von Ruf halten darauf, mit Frau vom Meere und Hedda Gabler. Die zwei alten
ihren unsterblichen Werken um keinen Preis bis in Junggesellen, die nach einem rauhen und stürmischen
den März hineingeschoben zu werden. Der März be= Garconleben schließlich allein den einsamen Weg des
deutet schon das Ende der eigentlichen Saison. Da
Alters und Todes gehen sind in ihrer skrupellosen
erlahmt das Interesse selbst der eifrigsten Theater¬
Jugend sicher Uebermenschen à la Nietzsche gewesen.
freunde. Man beginnt sich für den Frühling und
So findet sich von allem Reizenden ein bißchen. Aber
die Mischung ist schlecht und schal geworden, und das
seine strahlenden Wirklichkeitsfarben zu interessieren,
neben denen die Welt der Koulissen und des Theater¬
Publikum, welches den besonders tragisch beabsich¬
malers verblaßt. So drängt sich denn gerade in der
tigten Schluß des vierten Aktes einfach auslachte, hat
sweiten Hälfte des Februar die Flut der Premièren
Recht gehabt.
ohne Ende. Und der gewissenhafte Berliner Chronist!
Es ist natürlich, daß sich in der Wüste dieses Stückes
muß von immer wiederholten Schlachten um die
leinige Oasen finden, welche von dem Geist Schnitzlers
Gunst des Molochs Publikums berichten.
und seiner erfreulicheren Seite Zeugnis ablegen.
Von Siegen gibt es aber nur wenig Kunde zu [Aber diese ganze Gartenlauben=Geschichte von dem
der Wiener
Sohn, der zwei Väter hat, wirkt romanhaft und un¬
vermelden. Arthur Schnitzler,
Poct, durfte sich einst in der Sonne der Popularität
wahr. Die Mutter des jungen Helden hat vor der
wärmen. Seine Schöpfungen, wenn sie auch nicht Ehe in leidenschaftlichem Liebesverkehr mit einem
gerade Meisterwerke von weitem Horizont waren,
jungen Maler gestanden. Der Maler verläßt sie, und
sie heiratet, um nicht der Schande preisgegeben zu
des Wiener Lebens hinein. Schnitzler war, als er sein, einen anderen Künstler, an dessen Seite sie
auftrat, ein frischer und natürlicher Mensch. Mit[23 Jahre lebt, ohne ihr Geheimnis zu verraten. Nach:
Anmut und jener lässigen Grazie, welche von je ein ihrem Tode stellt sich der natürliche Vater seinem
Spezifikum des Wieners gewesen ist, wußte er seine Sohne vor. Er fühlt sich einsam und verlangt wär¬
Geschichten von den lieben Wiener Madeln und ihren
mere Liebe von seinem Kind. Aber der Sohn weist
Kavalieren, von Liebeln und Sterben, von Scheiden ihn zurück und bleibt dem anderen Vater, den man
den geistigen nennen könnte, treu. In diesem, der
und Meiden zu erzählen. Interieurstudien, wie die
ersten beiden Akte der „Liebelei“ sind kaum einem
seine Kindheit behütet, seiner Jugend ein Freund,
zweiten unter den Modernen gelungen. Der Hauch
seiner erwachenden Männlichkeit ein Berater war,
sieht er sein Ideal. So wird der Egoismus des Don
von Melancholie, der wie eine Wolke über den Er¬
eignissen liegt, wirkt dichterisch anziehend. Schnitzler
Jnan, der die Geliebte verriet, um sich nicht in Ketten
schmieden zu lassen, bestraft.
hat in vielen kleinen Skizzchen — Anatole — etwas
bedenkliche Witzchen gemacht, und noch neuerdings in
Schnitzler benutzt die Gelegenheit, um den aben¬
teuernden Junggesellen einige unangenehme Dinge
einem halbverbotenen Buche — „Reigen“ — dargetan,
daß er Beruf zum modernen Dekamerone hat. Seine zu sagen. Er schilt sie Egoisten und gibt ihnen keine
Einakter mit ihren dick aufgetragenen Farben be= sehr angenehme Zensur. Frau Schnitzler, die in einer
deuten das erste Abirren vom rechten Pfade. Schnitzler Loge mit Doktor Brahm saß, wird sich wohl über die