II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 146


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18. Dereinsn
Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
„OBSERVER“
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Ventrerungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris,
Rom, Mailand, Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Leipzig
Ausschnitt aus.Mlastrirte 7#
vom: 25 2. 1904
Theater und Musik.
Im Deutschen Theater zu Berlin trug das
interessante neue Schauspiel „Der einsame Weg“ von Artur
Schnitzler nur in den ersten Akten lebhafteren Beifall davon,
aber am Schluß machte sich Widerspruch bemerklich. — Das
neue Drama „Waterkant“ von Richard Skowronnek errang
sich im Berliner Theater ziemlich starken äußeren Erfolg.
alex. weigl's Unternenmen fur Zeitungs-Ausschnitte
Dee Ausschuin
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„OBSER VE
1
Nr. 24
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concondiaplatz 4.
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom
Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
Ausschnitt aus:
Die Gegenwart, Berlin
vom 26
27
Dramatische Aufführungen.
Der einsame Weg. Schauspiel in 4 Aufzügen von Arthur Schnitzler.
Deutsches Theater.) — Schwester Beatrix. Legende in 3 Bildern von
Maurice Maeterlinck. — Der Schlachtenlenker. Komödie von Ber¬
nard Shaw. (Neues Theater.)
Die strenge Form des mehractigen Dramas vermag Arthur
Schnitzler nicht zu meistern. Er gießt zu viel, und gießt es mit zu
sohem Druck in das dünnwandige Gefäß, das ihm dann unter den
leißigen Händen rissig wird oder knallend zerspringt. So beim „Ver¬
Für nächtniß“ einem selbst von Schnitzler's Freunden gering eingeschätzten,
oohlgemeinten, aber in seinen Voraussetzungen zu unklaren Gesellschafts¬
tücke. So im „Freiwild“, dem allerdings die Tendenz zu Hülfe kam;
*
o im „Schleier der Beatrice". Gleich anderen modernen Theaterdichtern
*
at auch Schnitzler versucht, sich von scheinbar veralteten Handwerks¬
egeln zu befreien. Er tastete nach der neuen, seiner Persönlichkeit an¬
Aboxemessenen Technik. Bedeutsames, kunstvoll und künstlerisch zu sagen,
Abowoet und Menschenkünder zu sein, dessen Arbeit nicht vom klopfenden
Käderwerk der Coulissenmaschine abhängt — das reizte den klugen und
einen Wiener. Doch wer die Bühne erobern will, darf uns nicht zu
Inhalug und zu fein kommen. Sie schreit nach klarer Einfachheit; Schnitzler
häziebt die Vielgestaltigkeit die dunkel und verworren ist wie das Leben.
wodu Der Schleier der Beatrice“ war den Leuten zu bunt und reich, ver¬
Lebeseckte ihnen aber auch zu viel. Sobald der Mensch im Parkett nicht
theilzanz klar sieht, wird er unruhig. Er will, daß der Verfasser ihn vom
wehe, wenn man statt dessen
Anfang an zum Vertrauten mache
mit ihm Versteck spielt! Ich fürchte sehr, Schnitzler scheitert mit seinen.
Bemühungen wie Hundert vor ihm. Er glaubt, es zwingen zu können,
und verwechselt dabei die unbegrenzten Machtmittel des Epikers mit
denen des eingeengten Dramatikers. Seine Stoffe sind für das Buch,
nicht für die Bretter geeignet; nur wenn er sie in knappe Dialoge, in
seine rühmlichen Einacter, zusammenpreßt, lächelt ihm das Theaterglück.
Schnitzler's neueste Gabe,
Nun ist auch Der einsame Weg“*),
eindruckslos am Pubicum des Deutschen Theaters vorübergegangen.
Und zwar nicht nur am Premièrenpublicum. Bei der ersten Wieder¬
holung klang der Beifall gleichfalls matt. Die Hörer gingen nicht mit.
Das Schicksal dieser beiden Genießlinge die bettelarm sind, weil keine
Menschenseele ihnen gehört, löste keine Theilnahme aus. Da wendet der
Sohn sich vom Vater, der ihm das Geheimniß seiner Geburt offenbart
*) Arthur Schnitzler: Der einsame Weg, Schauspiel in fünf
Acten. (S. Fischer, Verlag, Berlin.) Geh. 2 Mark.
und zu spät erkennen muß, daß schrankenlose Selbstsucht uns sogar die
Liebsten entfremdet, sogar die Stimme des Blutes — diese auf dem
Theater immer noch so wirkungsvolle Stimme — zum Schweigen bringt.
Da läuft die Erkorene des alternden Junggesellen in's Wasser, weil sie
dem unheilbar Kranken nicht angehören mag. Ihr Selbstmord ver¬
blüffte die Menge, und Einzelne belachten den Entschluß. Was das
Schlimme ist: beide Handlungen sind nicht fest genug miteinander ver¬
kettet, durchkreuzen sich, zerstören sich gegenseitig die Perspectiven. Müh¬
sam nur, ruckweise geht es vorwärts. Schnitzler hat sein Werk so reich
ausgestattet, so viel dichterisches Empfinden, so viel vornehme Feinheiten
darüber ausgegossen, daß er dieser Fülle nicht Herr wird. Sie lastet
wie rosiges Morgengewölk auf dem Drama, sie überfluthet die Scenen,
drängt die Begebenheit zurück. Die Begebenheit, um derentwillen wir
doch vor der Schaubühne sitzen! Ein paar von den Anwesenden lauschen
mit freudiger Andacht der Weisheit, der ziselirten Sprache des Dichters;
die Masse starrt rathlos nach Handlungen aus. Sie starrt und harrt,
zuerst geduldig und ein bißchen genirt, weil sie weiß, daß der alte Ibsen
ja ähnlich arbeitet wie dieser Schnitzler, und weil sie sich nicht bloßstellen
möchte. Sobald aber ein Unverblüffter mitten in die breite Scene hin¬
einlacht, faßt auch sie Muth und rächt sich für die ausgestandene Marter.
Ich habe oft darauf hingewiesen, daß der Dramatiker so lange Knecht
und Selave der Handwerksregeln ist, als er sie nicht souverän meistert.
Diese Meisterschaft besitzt Schnitzler noch nicht. In seinen Einactern
zeigte er dafür gesunden Bühneninstinet, drängte vorwärts illuminirte
hell für Hans Jedermann seine Absichten oder verstand sie in Stim¬
mungszauber einzuhüllen. Jede Seene, jeder Satz des „einsamen Weges“
ist klug bedacht und auf seine Festigkeit geprüft worden. Jeder Satz
und jede Scene, für sich betrachtet, bestehen auch: aber an das Gerüst,
an das Skelett der Handlung sind sie nur leicht angeschraubt. Hier
wollte der Künstler zu sehr Künstler sein; hier glaubte er, der Idee
seiner Arbeit zu Liebe, die altmodischen Bauregeln bei Seite schieben,
sich eine neue Technik schaffen zu dürfen. Und (das Gerüst brach zu¬
sammen