18. Der einsane Neg box 23/1
Shaw hat in den Dialog so viel hineingeheimnist nämlich sein Drama auch beim Lessing=Theater ein= entflohenen Schwester den Pförtnerdienst verrichtet
hatte, so daß deren Flucht unbemerkt geblieben war.
gereicht, dessen Direktion es ihm mit dem Bescheide
und die Personen führen eine so eingentümliche
Dieser in ihrer Schlichtheit ergreifende Legende, die
zurückgab, er möge es einer Umarbeitung unter¬
Sprache, als ob sie Ibsen paradieren wollten oder
gleich dem „Tannhäuser"=Liede aus dem Gegensatze
ziehen. Bald darauf wurde „Mutter Landstraße“
den Stil d'Annunzios kopieren.
üh¬
zwischen mittelalterlicher Askese und gesunder
Das „Kleine Theater“ brachte ebenfalls eines von Direktor Reinhart zur Uraufführung ange¬
Sinnenfreudigkeit entstanden, hat Maeterlinck in
jener Stücke zur Erstaufführung, wie sie Lessing sos nommen und nun erklärte das Lessing=Theater, die
ein dichterisches Prunkgewand gekleidet und in den
trefflich charakterisiert hat: „Mutter Land=Priorität auf dieses Werk zu besitzen. Der Rechts¬
Weihrauchnebel seines Mysticismus eingehüllt. In
straße“ von Schmidt=Bonn. Der Autor ist fall kam zwar allerdings nicht zur gerichtlichen Aus¬
seinem Stücke verschwindet nach Schwester Beatrixens
ein blutjunger Mensch, dem das seltene Glück in den tragung!
Flucht die Muttergottesstatue und die in der Gestalt
Der vordem so arg vernachlässigte Maeter¬
Schoß fiel, in einem Alter, wo andere noch in den
der entflohenen Nonne weilende Jungfrau Maria
Hörsälen der Hochschulen arbeiten, von den welt=slinck übt eine dämonische Anziehungskraft auf die
wird für die Frevlerin gehalten. Sie soll zur Strafe
bedeutenden Brettern zum Publikum sprechen zu Leiter deutscher Musentempel aus. Auch Herr Rein¬
gegeißelt werden, so befiehlt es der Kaplan. Da ge¬
können. Hätte Herr Schmidt, was seine poetisch hart hat im verflossenen Monat versucht, ein Stück
schieht ein Wunder: Die Geißeln in den Händen der
empfindenden Altersgenossen sonst in der Regel zu des belgischen Dichters seinem Repertoire einzuver¬
frommen Schwestern verwandeln sich in Lilienstengel
tun pflegen, eine Römertragödie gedichte so würde leiben, aber nur die stimmungsvolle Ausstattung
und der Himmel strömt überirdischen Glanz aus. Nun
wie das ergreifende Spiel der Frau Sorma haben
er sicher noch keine Gelegenheit gesunden haben,
verehren die Nonnen die falsche Schwester Beatrix
das Werk, welches den Titel „Schwester Beatrix“
als Dramatiker in die Öffentlichkeit zu treten, aber
als Heilige, und als im letzten Akte die Entflohene,
er war so klug, dem Zuge der Zeit Rechnung zu führt, vor einem Mißerfolge bewahrt. In dem katho¬
tragen und die Parabel vom verlorenen Sohn in lischen Österreich würde dieses Drama kaum aufge=totkrank an Leib und Seele, zurückkehrt, als sie
führt werden, weil es eine Marienlegende zum Vor= sterbend bekennt, daß sie draußen in der Welt ein
ein modernes naturalistisches Milieu zu stellen. Er
wurfe hat. Diese gehört zu den poesievollsten Mythen, tolles Dirnenleben geführt, da halten die frommen
gab sich also in der Rolle eines Uhde der Literatur.
die aus dem Marienkultus entstanden sind, und Frauen diese Beichte für Fieberphantasien und die
Diese Vermummung imponierte augenscheinlich
arge Sünderin stirbt, umflossen vom Heiligenschein.
Direktor Reinhart und bewog ihn zu dem Versuche, handelt von der schönen Nonne, die, von heißer
„Mutter Landstraße“ aufzuführen. Anders können Liebesleidenschaft gepackt, aus dem Kloster flieht, So klingt das Drama in einen Schluß aus, der fast
wir uns dieses Experiment nicht erklären, denn dabei aber vor der Flucht die Schlüssel — sie ver= einer Satire auf den Heiligenkultus der katholischen
zu Füßen Kirche gleichkommt! Die ganze Anlage des Werkes
Schmidts Erstlingswerk ist kaum viel mehr als die waltete das Pförtneramt
Arbeit eines begabten Dilettanten und fand auch der Statue der Gottesmutter niederlegt. ist aber nichts weniger als auf eine satirische Note
gestimmt, und darum verwischt das Ende den
eine ganz entschiedene Ablehnung. Möglich, daß in Als sie aber nach langen Jahren, ent¬
Totaleindruck und verdirbt die Wirkung der vorher¬
dem Verfasser doch ein Dichter steckt, aber ein Dra=täuscht von der Welt und gebrochen von Liebesleid,
J. St—g.
an die Pforte des Klosters pocht, um dort ihre Tage
gegangenen tiefpoetischen Akte.
matiker schwerlich. Das Merkwürdigste aber war,
daß es wegen dieses Stückes bald zu einer Anrufung in Reue zu beschließen, da öffnet ihr die Jungfrau
der Gerichte gekommen wäre. Herr Schmidt hatte Maria selbst, welche einstweilen in der Gestalt der
Shaw hat in den Dialog so viel hineingeheimnist nämlich sein Drama auch beim Lessing=Theater ein= entflohenen Schwester den Pförtnerdienst verrichtet
hatte, so daß deren Flucht unbemerkt geblieben war.
gereicht, dessen Direktion es ihm mit dem Bescheide
und die Personen führen eine so eingentümliche
Dieser in ihrer Schlichtheit ergreifende Legende, die
zurückgab, er möge es einer Umarbeitung unter¬
Sprache, als ob sie Ibsen paradieren wollten oder
gleich dem „Tannhäuser"=Liede aus dem Gegensatze
ziehen. Bald darauf wurde „Mutter Landstraße“
den Stil d'Annunzios kopieren.
üh¬
zwischen mittelalterlicher Askese und gesunder
Das „Kleine Theater“ brachte ebenfalls eines von Direktor Reinhart zur Uraufführung ange¬
Sinnenfreudigkeit entstanden, hat Maeterlinck in
jener Stücke zur Erstaufführung, wie sie Lessing sos nommen und nun erklärte das Lessing=Theater, die
ein dichterisches Prunkgewand gekleidet und in den
trefflich charakterisiert hat: „Mutter Land=Priorität auf dieses Werk zu besitzen. Der Rechts¬
Weihrauchnebel seines Mysticismus eingehüllt. In
straße“ von Schmidt=Bonn. Der Autor ist fall kam zwar allerdings nicht zur gerichtlichen Aus¬
seinem Stücke verschwindet nach Schwester Beatrixens
ein blutjunger Mensch, dem das seltene Glück in den tragung!
Flucht die Muttergottesstatue und die in der Gestalt
Der vordem so arg vernachlässigte Maeter¬
Schoß fiel, in einem Alter, wo andere noch in den
der entflohenen Nonne weilende Jungfrau Maria
Hörsälen der Hochschulen arbeiten, von den welt=slinck übt eine dämonische Anziehungskraft auf die
wird für die Frevlerin gehalten. Sie soll zur Strafe
bedeutenden Brettern zum Publikum sprechen zu Leiter deutscher Musentempel aus. Auch Herr Rein¬
gegeißelt werden, so befiehlt es der Kaplan. Da ge¬
können. Hätte Herr Schmidt, was seine poetisch hart hat im verflossenen Monat versucht, ein Stück
schieht ein Wunder: Die Geißeln in den Händen der
empfindenden Altersgenossen sonst in der Regel zu des belgischen Dichters seinem Repertoire einzuver¬
frommen Schwestern verwandeln sich in Lilienstengel
tun pflegen, eine Römertragödie gedichte so würde leiben, aber nur die stimmungsvolle Ausstattung
und der Himmel strömt überirdischen Glanz aus. Nun
wie das ergreifende Spiel der Frau Sorma haben
er sicher noch keine Gelegenheit gesunden haben,
verehren die Nonnen die falsche Schwester Beatrix
das Werk, welches den Titel „Schwester Beatrix“
als Dramatiker in die Öffentlichkeit zu treten, aber
als Heilige, und als im letzten Akte die Entflohene,
er war so klug, dem Zuge der Zeit Rechnung zu führt, vor einem Mißerfolge bewahrt. In dem katho¬
tragen und die Parabel vom verlorenen Sohn in lischen Österreich würde dieses Drama kaum aufge=totkrank an Leib und Seele, zurückkehrt, als sie
führt werden, weil es eine Marienlegende zum Vor= sterbend bekennt, daß sie draußen in der Welt ein
ein modernes naturalistisches Milieu zu stellen. Er
wurfe hat. Diese gehört zu den poesievollsten Mythen, tolles Dirnenleben geführt, da halten die frommen
gab sich also in der Rolle eines Uhde der Literatur.
die aus dem Marienkultus entstanden sind, und Frauen diese Beichte für Fieberphantasien und die
Diese Vermummung imponierte augenscheinlich
arge Sünderin stirbt, umflossen vom Heiligenschein.
Direktor Reinhart und bewog ihn zu dem Versuche, handelt von der schönen Nonne, die, von heißer
„Mutter Landstraße“ aufzuführen. Anders können Liebesleidenschaft gepackt, aus dem Kloster flieht, So klingt das Drama in einen Schluß aus, der fast
wir uns dieses Experiment nicht erklären, denn dabei aber vor der Flucht die Schlüssel — sie ver= einer Satire auf den Heiligenkultus der katholischen
zu Füßen Kirche gleichkommt! Die ganze Anlage des Werkes
Schmidts Erstlingswerk ist kaum viel mehr als die waltete das Pförtneramt
Arbeit eines begabten Dilettanten und fand auch der Statue der Gottesmutter niederlegt. ist aber nichts weniger als auf eine satirische Note
gestimmt, und darum verwischt das Ende den
eine ganz entschiedene Ablehnung. Möglich, daß in Als sie aber nach langen Jahren, ent¬
Totaleindruck und verdirbt die Wirkung der vorher¬
dem Verfasser doch ein Dichter steckt, aber ein Dra=täuscht von der Welt und gebrochen von Liebesleid,
J. St—g.
an die Pforte des Klosters pocht, um dort ihre Tage
gegangenen tiefpoetischen Akte.
matiker schwerlich. Das Merkwürdigste aber war,
daß es wegen dieses Stückes bald zu einer Anrufung in Reue zu beschließen, da öffnet ihr die Jungfrau
der Gerichte gekommen wäre. Herr Schmidt hatte Maria selbst, welche einstweilen in der Gestalt der